by Christoph August Tiedge (1752 - 1841)
Ich war dem Tropfen Gegenwart entronnen
Language: German (Deutsch)
Ich war dem Tropfen Gegenwart entronnen, Und offen lag vor meinem Geiste nun Der Lebensozean, an dessen Ufer Sonnen, Wie ausgeworfne Kiesel, ruhn. Die Milchbahn streckte weit, durch unermeßne Fluren, Die tausend Arme wundervoll hinaus. Dort drückte seine hellen Spuren Verweilender das Wandeln Gottes aus Da blitzten, wie von Götteridealen, Unsterbliche Gedankenstrahlen In meinem tiefsten Leben auf. Verklärter schwebten Monde hin und Erden; Aus Schattenhallen gingen sie herauf; Zu Morgensternen sah ich Abendsterne werden; Die Schatten blühten selbst zu Lichtgestalten auf. Gestirne zogen dort in weit entfernten Gleisen; Sie drangen bleich herauf mit ihren Nebelau'n, Wie Geister, die aus öden Lebenskreisen Nach einer hellern Sonne schau'n. Sanft dämmerte das Licht der Dioskuren, Halb überschattet, halb erhellt, Gleich den, im Menschen tief verschlungenen, Naturen Der Lichtwelt und der Schattenwelt. Ich sah den Strahlenkranz im Haar der Jungfrau schweben; Sie trat hervor, die reiche Himmelsbraut, Mit glänzendem Gefolg umgeben. Die Lyra tönte sanft, wie Äolsharfenlaut; Die Ätherstille ging in Harmonien über. Es wehten Lieder von der Flur Des festlichen Arkturs herüber; Und rötlich blinkte der Arktur, Als wär' er überblüht mit lauter Rosenkronen. Hier ist es, wo, im Schoß der lieblichsten Natur, Die Sympathien der schönen Seelen wohnen.
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- by Christoph August Tiedge (1752 - 1841), no title, appears in Urania, in Zweiter Gesang (Gott) [author's text checked 1 time against a primary source]
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- by Friedrich Heinrich Himmel (1765 - 1814), "Ich war dem Tropfen Gegenwart entronnen", 1814, published 1880, from Gesänge aus Tiedge's Urania, no. 6.
Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]
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