by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Der Hirtenknabe
Language: German (Deutsch)
Hoch vom Felsengipfel, steil und unzugänglich, tönen Engelsklänge hold herbei, und der Hirte hört es mäuschenstill und bänglich, dünkt ihm's doch wie Himmelsmelodei. Und es zieht in aufwärts. Dort im Mondenschimmer sieht er Burgfräulein am Klippenhang. Und er wird nicht müde, will nur immer, immer lauschen diesem zauberhaften Sang. „Sing mit uns, du guter Hirtenknabe, singe!“ „Ach, ihr Schönen, ach, wie könnt' ich hie? Wenn ich bei den Menschen jauchze, guter Dinge, meiner rauhen Stimme spotten sie.“ „Singe nur, o singe! Sieh, zur Gabe geben wir Gesang den Guten. Du bist gut, milde deinen Herden, und dein frommes Streben neiget dir der Geister hohen Mut!“ Und der Hirt versucht es, scheu zuerst und leise, und o Wunder, lieblich stimmt er in den Chor der Maide zur verschlug'nen Weise in den allerschönsten Liederreih'n. Doch der Morgen naht. „Auf, Geselle! Gehe fort von hier, sonst schaffst du selbst dir Not, und verrat' es keinem, wer dich lehrte; wehe, wenn du's tust, es ist dein sich'rer Tod.“ Horch! Der einst so Stumme singt am andern Tage von der Frühe bis zum Abend fort. Wieder tönt's vom Felsen, wieder hallt's von Hage; alle wundern sich - er spricht kein Wort. Nur der Liebsten muss es sein Gesang verkünden; fort ist da der köstliche Gewinn. Voll Verzweiflung klimmt er auf zu jenen Schründen und, den Geistern fluchend, stürzt er hin.
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Mathilde von Kralik (1857 - 1944), "Der Hirtenknabe", published 1895 [ voice and piano ], from Vier Melodramen, no. 2, Wien : Albert J. Gutmann [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
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