by Karl Egon Ebert (1801 - 1882)
Frau Hitt
Language: German (Deutsch)
Wo schroff die Straße und schwindlig jäh herniederleitet zum Inn, dort saß auf der mächtigen Bergeshöh am Weg eine Bettlerin. Ein nacktes Kindlein lag ihr im Arm und schlummert in süßer Ruh, die zärtliche Mutter hüllt es warm und wiegt es und seufzte dazu: "Du freundlicher Knabe, du liebliches Kind, dich zieh ich gewiß nicht groß, bist ja der Sonne, dem Schnee und dem Wind und allem Elende bloß. Zur Speise hast du ein hartes Brot, das ein anderer nimmer mag, und wenn dir jemand ein Äpflein bot, so war es dein bester Tag. Und blickt doch, du Armer, dein Auge hold, wie des Junkers Auge so klar, und ist doch dein Haar so reines Gold, wie des reichsten Knaben Haar." So klagte sie bitter und weinte sehr, als Lärmen ans Ohr ihr schlug, mit Jauchzen trabte die Straße einher ein glänzender Reiterzug. Voran auf falbem, schnaubendem Ross die herrlichste aller Frau'n, im Mantel, der strahlend vom Nacken ihr floss, wie ein schimmernder Stern zu schau'n. Die strahlende Herrin war Frau Hitt, die Reichste im ganzen Land, doch auch die Ärmste an Tugend und Sitt', die rings im Lande man fand. Ihr Goldroß hielt die Stolze an und hob sich mit leuchtendem Blick und spähte hinunter und spähte hinan und wandte sich dann zurück. "Blickt rechts, blickt links hin in die Fern', blickt vor- und rückwärts herum, so weit ihr überall schaut, ihr Herrn, ist all' mein Eigentum. Viel tapf're Vasallen gehorchen mir, beim ersten Winke bereit, fürwahr, ich bin eine Fürstin hier, und fehlt nur das Purpurkleid." Die Bettlerin hört's und rafft sich auf und steht vor der Schimmernden schon und hält den weinenden Knaben hinauf und fleht in kläglichem Ton: "O seht dies Kind, des Jammers Bild! erbarmet, erbarmt Euch sein und hüllet das zitternde Würmlein mild in ein Stückchen Linnen ein!" "Weib, bist du rasend?" zürnt die Frau, "Wo nähm' ich Linnen her? Nur Seid' ist alles, was an mir ich schau', von funkelndem Golde schwer." "Gott hüte, daß ich begehren sollt', was fremde mein Mund nur nennt, o, so gebt mir, gebet, was Ihr wollt und was Ihr entbehren könnt!" Da ziehet Frau Hitt ein hämisch Gesicht und neigt sich zur Seite hin und bricht einen Stein aus der Felsenschicht und reicht ihn der Bettlerin. Da ergreift die Verachtete wütender Schmerz, sie schreit, daß die Felswand dröhnt: "O würdest du selber zu harten Erz, die den Jammer des Armen höhnt." Sie schreit's, und der Tag verkehrt sich in Nacht, und heulende Stürme zieh'n, und brüllender Donner rollt und kracht, und zischende Blitze glüh'n. Den stutzenden Falben spornt Frau Hitt - "Ei, Wilder, was bist du so faul?" Sie treibt ihn durch Hiebe und Stöße zum Ritt, doch fühllos steht der Gaul. Und plötzlich fühlt sie sich selbst so erschlafft und gebrochen den kecken Mut; in jeglicher Sehne stirbt die Kraft, in den Adern stockt das Blut. Herunter will sie sich schwingen vom Ross, doch versagen ihr Fuß und Hand, entsetzt will sie rufen den Rittertross, doch die Zunge ist festgebannt. Ihr Antlitz wird so finster und bleich, ihr herrisches Aug' erstarrt: ihr Leib, so glatt und zart und weich, wird rauh und grau und hart. Und unter ihr strecken sich Felsen hervor und heben vom Boden sie auf und wachsen und steigen riesig empor in die schaurige Nacht hinauf. Und droben sitzt, ein Bild von Stein, Frau Hitt im Donnergeroll und schaut, umzuckt von der Blitze Schein, ins Land so grauenvoll.
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Text Authorship:
- by Karl Egon Ebert (1801 - 1882) [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by August Wilhelm Ambros (1816 - 1876), "Frau Hitt", op. 23 [ voice and piano ] [sung text checked 1 time]
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