by Christian Schreiber (1781 - 1857)
Im Kreise des Wissens, ihr Zecher
Language: German (Deutsch)
Im Kreise des Wissens, ihr Zecher, Ergreifen wir muthig die Becher, Vom Purpur der Traube gefüllt; Und lassen die nüchternen Lecher, Vom Schleier des Irrthums verhüllt! Ergreifet, ihr heiligen Zecher, Ergreift sie, die schäumenden Becher, Vom Purpur der blutigen Traube gefüllt. Ein jeder, ihr durstigen Brüder, Hoch heb' er, zum Klange der Lieder Den Becher, sein Nichtich, empor, Empor zu dem Sternengefieder, Zum Schimmer des Mondes empor! Erscheinung ist alles, ihr Brüder -- Drum lockt durch das Hallen der Lieder Das Ich aus dem göttlichen Busen hervor! Und wenn es nun da ist, gesungen, Und wieder ein Nichtich verschlungen, Und wieder ein Nichtich gesetzt; Vom Idealismus durchdrungen, Vom sosischen Bachus geletzt; So wird es mit stammelnden Zungen, Ein fließendes Nichtich, verschlungen, Bis Hain auf den schaurigen Kirchhof uns setzt. Mit Freiheit ergreift die Pokale, Denn ohne die Freiheit ist -- Schaale, Die sinkende Menschennatur; Was nützt die vergängliche Schalle, Was drinnen ist, schaffet ja nur! Die Freiheit, sie setzt Ideale! Wir schaffen uns selbst die Pokale, Wir schaffen uns selbst die Natur! Laßt Thören doch wühlen im Sande Mit ihrem umflorten Verstande, Die Perle, die finden sie nicht; Sie hängen an nichtigen Tande, Weil's ihnen am Wissen gebricht; Wir brechen die fesselnden Bande, Wir suchen die Perl' nicht im Sande, Im Ich, wo des Wissens Principium liegt! Beschränkt ist das Leben auf Erden, Wie Wein in dem Glase, doch werden Wir selber durch uns nur beschränkt; Sie gehn auf empyrischen Fährten, Die Thoren, von andern beschränkt; Wir lassen sie gehen, und werden Beim Becher die Herren der Erden, Von keinem Despoten der Menschheit gekränkt! Der Dichtung des Schönen zum Preise Erkling' in dem heiligen Kreise Von neuem der goldne Pokal! Es lebe der göttliche Weise, Der wissend das Wissen empfahl. Wir bleiben verbunden im Gleise Als Pilger der irdischen Reise, Doch bindet uns Freiheit und eigene Wahl. Laßt immer den Abend vergleiten, In uns nur, ihr Brüder, sind Zeiten -- In uns nur, ihr Brüder, ist Raum. Laßt immer das Leben verscheiden, Das menschliche Leben ist Traum! Einst, wenn wir erwachen, so weiten Die Becher sich aus, und wir schreiten Hinüber, ihr Brüder, zum ewigen Raum!
About the headline (FAQ)
Confirmed with Christian Schreiber, Gedichte, erster Band, Berlin: Heinrich Frölich, 1805, pages 307 - 310.
Authorship:
- by Christian Schreiber (1781 - 1857), "Philosophisches Trinklied", appears in Gedichte, first published 1805 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Christian Schreiber (1781 - 1857), "Philosophisches Zechlied", published 1804 [ voice and piano ], from Sechzehn Lieder von Göthe, Mahlmann, Matthesius, A. W. Schlegel, C. Schreiber u. a. mit Begleitung des Pianoforte von C. Schreiber, no. 4, Leipzig: Bei Breitkopf und Härtel [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Melanie Trumbull
This text was added to the website: 2020-11-11
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