by Heinrich Heine (1797 - 1856)
Das Stoßen des Wagens weckte mich auf
Language: German (Deutsch)
Das Stoßen des Wagens weckte mich auf, Doch sanken die Augenlieder Bald wieder zu, und ich entschlief Und träumte vom Rothbart wieder. Ging wieder schwatzend mit ihm herum Durch alle die hallenden Sääle; Er frug mich dies, er frug mich das, Verlangte, daß ich erzähle. Er hatte aus der Oberwelt Seit vielen, vielen Jahren, Wohl seit dem siebenjährigen Krieg, Kein Sterbenswort erfahren. Er frug nach Moses Mendelssohn, Nach der Karschin, mit Intresse Frug er nach der Gräfin Dübarry, Des fünfzehnten Ludwigs Maitresse. O Kaiser, rief ich, wie bist du zurück! Der Moses ist längst gestorben, Nebst seiner Rebekka, auch Abraham, Der Sohn, ist gestorben, verdorben. Der Abraham hatte mit Lea erzeugt Ein Bübchen, Felix heißt er, Der brachte es weit im Christenthum, Ist schon Capellenmeister. Die alte Karschin ist gleichfalls todt, Auch die Tochter ist todt, die Klenke; Helmine Chesy, die Enkelin, Ist noch am Leben, ich denke. Die Dübarry lebte lustig und flott, So lange Ludwig regierte, Der fünfzehnte nämlich, sie war schon alt Als man sie guillotinirte. Der König Ludwig der fünfzehnte starb Ganz ruhig in seinem Bette, Der sechzehnte aber ward guillotinirt Mit der Königin Antoinette. Die Königin zeigte großen Muth, Ganz wie es sich gebührte, Die Dübarry aber weinte und schrie Als man sie guillotinirte. - - Der Kaiser blieb plötzlich stille stehn, Und sah mich an mit den stieren Augen und sprach: "Um Gotteswill'n, Was ist das, guillotiniren?" Das Guillotiniren - erklärte ich ihm - Ist eine neue Methode, Womit man die Leute jeglichen Stands Vom Leben bringt zu Tode. Bey dieser Methode bedient man sich Auch einer neuen Maschine, Die hat erfunden Herr Guillotin, Drum nennt man sie Guillotine. Du wirst hier an ein Brett geschnallt; - Das senkt sich; - du wirst geschoben Geschwinde zwischen zwey Pfosten; - es hängt Ein dreyeckig Beil ganz oben; - Man zieht eine Schnur, dann schießt herab Das Beil, ganz lustig und munter; - Bey dieser Gelegenheit fällt dein Kopf In einen Sack hinunter. Der Kaiser fiel mir in die Red: "Schweig still, von deiner Maschine Will ich nichts wissen, Gott bewahr', Daß ich mich ihrer bediene! "Der König und die Königinn! Geschnallt! an einem Brette! Das ist ja gegen allen Respekt Und alle Etiquette! "Und du, wer bist du, daß du es wagst Mich so vertraulich zu dutzen? Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon Die kecken Flügel stutzen! "Es regt mir die innerste Galle auf, Wenn ich dich höre sprechen, Dein Odem schon ist Hochverrath Und Majestätsverbrechen!" Als solchermaßen in Eifer gerieth Der Alte und sonder Schranken Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus Auch mir die geheimsten Gedanken. Herr Rothbart - rief ich laut - du bist Ein altes Fabelwesen, Geh', leg' dich schlafen, wir werden uns Auch ohne dich erlösen. Die Republikaner lachen uns aus, Sehn sie an unserer Spitze So ein Gespenst mit Zepter und Kron'; Sie rissen schlechte Witze. Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr, Die altdeutschen Narren verdarben Mir schon in der Burschenschaft die Lust An den schwarz-roth-goldnen Farben. Das Beste wäre du bliebest zu Haus, Hier in dem alten Kiffhäuser - Bedenk' ich die Sache ganz genau, So brauchen wir gar keinen Kaiser.
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- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Deutschland. Ein Wintermärchen, no. 16 [author's text checked 1 time against a primary source]
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