by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)
Die Reliquie
Language: German (Deutsch)
Ich kenn, o Jüngling, deine Freude, Erwischest du einmal zur Beute Ein Band, ein Stückchen von dem Kleide, Das dein geliebtes Mädchen trug. Ein Schleier, Halstuch, Strumpfband, Ringe Sind wirklich keine kleinen Dinge, Allein mir sind sie nicht genug. Mein zweites Glücke nach dem Leben, Mein Mädchen hat mir was gegeben; Setzt eure Schätze mir darneben, Und ihre Herrlichkeit wird nichts. Wie lach ich all der Trödelware! Sie schenkte mir die schönsten Haare, Den Schmuck des schönen Angesichts. Soll ich dich gleich, Geliebte, missen, Wirst du mir doch nicht ganz entrissen: Zu sehn, zu tändeln und zu küssen Bleibt mir der schönste Teil von dir. Gleich ist des Haars und mein Geschicke: Sonst buhlten wir mit einem Glücke Um sie, jetzt sind wir fern von ihr. Fest waren wir an sie gehangen; Wir streichelten die runden Wangen Und gleiteten oft mit Verlangen Von da herab zur rundern Brust. O Nebenbuhler, frei vom Neide, Reliquie, du schöne Beute, Erinnre mich der alten Lust.
Authorship:
- by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), "Die Reliquie" [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Bernhard Theodor Breitkopf (1749 - 1820), "Die Reliquie", published 1770. [text not verified]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2004-08-11
Line count: 28
Word count: 162