Stieg am ersten Weltenmorgen Aus dem Meer der Sonnenjüngling, Küßte gleich mit Purpurlippen, Küßte gleich die junge Erde, Daß sie, mädchenhaft erröthend, In verschämte Nebelschleier, Gegenliebe zu verbergen, Ihren Busen hüllt -- umsonst: Und der ersten Liebesstunde Sieh! entsprossen tausend Kinder, Blumen, Vogel und Gazellen Und zuletzt die holden Menschen, Weiß ihr Leib wie Sonnenstrahlen, Dunkle Sonnen sind die Augen, Sonnig glühen auch die Herzen In der tiefen Menschenbrust. Und zum väterlichen Lichte Heben sie die Hände dankbar, Singen mit melodschen Lippen Jubelnd ihm das erste Lied. Aber an des Tages Abend Neigt das Haupt der Flammenbräutgam, Müd' vom Buhlen, sterbensmüde Und voll Sehnsucht nach des Meeres Uranfänglich kühler Feuchte, Streift er ab die Purpurkleider, Tauchet langsam, ruhig langsam, In das dunkle Bad der Nacht. Ach, und nach des Gottes Scheiden Werden blaß die Rosenwolken, Blaß der Himmel, und die Berge Werden farblos, kalt und bleiern. Ohne Farbe, ohne Leben Stehen fahl und starr die Wälder, Wie gestorben, und die Erde Fröstelt, die verlassne Wittwe. Fröstelnd auch am Meeresufer Schmiegen eng sich aneinander, Furchtsam eng die Sonnenkinder, Und es schattet schwarz und schwärzer; Und ihr Auge, nachtumhüllet, Weinet seine erste Thräne Ach! es suchen sich [Verliebte]1 Und erkennen sich nicht mehr. [Blumen schließen scheu die Kelche, Schmetterlinge ihre Flügel,]2 [Und]3 die Vögel flattern ängstlich Durch die Büsche, gegen Bäume; [In der liederreichen Kehle Bleiben alle Töne stecken, Auch die Nachtigallen singen]4 Nur ein stummes Klagelied. Und durchs junge Herz der Erde, Blumenherzen, Menschenherzen, Zittert nur ein einziger Seufzer, Seufzerwunsch nach goldnem Licht; Und zum düstren Firmamente Schwimmt der tiefe Seufzer aufwärts, Sieh! und wie er angelandet An der finstern Wölbung -- plötzlich Wird er leibhaft und lebendig, Wunsch verkörpert zum Erwünschten, Und die ersten Strahlenblicke Auf die Erde wirft der Mond, Reißt entzwei die Wittwenflöre, Legt um ihre [Marmorschulter]5 Zart ein elfenweißes Brautkleid Und er küßt sie lang und zärtlich; Küßt der Blumen [Kelche offen]6, Küßt die Käfer und sie glühen, Küsset auch die Nachtigallen Und sie schluchzen süßmelodisch, Und den Jünglingen und Mädchen Küßt er Augen, Stirn und Lippen, Weckend den Verliebten wieder Allerlieblichste Erkenntniß; Und sie wandeln holdverschränket, Reizend enge, Herz an Herzen, Und zuletzt auf Veilchenbetten Schlafen sie den ersten Schlaf. Und im lieben Mondenlichte Schlummert auch die Erde, schlummern Auch die Rosen -- unaufhörlich Singt allein die Nachtigall.
Sansara für Chor, Soli und Orchestra
Song Cycle by Paul Geisler (1856 - 1919)
1. Stieg am ersten Weltenmorgen  [sung text checked 1 time]
Authorship:
- by Eduard Rudolf Grisebach (1845 - 1906), no title, appears in Der neue Tanhäuser (1888), no. 21, Berlin: Verlag von F. & P. Lehmann, first published 1888
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View original text (without footnotes)1 Geisler: "Geliebte"
2 omitted by Geisler.
3 Geisler: "Auch"
4 Geisler: "In der Brust, der tönevollen" (three lines replaced by one)
5 Geisler: "Marmorschultern"
6 Geisler: "und sie leuchten"
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2. Die verschwiegene Nachtigall  [sung text checked 1 time]
Unter der Linden, An der Haide, Wo ich mit meinem Trauten saß, Da mögt ihr finden, Wie wir beide Die Blumen brachen und das Gras. Vor dem Wald mit süßem Schall, Tandaradei! Sang im Thal die Nachtigall. Ich kam gegangen Zu der Stelle; Mein Liebster war schon vor mir dort. Mich hat empfangen Mein Geselle, Daß ich bin selig immerfort. Ob er mir [da]1 Küsse bot? Tandaradei! Seht, wie ist mein Mund so roth! Da gieng er machen Uns ein Bette Aus süßen Blumen mancherlei; Des wird man lachen Noch, ich wette, So Jemand wandelt dort vorbei Bei den Rosen er wohl mag Tandaradei! Merken wo das Haupt mir lag. Wie ich da ruhte Wüst' es Einer, Behüte Gott, ich schämte mich. Wie mich der Gute Herzte, Keiner Erfahre das als er und ich, Und ein kleines Vögelein Tandaradei! Das wird wohl verschwiegen sein.
Authorship:
- by Karl Joseph Simrock (1802 - 1876), first published 1869
Based on:
- a text in Mittelhochdeutsch by Walther von der Vogelweide (1170? - 1228?), "Under der linden"
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View original text (without footnotes)Confirmed with Walther von der Vogelweide übersetzt von Karl Simrock, Leipzig: Verlag von S. Hirzel, pages 154-155.
1 Kienzl: "auch"
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3. Das Lied vom Tannhäuser  [sung text checked 1 time]
Nun will ich wallen hin nach Rom, Gott mög' der Reise walten; Zum heil'gen Vater, Pabst Urban, Der mög' meine Seele behalten. Und als er kam nach Rom hinein Mit müden, blutenden Füßen, Da fiel er nieder auf die Knie Seine Sünden wollt er büssen. Ach, heil'ger Vater Pabst Urban, Ich trage Reu im Sinne, Ich bin gewesen sieben Jahr Im Berg einer Teufelinne. Ich habe gesündigt sieben Jahr Mit Venus, der schönen Frauen, Nun möcht ich Buß' und Beicht empfahn Und Gottes Gnade schauen. Hast du gesündigt sieben Jahr Im Berg mit Venus, der Frauen, So wirst du niemals Beicht' empfahn Noch Gottes Gnade schauen. Wie dieser Stab in meiner Hand Nie grünen wird und blühen, So wahr soll deine Seele auch In der Hölle ewig glühen. Tannhäuser ging zur Kirche hinaus, War traurig ohne Maaßen: Ich dachte Gott wär' gnädig mir, Nun muss ich von ihm lassen. Und als er kam vors Thor hinaus, Begegnet ihm unsre liebe Fraue: Behüt dich Gott, du reine Magd. Dich darf ich nimmer anschauen. Und als er wieder kam vor den Berg, Er sah sich um gar weite: Gott segne die Sonne, Gott segne den Mond, Dazu meine lieben Freunde! Tanhäuser ging in den Berg hinein Frau Venus, die kam ihm entgegen: Tannhäuser, lieber Tannhäuser mein, Wo bist du so lange gewesen? Sie setzt ihn nieder auf einen Stuhl, Sie wusch ihm die blutigen Füße, Sie trocknet ihn ab mit ihrem Haar Und lachte dabei so süße. Sie kamen aus der Kammer heraus, Frau Venus mit Lachen und Scherzen; Tanhäuser sprach kein einzig Wort, Ließ sich schweigend küssen und herzen. Um diese Stund' begann in Rom Der dürre Stab zu grünen, Und als es zu der Vesper kam, Da trug er Laub und Blumen. Der Pabst betrübte sich gar sehr Betet' und rang die Hände: Tanhäuser blieb in Frau Venus Berg Ewiglich ohne Ende.
The text shown is a variant of another text. [ View differences ]
It is based on
- a text in German (Deutsch) by Eduard Rudolf Grisebach (1845 - 1906), "Das Lied von dem Tanhäuser", appears in Tanhäuser: eine Dichtung in zwei Theilen
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Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]4. Die, deren Schoss geboren  [sung text checked 1 time]
Die, deren Schoß geboren, In Wonn und Lust verloren, Ihr Kind in Armen hält, Sie gibt dir Preis und Ehren, Und weint des Dankes Zähren Dir, Vater aller Welt. Und, welcher du verneinet Des Leibes Segen, weinet Und grämt und härmet sich, Sie hebt zu dir die Arme Und betet: ach! erbarme, Erbarme meiner dich! Ich Ärmste nur von allen, In Schuld und Schmach [gefallen]1, Bin elend grenzenlos; Ich bete: -- weh mir! -- mache, Aus Mitleid oder Rache, Unfruchtbar meinen Schoß.
Authorship:
- by Adelbert von Chamisso (1781 - 1838), no title, appears in Lieder und lyrisch epische Gedichte, in Tränen, no. 5
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Rufus Hallmark) , copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
1 Geisler: "verfallen"
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5. Der junge Lenz ist abgeblüht  [sung text checked 1 time]
Der junge lenz ist abgeblüht verblüht sind veilchen und syringen, auch sind die schmetterlinge todt, die einst an ihren kelchen hingen. Des kirschbaums weisser blütenschnee ist längst verwelkt und abgefallen, es füttern ihre jungen schon die stummgewordnen nachtigallen. Dein [herz]1 ist auch dahingeblüht, es blühte, ach, für einen andern, verstohlen nur muss ich mit dir durch diesen süssen sommer wandern. [ ... ] [Was]2 ich im ersten kuss verbrach, wir sühnen es durch einen zweiten: wie bald ist lenz und leben hin und alle ihre seligkeiten! [ ... ]
Authorship:
- by Eduard Rudolf Grisebach (1845 - 1906), no title, appears in Der neue Tanhäuser (1871), no. 28, first published 1871
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View original text (without footnotes)Note: Geisler capitalizes the nouns; the poet does not.
1 Geisler: "Lenz"
2 Geisler: "Und was"
Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]
6. Des Pfarrers Tochter zu Taubenheim  [sung text checked 1 time]
Da drunten auf der Wiesen Da ist ein kleiner Platz, Da tät ein Wasser fließen, Da wächst kein grünes Gras. Da wachsen keine Rosen Und auch kein Rosmarein, Hab ich mein Kind erstochen Mit einem Messerlein. Im kühlen Wasser fließet Sein rosenrotes Blut, Das Bächlein sich ergießet Wohl in die Meeresflut. Vom hohen Himmel sehen Zwei blaue Äugelein, Seh ich mein Englein stehen In einem Sternelein. Dort droben auf dem Berge Da steht das hohe Rad, Will ich mich drunter legen Und trauern früh und spat. Hast du mich denn verlassen, Der mich betrogen hat, Will ich die Welt verlassen, Bekennen meine Tat. Der Leib der wird begraben, Der Kopf steht auf dem Rad, Es fressen den die Raben, Der mich verführet hat.
Authorship:
- from Volkslieder (Folksongs) , "Des Pfarrers Tochter zu Taubenheim", appears in Des Knaben Wunderhorn, first published 1805-8
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Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]7. Nirwana  [sung text checked 1 time]
Das ist der fahle, schlummernde See, Aus dem das Leben geronnen Mit seinem thränenbeträuften Weh Und seinen vergänglichen Wonnen. Ein Traum nur paarte die irdische Pein Dem traumgeborenen Glücke, -- Und dem es entsprang, das nichtige Sein, In's Urnichts [rinnt]1 es zurücke. Gemach ersterben im eisigen All Des Lichtes zitternde Fluthen; Die ewigen Götter kommen zu Fall, Die Sonnenbälle verbluten. Und bleich verröchelt am Weltensaum Die fiebernde Episode, Und einsam klingt im unendlichen Raum Das Lied vom ewigen Tode.
Authorship:
- by Ernst Eckstein (1845 - 1900), "Nirwana", appears in In Moll und Dur, in 2. Zweite Abtheilung
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , "Nirvana", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Ernst Eckstein, In Moll und Dur, Leipzig: Verlag von Johann Friedrich Hartknoch, 1877, pages 50-51.
1 Geisler: "geht"Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Sharon Krebs [Guest Editor]
8. Waldlied  [sung text checked 1 time]
Voll Gewitterlust
Wirft im Sturme hin
Sein Gewand Merlin,
Daß die Lüfte kühlen,
Blitze ihm bespülen
Seine nackte Brust.
[ ... ]
Wurzelfäden streckt
Eiche in den Grund,
Unten saugt versteckt
Tausendfach ihr Mund
Leben aus geheimen Quellen,
Die den Stamm gen Himmel schwellen.
Flattern läßt sein Haar Merlin
In der Sturmnacht her und hin,
Und es sprühn die feurig falben
Blitze, ihm das Haupt zu salben;
Die Natur, die offenbare,
Traulich sich mit ihm verschwisternd,
Tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd
Küssen seine schwarzen Haare. --
Das Gewitter ist vollbracht,
Stille ward die Nacht;
Heiter in die tiefsten Gründe
Ist der Himmel nach dem Streite;
Wer die Waldesruh verstünde
Wie Merlin, der Eingeweihte!
Frühlingsnacht! kein Lüftchen weht,
Nicht die schwanksten Halme nicken,
Jedes Blatt, von Mondesblicken
Wie bezaubert, stille steht.
Stimmen, die den andern schweigen,
Jenseits ihrer Hörbarkeiten,
Hört Merlin vorübergleiten,
Alles rauscht im vollen Reigen
Denn die Königin der Elfen
Oder eine kluge Norn
Hält, dem Sinne nachzuhelfen,
Ihm ans Ohr ein Zauberhorn.
Rieseln hört er, springend schäumen
Lebensfluten in den Bäumen;
Vögel schlummern auf den Ästen
Nach des Tages Liebesfesten,
[Doch]1 ihr Schlaf ist auch beglückt;
Lauschend hört Merlin entzückt
Unter ihrem Brustgefieder
Träumen ihre künftgen Lieder.
[Klingend strömt des Mondes Licht
Auf die Eich und Hagerose,
Und im Kelch der feinsten Moose
Tönt das ewige Gedicht.]1
Authorship:
- by Nikolaus Lenau (1802 - 1850), no title, appears in Gedichte, in 5. Fünftes Buch, in Vermischte Gedichte, in Waldlieder, no. 5
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View original text (without footnotes)1 omitted by Geisler
Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]
9. Abendlied  [sung text checked 1 time]
Der Mond ist aufgegangen,
[Die goldnen Sternlein prangen]1
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weisse Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Gott, laß [uns dein Heil]2 schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden,
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich seyn!
[ ... ]
Authorship:
- by Matthias Claudius (1740 - 1815), "Abendlied"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , copyright © 2018, (re)printed on this website with kind permission
- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , "Avondlied", copyright © 2006, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Emily Ezust) , "Evening Song", copyright ©
- ENG English (Bertram Kottmann) , "Evening song", copyright © 2006, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Chant du soir", copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Canto della sera", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with ASMUS omnia sua SECUM portans, oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen, IV. Theil. Beym Verfasser, und in Commißion bey Friedrich Perthes in Hamburg. [1782], pages 91-92; with Poetische Blumenlese für das Jahr 1779. Herausgegeben von Joh. Heinr. Voß. Hamburg, bei Carl Ernst Bohn, pages 184-186; and with Johann Gottfried Herder's Volkslieder. Nebst untermischten andern Stücken. Zweyter Theil. Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung, 1779, pages 297-298.
Note: Herder's Volkslieder prints only the first five stanzas, and Claudius (in his ASMUS complete edition) separates the first five stanzas with three asterisks from the remaining two.
1 This line is a quotation from Paul Gerhardt's 'Nun ruhen alle Wälder' (a text in the same verse form used by Claudius here)2 Geisler, Gernsheim, Schubert: "dein Heil uns"
3 Claudius (Musenalmanach), Geisler, Gernsheim: "in"
4 Claudius (Musenalmanach): "lieber treuer frommer"
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Malcolm Wren [Guest Editor] , Peter Rastl [Guest Editor]