Sehnsucht, an W.
Language: German (Deutsch)
Kennst du den Fluß, auf dessen schwarzen Wellen Der goldne Strahl der Sonne niemals fiel? Der Schwermut Nacht vermag er zu erhellen, Er endet schnell der Leidenschaften Spiel. Wer aus ihm schöpft, Heil dem! verlorne Ruhe kehret In seine Brust zurück, wie er den Becher leeret, Es sinkt vor ihm erschlafft in ihrem schnellsten Schwung Die Geissel des Gefühls und der Erinnerung. Ach! es verlangt mein Herz mit Ungestüm Nach ihm, nach ihm! Kennst du den Ort, der öde, still und düster Sein Obdach gern dem Heimatlosen beut? Auf den ihr Laub mit schaurigem Geflüster Im Mondenschein die Tränenweide streut; Wo kein geheimer Gram des Dulders Schlummer störet, Von ew'ger Lieb' und Treu' kein Trugbild ihn betöret. Wo nun - heißliebend einst, und Ach! einst heiß geliebt - Vergessen, fühllos, kalt, das arme Herz zerstiebt, Ach! es verlangt mein Herz mit Ungestüm Nach ihm, nach ihm! Kennst du den Freund, der aus der Erdenwüste Dem Leidenden zur schönen Heimat winkt? Er bringt ihn an des Friedens stille Küste, Wo dankbar in des Retters Arm er sinkt, Der, von der Ruderbank des Lebens losgekettet, Den, der auf Dornen lag, sanft wie auf Rosen bettet, Und stumm, doch Trost im Blick, nach jenem Lande zeigt, Wo keine Träne fließt, wo jede Klage schweigt. Ach! es verlangt mein Herz mit Ungestüm Nach ihm, nach ihm! Kennst du das Land, das mit des Himmels Frieden Verschmähter Lieb' entweihter Freundschaft lohnt? Nur dort heilt Ruh' das Herz des Lebensmüden; Wo ew'ge Lieb' und ew'ge Treue wohnt: Wo kein Verhältnis drückt, wo jede Täuschung schwindet, Und was sich einst geliebt, sich liebend wieder findet, Wo kein Verkannter seufzt, wo kein Verstossner weint, Und was das Leben schied - die Ewigkeit vereint; Ach! es verlangt mein Herz mit Ungestüm Nach ihm, nach ihm!
Authorship:
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Johann Rudolf Zumsteeg (1760 - 1802), "Sehnsucht, an W.", published 1800, from the collection Kleine Balladen und Lieder, Heft I, no. 15. [text verified 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 40
Word count: 296