by Paul Steinmüller (1870 - 1940)
Herr Erich sitzt im Turm an der Schlei
Language: German (Deutsch)
Herr Erich sitzt im Turm an der Schlei und grübelt, was doch das Leben sei, denn in der Frühe vor Tau und Tag fährt durch den Hals ihm des Henkers Schlag. Ein Rosenstrauch klimmt um das Turmgestein. Wie leuchten die Rosen im Mondenschein! Wie lärmen am Ried die Grillen so froh! - Herr Erich erhebt sich vom knisternden Stroh. Er lehnt am Fenster; da draußen erwacht das heimliche Treiben der Sommernacht, der Duft der Wiesen, die Frösche im Sumpf. „Laß fahren! Mir fällt das Haupt vom Rumpf. Ich wollte, daß wo ein Vöglein wär, das ich schickte zu Heilke Torben ans Meer und sagte, daß morgen ich sterben müßt, und hätt sie so gern noch einmal geküßt." Und während er denkt an den Minnedank, da tappt es herauf den Treppengang, die Riegel rasseln, das Schlüsselbund klirrt, und es kommt ein Priester zag und verwirrt. Dann schließt sich die Pforte, sie sind allein. Wie leuchten die Rosen im Mondenschein ! „Und wollt Ihr mich lösen von aller Schuld, mein Herz steht offen des Himmels Huld, doch ein Frauenbild ist darein geprägt, das soll nicht erlöschen, solang es schlägt, und neben María, der Jungfrau rein, muß das liebste Mädchen darinnen sein." Der Priester steht lange und schweigt, fast scheint es Erich, als ob er leise weint. „Ich kann Euch nicht lösen von aller Schuld, ich kann Euch nicht bringen des Himmels Huld." Und langsam hebt er empor die Hand, da fällt zur Erde das fromme Gewand, da glänzt ein seliges Augenpaar, um die Schulter rollt das glänzende Haar. Herr Erich, als sei er sinnberaubt, mit beiden Händen ergreift er sein Haupt: „Ist's Heilke Torben?" Er schaut und schaut -- -- dann bricht aus der Brust ihm ein Jubellaut. Da draußen ward's still. Der Mond verschwand allmählich hinter der Wolkenwand. Still Vogel und Frosch in Rohr und Sumpf, doch das Leben feierte einen Triumph. Den Kerker durchströmte der Rosenduft, und ein Wetterzucken ging durch die Luft, und ein dumpfes Grollen scholl drüben am Ried, als fiedle der Tod dort ein lustig Lied. -- Wißt ihr's nun, warum Herr Erich sang, als sein Haupt in den grünen Rasen sprang?
About the headline (FAQ)
Confirmed with Paul Steinmüller, Die Lieder des Kommenden, Greiner & Pfeiffer, 1921.
Authorship:
- by Paul Steinmüller (1870 - 1940), "Das Lied vom Triumph des Lebens", appears in Die Lieder des Kommenden, first published 1921 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Hugo Wilhelm Ludwig Kaun (1863 - 1932), "Der Triumph des Lebens", op. 83 (Drei Balladen) no. 2 [ voice and piano ], Magdeburg, Heinrichshofen's Verlag [sung text not yet checked]
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