by Gabriele von Baumberg (1766 - 1839)
Lebenstraum
Language: German (Deutsch)
Available translation(s): ENG
Ich sass vor eines Tempels Halle Am Musenhayn, Umrauscht vom nahen Wasserfalle, Im sanften Abendschein. Kein Lüftchen wehte; - und die Sonn' im Scheiden Vergüldete die matten Trauerweiden. Still sinnend sass ich lange da, Das Haupt gestüzt auf meine Rechte. Ich dachte Zukunft und Vergangenheit; und sah Auf einem Berg, dem Thron der Götter nah, Den Aufenthalt vom heiligen Geschlechte Der Sänger alt' und neuer Zeit, An deren Liede sich die Nachwelt noch erfreut. Todt, unbemerkt, und längst vergessen schliefen Fern in des Thales dunkeln Tiefen Die Götzen ihrer Zeit, - Im Riesenschatten der Vergänglichkeit. Und langsam schwebend kam aus jenem dunkeln Thale, Entstiegen einem morschen Heldenmahle, Jezt eine düstere Gestalt daher, Und bot (indem sie wie von ohngefähr Vorüberzog) in einer mohnbekränzten Schale Aus Lethe's Quelle mir - Vergessenheit! Betroffen, wollt' ich die Erscheinung fragen: Was dieser Trank mir nützen soll? .. Doch schon war sie entflohn: ich sah's mit stillem Groll; Denn meinen Wünschen - konnt' ich nicht entsagen. Da kam in frohem Tanz, mit zefyrleichtem Schritt, Ein kleiner Genius gesprungen, Und winkt' und rief mir zu: "Komm mit! Entreisse dich den bangen Dämmerungen, - Sie trüben selbst der Wahrheit Sonnenschein! Komm mit! Ich führe dich in jenen Lorberhayn, Wohin kein Ungeweihter je gedrungen. Ein unverwelklich schöner Dichterkranz Blüht dort für Dich im heitern Frühlingsglanz, Mit einem Myrthenzweig umschlungen." Er sprach's, und ging nun schnell voran. Ich folgte, voll Vertraun, dem holden Jungen, Beglückt in meinem süssen Wahn. Es herrschte jezt die feyerlichste Stille Im ganzen Hayn. Das lang-ersehnte Ziel, Hellschimmernd sah ich's schon in ferner Schattenhülle, Und stand, verloren ganz im Lustgefühl. "Nimm" (sprach er izt) "es ist Apollons Wille; Nimm hin diess goldne Saitenspiel! Es hat die Kraft, in schwermuthsvollen Stunden Durch seinen Zauberton zu heilen all' die Wunden, Die Missgeschick und fremder Wahn dir schlug. Mit zärtlich rührenden Akkorden Tönt es vom Süden bis zum Norden, Und übereilt der Zeiten schnellen Flug. Sey stolz auf den Besitz! und denke: "Von Allem, was die Götter Sterblichen verleihn, Ist diess das höchste der Geschenke! Und Du - Du wirst es nicht entweihn." - Ich athmete von nun an freyer; Apolls Geschenk, die goldne Leyer, War mein Gefährte Tag und Nacht. Noch nicht vertraut mit ihrer ganzen Macht, Sang ich zuerst nur kleine Lieder; Und Echo hallte laut und fröhlich wieder, Was jedes junge Herz sich wünscht und sich verspricht. Doch diess gefiel den Mädchen nicht, Nur - schweigen, dachten sie, sey Pflicht! Und hüllten tiefer sich in ihren dichten Schleyer. Vielleicht, vielleicht in eigner Brust Sich irgend einer Schuld bewusst, Verkannten sie den Ton der Leyer! Sie wähnten thöricht, ihren Bund Und ihre Tändeleyn verrathen, - Verrathen durch der Schwester Mund. Ich wusste wenig, was sie thaten; Und ihre Furcht war ohne Grund. Was ich gedacht, was ich empfunden, Und wünschenswerth im Leben fand; Was in der Weihe heil'gen Stunden Ich, arglos wie ich war, gestand: Es war der Hang nach dem gelobten Land, Wo reingestimmte, freygeschaffne Seelen Sich finden, schnell verstehn und wählen, - Unsichtbar an der Zauberhand Der höhern Sympathie geleitet. Diess Hochgefühl, das kein Geschick verleidet, Nach welchem jede bessre Seele strebt; Das von dem Thier den Menschen scheidet Und himmelan zu Göttern hebt; Der edelste, der reinste aller Triebe, Die unschuldvolle, wahre Liebe: Schien mir (mit höhern Wesen schon verwandt) Des Liedes würdigster und schönster Gegenstand. Klagt' ich? - so galt's dem oft gekränkten Rechte Vom ganzen weiblichen Geschlechte, - Nicht selten auch der Männer Unbestand'. Drum schied ich bald aus ihrem bunten Kreise, Und zog mich - in mich selbst zurück. Mir bot die Einsamkeit ein stilles Glück Und eine bessre, höhre Lebensweise. - Da sang ich nun mit unbefangnem Sinn, Bald froh, bald traurend, meinen Frühling hin. Oft pflanzt' ich Rosen um die Trauerweide, Oft um der Freundschaft theures Heiligthum Vergissmeinnicht und Immergrün herum. Und so ward izt ein Plätzchen dürrer Heide Für mich ein irdisches Elysium. Bedrohte gleich die Ebb' und Fluth des Lebens Mich oft in meiner Ruhe Port: Mich zog der Strom der Welt vergebens In seinem Wirbelkreise fort. Sanft schwebte hin mein leichter Nachen; Der Sturm der Leidenschaften schlief; Und meine hochentzückte Seele rief: "Ist dieses Glück ein Traum, so will ich nie erwachen!" ----- Ach! kurz war meine Seligkeit! .. Denn nur zu bald begann des Lebens innrer Streit. Gewitter kamen nun herangezogen, Und kraftlos blieb der Lyra Zaubermacht. Schon tobten rings um mich die aufgeregten Wogen; Die Donner rollten, - Blitze flogen Hin durch der Wolken finstre Nacht. Weh meiner Gartenflur! die mir so hold gelacht, Die ich so liebend mir mit Sorgfalt auferzogen! Doch selbst in diesem Kampf der Elemente lag Für mich ein neuer Schöpfungstag. Der grause Sturm, die wild-empörten Wellen, Statt meinen frey-hinwankend leichten Kahn An schroffen Felsen zu zerschellen, Erhoben ihn nur immer mehr hinan Zu jener hohen Sänger Sternenbahn. Bald war das schwarze Sturmgewölk verflogen, Und freundlich zeigte sich der milde Friedensbogen Am neu-erhellten Horizont. Zwey Blumen, die der Götter Zorn verschont, Erhoben izt ihr mattes Haupt, - und sogen Erquickt den Thau des Himmels ein. Sie glänzten sanft, in traulichem Verein, Verschönert durch der Farben Widerschein, - Als sagten sie: "Nun sind die Götter dir gewogen!" Der Freundschaft liebliches Vergissmeinnicht, Das so bedeutungsvoll zum Herzen spricht, Bescheiden barg es sich im kühlen dunkeln Moose. Die tausendblättrige, vom Dorn beschützte Rose, Das Sinnbild reiner Zärtlichkeit, Sie blühte fort in stiller Sicherheit, - Entrückt dem lauen Westgekose, Sich selber unbewusst, (ein Kind der Flur!) Noch unbekannt mit ihrem seltnen Loose, Und kaum bemerkt, im Schoosse der Natur. So reifte sie, der Tugend einst zum Lohne, Als Preis für Treu und Redlichkeit, Als Kleinod für die Siegerkrone, Dem Würdigsten der Sterblichen geweiht. ----- An einem schwülen Sommertage, Ertönte lauter meine Klage: "In Deinem Tempel fleh' ich hier, Apoll! Du holder Gott der Sonne! Nimm Dein Geschenk zurück! .. Die Wonne, Die es mir schuf, verdank' ich Dir. Es hat mich dulden oft gelehret, In Stürmen meinen Muth bewähret, In Leiden meine Kraft gestählt, - Den müden Geist in harten Proben Zu neuer Thätigkeit erhoben, Mich froh mit Jugendlust beseelt. - Die schöne, feine Welt, um sich an mir zu rächen, Hiess meine Lieder - Schwärmereyn! Und, Deinem Dienste mich zu weihn, Ein unverzeihliches Verbrechen! - - Nicht achtend ihrer Klügeleyn, Liess ich mein Herz allein nur sprechen, Und folgte meinem Genius. Des Glückes Gunst, - früh lernt' ich sie entbehren; (Beglückt durch Selbstgefühl und mässigen Genuss, Vom Mangel fern, und fern vom Ueberfluss.) Ich hörte nur auf Deine Lehren; Der Wahrheit lebt' ich nur, und Dir. Nur Dir, Du holder Gott der Sonne, Dir weiht' ich jede Lebenswonne: - Gieb mir Unsterblichkeit dafür!!" Und gütig-lächelnd hört' Er mein Begehren. "Dein Wunsch ist unbesonnen zwar" (Erwiedert' Er;) "doch will ich ihn gewähren: Willst Du nun auch, auf die Gefahr, So dich bedroht, gefasst zu seyn, mir schwören? Wohlan! Als Priesterinn nehm' ich dich auf; Vollende deiner Prüfung Lauf." Es stampfte neben mir der Dichter Fluggefährte, Stolz auf sein mächtig Flügelpaar, - Als er Apolls Entscheidung hörte, Die ihm so unerwartet war. Er stuzte sehr ob dem Verlangen, Dass er von mir - von mir! Befehle sollt' empfangen; Dass er, der lieber stets nur Männer trug, Durch eines Mädchens Hand gelenkt, im raschen Flug Von einem Alter hin zum andern Nun still-gehorchend sollte wandern! Diess wollt' ihm gar nicht ein. - Die leichte Reiterin Gab sich indess den Schwung erhöhter Fantasie'n; Sah bald mit wonnigem Entzücken Und bald mit bangen Forscherblicken In das Gebiet der fernen Zukunft hin. - Und rascher mit verhängtem Zügel Unaufgehalten über Thal und Hügel Ging's nun den steilen Klippenpfad hinan. In dieser ernsten Prüfungsstunde wallten Zwar tausend trügrische Gestalten Umher auf meiner kühnen Bahn. Hier lockt, als Freundschaft, - die Sirene! Dort schielt der Neid und fletscht die Zähne; Da knirscht die Eifersucht sich müd' und stumpf; Und hier entsteigt dem schilfbewachsnen Sumpf Ein Irrlicht, um uns falsch zu leiten; - - Doch niemahls liess mein Genius mich gleiten. Dies dank' ich ihm mit innigem Gefühl! Er führte, trotz so manchem rauhen Winde, Mich unerschrocken bis an's Ziel, Durch tausend ungangbare Dorngewinde, Zu jener feyrlich ernsten Brücke hin, Wo die Jahrhunderte vorüberziehn. - ----- Ein unverständliches Gemurmel machte, Dass ich aus diesem langen Traum erwachte.
Confirmed with Gedichte von Gabriele Batsányi geb. Baumberg. Gedruckt bey J.V.Degen. Wien, 1805, pages 3-15
Note: An earlier and much shorter version of this poem, with the title Ein Jugendtraum has been published in 1800, see below.
Authorship:
- by Gabriele von Baumberg (1766 - 1839), "Lebenstraum", Wien, J.V.Degen, first published 1805 [author's text checked 1 time against a primary source]
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