by Christian Heinrich Boie (1744 - 1806)
Mutter und Tochter
Language: German (Deutsch)
Am warmen Juniusabend, Wie duftig weht es, wie labend, Von Bohnenblüten und Heu! Wo durch Kastaniendunkel Erzittert rothes Gefunkel, Hier lacht die Jugend, und schäkert frei. Vor allen aber ist Hedchen Ein ausgelassenes Mädchen, Und sitzt auf jeglichem Knie. Still kömmt die Mutter gegangen; "Mein Kind, wie glüh'n dir die Wangen! Dich warnt Erfahrung und Alter: flieh' ! "Hast du geseh'n, wie die Taube Mit grünlich goldener Haube Dem Täuber bietet den Mund? Sie gurrt und picket und schnäbelt, Von Brautenzücken umnebelt; Was folgt, mein Töchterlein, ist dir kund." "O Mutter," lächelte Hedchen, "Warum so mürrisch? Ein Mädchen Muß doch nicht wunderlich sein. Man will ja gerne gefallen; Und besser scherzt man mit allen, Als Einem freundlichen Mann allein." "Behüte, Mächen, behüte! Willfährst du allen mit Güte, So fängst du nimmer ein Herz. Nimm Einen Mann für das Leben; Ein Schäferstündchen daneben Vergönnt mit Anderen wohl den Scherz." "Bereit nur, Mütterchen, halte Den Brautkranz! Otto der alte Hat Geld und eigenen Heerd. Ich meint', ihr nähmet fürs Leben Den Ehmann euch, und daneben Sei nie ein Stündchen dem Scherz gewährt."
Confirmed with Musen Almanach, ed. by Joh. Heinr. Voß, Hamburg: G. E. Bohn, 1794, pages 67 - 69, as "B.".
Authorship:
- by Christian Heinrich Boie (1744 - 1806), "Mutter und Tochter", first published 1794 [author's text checked 2 times against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Johann Abraham Peter Schulz (1747 - 1800), "Mutter und Tochter", published 1794, Hamburg: C. E. Bohn [sung text not yet checked]
Research team for this page: Bertram Kottmann , Melanie Trumbull
This text was added to the website: 2020-10-12
Line count: 36
Word count: 180