by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898)
Alte Schrift
Language: German (Deutsch)
Jüngst verlockt, es mich im Abendglimmen Zum Lombardenturm emporzuklimmen, Dem verschollnen Herrscher hier im Gaue, Der die Ferne noch beherrscht, die blaue. In den Mauern bin ich lang geblieben: Alte Namen standen rings geschrieben Hoch im Raume, wo die Luken schimmern, Doch die Wendeltreppe lag in Trümmern. Die den Blick ins Weite dort gerichtet, Ihre Wanderstäbe sind vernichtet, Ihre leichten Mäntel sind verstoben, Ihre Sprüche blieben aufgehoben. Einer dichtet anno fünfzehnhundert: "Gott hab ich in der Natur bewundert!" "Gaudeamus!" gräbt ein flotter Zecher Um den keck entworfnen Riesenbecher. Dort ein Herz von einem Pfeil durchschnitten: "Hedewig" steht auf des Bolzes Mitten; Dicht daneben schrieb ein Fahrtgenosse Gut lateinisch eine derbe Posse - Dann in des Kastelles tiefem Schatten Warfen sich die Schüler auf die Matten Leerten einen Humpen und von dannen Pilgerten sie singend durch die Tannen.
Authorship:
- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Alte Schrift" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Julius Weismann (1879 - 1950), "Alte Schrift", op. 18a (Vier Balladen für Bariton) no. 4 (1903/6) [ baritone and piano ] [sung text not yet checked]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2007-07-26
Line count: 24
Word count: 137