by Annette Elisabeth, Freiin von Droste-Hülshoff (1797 - 1848)
Der Venuswagen
Language: German (Deutsch)
Available translation(s): ENG
Ein Rosenblatt vom Busenstrauß, Fällt vor der Gräfin Schuh, Da lacht sie in die Nacht hinaus "Glück zu! mein Blatt, Glück zu! Das laß dich nicht verdrießen, Du Blume Liebeslust, Du liegst zu meinen Füßen, Du liegst an meiner Brust." Sie spricht so wild, sie lacht voll Hohn, Und doch so matt und weich, Der Gatte schläft wohl lange schon! Das Schloß steht öd und bleich, Der Buhle ist gegangen, Die Wang ist ihr so heiß, Was will sie noch verlangen? Ach! was sie selbst nicht weiß! "In goldnem Käfig fing es sich Das muntre Vögelein, Jetzt stellt man Rosennetz um mich, Ich trete kühn hinein, Den Gatten muß ich hassen, O Buhle! lieb ich dich? Ich mag es nimmer fassen, Es ist so schauerlich." Die Bäume schütteln still das Haupt, Es regt sich das Gesträuch; Ein Blütenschwarm, dem Beet geraubt, Erfüllt die Lüfte gleich; Sich in der Locken Prangen Ein Venuswagen fängt: "Ach! armer Schelm, gefangen! Schau, wie's in Schlingen hängt!" Mit ihren Fingern, goldberingt, Lößt sie das Taubenpaar, Da schwirrt es, wie die Mücke singt, Vernehmlich durch ihr Haar, "Ich könnte dich verrathen" -- -- Mein Gott! wer ist der spricht? -- Da weht es, wie durch Saaten, "Allein ich thu' es nicht." Ihr schaudert, und die Blume sinkt, "Tritt ungestraft hervor!" So ruft sie keck, ihr Auge blinkt, Da zitterts hell empor, "O, Herrin! wende! wende! Die Todesnacht ist heiß! So dunkel ist das Ende Mein Jesu!" ächzt es leis'. Die Gräfin regt den schönen Mund, Doch keine Lache schallt, Sie wandelt um des Gartens Rund, Und durch des Parkes Wald, Sie will das Haupt erheben, -- Die Stirn ist ihr so naß -- Sie steht und will nicht beben, --Allein sie ist so blaß--. Da zieht es, wie ein Feuerstrahl Durch die Gemächer dort, "Was will das Licht in meinem Saal?" Die Dame schreitet fort, Da schlüpfts, mit scheuem Tritte, Durchs blühende Revier, Die Gräfin kennt die Schritte, "Lenore! ich bin hier!" "Mein Gott, wie habt Ihr lang verweilt." Ruft die, vor Angst noch bleich. "Da nahen Tritte, eilt! o eilt! Soeben sucht man Euch." "Was hat man denn zu fragen? Was giebts, zu Nacht, für Noth?" "O Herrin! laßt Euch sagen Der alte Veit ist todt!" Oft lag er still, im Todeskampf, Oft sprach er gar nicht mehr, Dann rief er wie aus innrem Krampf, So tief und hohl und schwer. "Ich muß die Gräfin sprechen, O ruft sie, weckt sie auf! Eh kann mein Herz nicht brechen, Mein Jesu!" ächzt er auf. Man zauderte, man stand und stand, Da griff, in Wahnes Hauch, Des Alten dürre Knochenhand Nach einem Blüthenstrauch, Den jüngst der Sturm gebrochen, Und sprach, in irren Wehn, "Du hast noch nie gesprochen Und kannst mich doch verstehn." Er sah ihn, mit dem tiefen Blick, So lang und schaurig an[,] Er sprach so leis in sich zurück, Dann lag er still und sann, Er drückt ihn an die Wange, "Maria! Königinn! Mein Gott, wie lange! lange!" Sein Leben war dahin. Was wollte doch der alte Mann? "Ihr habt ihm nie vertraut!" Die Gräfin blickt sie eisig an, Die Zofe schweigt, ihr graut. "Ich will den Alten sehen, Lenore! folge mir!" Und durch das Dunkel gehen Die Beyden für und für. Wie eine graue Aloe, Gebrochen von der Zeit, Die starren Blicke in die Höh, Das war der alte Veit. An seinen Wangen fliehen Die Blütentauben hin, Und blaue Wäglein ziehen Auf weißem Grunde hin. Wer hat gestört den Blumenzug? Ein Taubenpaar entführt? Dort, wo die Blüthe, wie im Flug Den todten Mund berührt? Und hätt'st du nicht geschwiegen, Vor sieben Monden, scheu, Du hättest mögen siegen, Nun aber ists vorbey. Die Herrin schaut wohl unverwandt, Doch spricht sie gar kein Wort, Sie nimmt den Zweig aus seiner Hand, Sie schreitet langsam fort. "Ihr Zofen! lößt den Schleyer! Das Haupt ist mir so schwer!" Sie tändelt mit der Leyer, Allein sie singt nicht mehr. Willst du die Herrin sehn? o schau! Sie liegt so schön und bleich, In ihrer weißen Hand den blau Geheimnißvollen Zweig. Die Tauben schweigen stille, Der Gatte kniet und weint, Und durch der Schleyer Hülle Die Morgenröthe scheint.
Confirmed with Annette von Droste-Hülshoff, Historisch-kritische Ausgabe. Werke. Briefwechsel, herausgegeben von Winfried Woesler, Band II, I, Gedichte aus dem Nachlaß bearbeited von Bernd Kortländer, Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1994, pages 5-8
Authorship:
- by Annette Elisabeth, Freiin von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), "Der Venuswagen" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Annette Elisabeth, Freiin von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), "Der Venuswagen" [ voice and piano ] [sung text checked 1 time]
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , "The columbine", copyright © 2017, (re)printed on this website with kind permission
Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]
This text was added to the website: 2004-08-16
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