by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
Morgengesang
Language: German (Deutsch)
Der junge Tag, zurückgekommen mit neugeschaffnem Angesicht, hat halb die Freundlichkeit des Gottes angenommen, der ihn bekleidet mit Licht! Du, Seele, bist nicht fortgerissen aus mir durch irgendeine Macht; o dem, auf dessen Wort die Himmel horchen müssen, sei neues Opfer gebracht! Er durfte sprechen, durfte winken, so schlug der Todesengel mich; so musst ich plötzlich hin in ew’gen Schlaf versinken, und Lust bekleidete dich! Er hieß mich leben, hieß dich bleiben, dich, die vom Himmel niederfuhr; sei Funken oder Hauch, ich kann dich nicht beschreiben, empfinden kann ich dich nur! Du denkst in mir, du kannst dich schwingen, dem unsichtbaren Winde gleich, in einem Augenblick dahin, wo Engel singen, und singst mit ihnen zugleich! Du übersteigest Mond und Sterne, fliehst schnell zurück, du schweifst umher wie Gottes Blitz und schwebst in ungemessner Ferne hoch über Hügel und Meer! Du drängest dich durch dicke Mauren, du achtest feste Schlösser nichts; ich fühl es, dass du strebst, der Gottheit gleich zu dauren, zu trinken Ströme des Lichts. Dein namenloser Geiz begehret mehr, als die Welt zu geben weiß; von Wollust oder Gold und Ehre nicht genähret, bleibt stets dein Hunger noch heiß, Bis du zum Seraph wirst erhoben, o fühle deine Würde ganz. Unsterbliche! dir gab der, den die Sterne loben, ein Teil vom himmlischen Glanz.
Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Philipp Emanuel Bach (1714 - 1788), "Morgengesang", Wq 195 no. 11 (1764) [ voice and harpsichord or piano ], from Zwölf geistliche Oden und Lieder als ein Anhang zu Gellerts geistlichen Oden und Liedern mit Melodien, no. 11 [sung text checked 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2016-06-06
Line count: 36
Word count: 215