by Friedrich Wilhelm Weber (1813 - 1894)
Achtsam kann das Reh sich hüten
Language: German (Deutsch)
Achtsam kann das Reh sich hüten Vor des Bären plumper Tatze; Schwerlich, bückt es sich zum Brunnen, Vor dem Sprung der falschen Katze. -- Elmar, zieh den Gurt dir fester, Wenn du gehst zum wilden Walde: Schwarze Elben, schwärzre Menschen Lauern an der Bergeshalde. -- Wilder Wald! Die müde Sonne Ruht' an nackten Felsenwänden, Um den letzten blauen Glocken Ihre letzte Gunst zu spenden. Scharfes Schwirren durch die Wipfel In dem herbstlich harten Laube Und vom Buchenhang der kurze Flügelschlag der Ringeltaube; Dann am Ast des Spechtes Hacken, Fern der schrille Schrei der Dohlen; Dann ein langes schweres Seufzen Wie des Berges Atemholen; Dann um Enzian und Quendel Wilder Bienen leises Summen; Dann ein Habichtskreisch, und wieder Tiefes Schweigen und Verstummen. -- Elmar, zieh den Gurt dir fester! Langsam schritt er durch die Gründe, Menschenferne, wo geborgen Sich begegnen Hirsch und Hinde. Ging er auf der Spur des Wildes, Um zur Lust ein Tier zu töten? O, er wollt' an heil'ger Stätte Sich entsündigen und beten. -- Grüne Lichtung! In der Mitte Stand die graue Donnereiche, Riesenhaft vor all den Riesen Auf und ab im Gaubereiche. Hehr und breit wie Tempelhallen Wölbte sich das Astgeschlinge, Altgeweiht, von Frevlerhänden Nie verletzt mit Beil und Klinge. Denn nach Sag' und Väterglauben War sie eines Gottes Eigen, Der da rauscht' im dunkeln Wipfel, Der da weht' in Stamm und Zweigen. Elmar nahte sonder Waffen, Hanfne Schnur an beiden Händen; Selbstlos, arm, freiwillig unfrei Soll der Mensch sich aufwärts wenden. Also mit gebeugtem Haupte Stand er in des Gottes Frieden: »Zürnst du, daß ich bei den Fremden Deinen Dienst so lang gemieden? O, ich hör' es, wie dein Unmut Schilt und schauert durch die Blätter: Wenn mich Erdgeborne hassen, Seid mir hold, ihr guten Götter! Lief ein Knab' in Busch und Ranken, Fortgelockt vom Vogelsange, Kommt er heim mit wunden Füßen, Zankt die Mutter, doch nicht lange. Komm' ich heim mit wundem Herzen, Zürnen magst du, doch nicht grollen; Wie ein heilig Wasser läutert Tränenflut den Reuevollen. 17. Du, der Eine, den ich suche, Du, der Ew'ge, der nicht altet, Der in Huld der Sonne droben Und der Menschenlose waltet; Du, der dort im Wipfel säuselt, Der in ahnungsvoller Nähe Rätsel wispert, die ich höre, Deren Sinn ich nicht verstehe: Bist du Wodan, bist du Donar? Namen sind es leeren Schalles: Du bist du, der Unerkannte, Unbegriffne, Eins und Alles! Hier, wo auf geweihtem Grunde Du nur und der Wald mich hören, Bring' ich dar ein reines Opfer: All mein Sehnen und Begehren! All mein armes Glück, des Herzens Wünsche, die von dir mich schieden, Dürft' ich auf Erfüllung hoffen, Geb' ich hin: gib du mir Frieden! Gott, mein Gott, ich will entsagen!« -- Horch, da knickt' es in den Büschen, Scharfes Klirren, Sehnenschwirren Und Gezisch wie Schlangenzischen. Elmar wankte; nah dem Herzen Steckt' ein Pfeil; die Viperzunge Riß er aus, und in die Birken Stürmt' er wie der Wolf im Sprunge. Schnelle Flucht und rasche Folge: Jetzt! -- er hielt ihn am Genicke: »Königsbote, Meuchelmörder, Du? -- Das heiß' ich Frankentücke! Als zu offnem Kampf dich luden Rab und ich auf Schwert und Lanze, Drücktest du dich, feiger Prahler, Hinter deiner Sendung Schanze, Uns zum Heil: dein Blut, des Schurken, Lautre Waffen mußt' es schänden: Geh, es mag ein Knecht dich würgen! Geh, du magst am Zaun verenden! Zittre nicht, schier möcht' ich lachen; Werde kühner; sieh, ich bleibe Scheu wie einem Pestbefallnen, Armer Mann, dir weit vom Leibe! War kein Schalk so schlecht und käuflich, Dunkelwerk für dich zu üben, Daß du selbst mit ew'ger Schande Deinen Wappenschild beschrieben? Bist du stumm?« -- Mit irren Augen Stand der Wicht, verstört und bange; Seiner Hand entglitt der Bogen, Alles Blut der hohlen Wange. Stotternd rief er: »Falk, ich könnte Dich auf Haut und Haar verklagen, Dich auf Hals und Hand, du Stolzer!« Elmar sprach: »Ich will es tragen!« -- »Kränkst du mich, den Königsboten, Königsbann wird dich vernichten; Unser ist die Macht im Lande!« Elmar sprach: »Die Götter richten! Heb dich fort!« Der Frank entschlüpfte Durchs Gebüsch mit heiserm Fluche, Und der Schrei der wilden Katze Kreischte von der nächsten Buche.
M. Görres sets stanzas 17-22
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Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Weber (1813 - 1894), "Auf des Waldes Pfaden", appears in Dreizehnlinden, no. 9 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Maria Görres (1823 - 1882), "Elmar's Gebet bei der grauen Donareiche", published 1882, stanzas 17-22 [ voice and piano ], from Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte aus dem Epos Dreizehnlinden von F.W. Weber. II. Sammlung , no. 16, Paderborn, Schoeningh [sung text not yet checked]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2013-06-29
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