by Friedrich Rückert (1788 - 1866)
Stand ich auf der Lauer
Language: German (Deutsch)
Stand ich auf der Lauer, Kam, statt Hirsch und Reh, Mir nichts vor als Trauer, Mir nichts vor als Weh. Solch Wild aufzuspüren, Brauch' ich nicht den Wald; Heim in meinen Thüren Hab' ichs tausendfalt. Einem, der einst auf der Jagd Stellte Vogelreiser, Hat man Kron' und Zepter gebracht, Und er ward ein Kaiser. Einer, der den Wald durchstrich, Um die Thierlein zu morden, Hat zu Sanftmuth bekehret sich, Ist ein Heiliger worden. Ein Kaiser wollt' ich sein an Lust, Und ein Heil'ger an Sinne, Wenn du mich nähmst an deine Brust, O Mägdlein, das ich minne. Es ist nicht alles für den Menschen gemacht, Obschon ers mag denken, der stolze. Drum singt die Nachtigall in der Nacht, Und die Blümlein blühn im Holze; Da blühn und singen sie ungestört, Wo der Mensch sie nicht sieht, noch hort. So sprach der Haas, da er Lief vor dem Jägerlein her: Gib mir deine Flinte doch, So versuch' ichs mit dir wol noch. Keinen Vogel trifft mein Erz, Daß ich nicht spreche: Also bricht auch mir mein Herz, Wie ich dein's breche; Darum tödt' ich die Vögelein, Um dran zu haben mein' eigne Pein. Jäger gut! Bewahr dein Rohr vor Übermuth. Schieße nach keinem Heilgenbild, Obgleich aus ihm kein Blut nicht quillt. Ziele nach keinem Himmelsstern, Obgleich er stehet dem Schuß zu fern. Wenn auch dein Rohr nicht sündigen kann, Sündhaft ist der Gedanke dran. Weil der schwarze Rab so klug Merkt des klügsten Jägers Trug; Spricht der Jäger, den er neckt. Daß in ihm ein Teufel steckt. Könnte wol auch ein Engel seyn; Wenn nur ein Engel so schwarz könnte seyn. Wenn nicht scheu vorm Vogelsteller Ist der Vöglein Schaar, Ists ein Zeichen, daß noch keiner Über ihnen war. Wenn nicht scheu vorm Vogelsteller Ist der Mägdlein Schaar, Ists ein Zeichen, daß schon einer Über ihnen war. Wenn ich mir einst eine Hütte will bauen, Will ich nach einem Stamm umschauen, Wo in der Mitte Bienen wohnen. Am Fuß Ameisen und Tauben auf den Kronen; Damit, wenn ich draus die Hütte gebauet, Von Honigseim sie sei durchthauet, Von Ämsigkeit sie sei verschönet, Und von Eintracht still bekrönet. Der Forstherr kommt, und sät den Schlag, Läßt ihn dann wachsen manchen Tag, Bis es genug; dann kommt er wieder, Schlägt einen Theil des Schlages nieder, Und läßt den andern stehn zu Stangen, Die dann, wenn jene liegen, prangen. Ihr mögt nur euer Glück erkennen, Daß ihr dürft blühn, wenn jene brennen; Sie hätten eben so gekönnt, Wenn ihnen es der Herr gegönnt. Beugt dankbar ihm, vor dessen Blicke Ihr Gnade fandet, eur Genicke.
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Authorship:
- by Friedrich Rückert (1788 - 1866), "Aus der Jagdtasche eines mismuthigen Schützen", appears in Lyrische Gedichte, in 4. Haus und Jahr, in 2. Zweite Reihe. Fest- und Trauerklänge [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Hermann Theodor Otto Grädener (1844 - 1929), "Aus der Jagdtasche eines missmuthigen Schützen", op. 8 (Vier Lieder für Tenor (oder Sopran) mit Pianoforte) no. 4, published 1876 [ tenor or soprano and piano ], Wien, Gotthard [sung text not yet checked]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2012-02-28
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