by Friedrich Wilhelm Weber (1813 - 1894)
Lieblich sind die Juninächte
Language: German (Deutsch)
Lieblich sind die Juninächte, Wenn des Abendrots Verglimmen Und des Morgens frühe Lichter Dämmernd ineinanderschwimmen; Wenn der Lenz in roten Rosen Rasch verblutet und die kleinen Nachtigallen um den Toten Ihre letzten Lieder weinen; Wenn im Kelch der Lindenblüte Unterm Blätterbaldachine Schläft, gewiegt von lauen Lüften, Die verirrte müde Biene. Träumerisch im Nest der Schwalbe Zirpt die Brut und zwitschert leise Von dem großen blauen Himmel Und der großen Südlandsreise. Und im Weizen schlägt die Wachtel, Jedem Pflüger liebe Laute, Liebe Laute all den Körnern, Die er fromm der Flur vertraute. Durch die frisch entsproßnen Ähren Haucht ein Säuseln und ein Singen, Als ob holde Himmelsgeister Segnend durch die Saaten gingen. -- Rings der Wälder tiefes Schweigen! Aus des Tales Nebelhülle Hob die Iburg ihren Scheitel In die sternenklare Stille: Alter Hain, aus dessen Wipfeln Sonst die Irminsäule ragte, Die zum Schmerz und Schreck der Sachsen König Karl zu brennen wagte; Götterstätte, jetzt umwuchert Von Gestrüpp und wilden Ranken Und als Wohnort dunkler Mächte Scheu gemieden von den Franken. -- Lieblich war die Nacht, die kurze, Vor dem Tag der Sonnenwende; Auf der Iburg stumpfem Kegel Flackerten die Opferbrände; Auf der Iburg stumpfem Kegel Hatten sich zum Balderfeste Fromm geschart die Heidenleute, Gaugenossen, fremde Gäste. Unter Eichen auf dem Rasen Stand der Opferstein, der graue, Neben ihm mit blut'gem Messer Eine riesenhafte Fraue: Swanahild, die greise Drude, Ihres Priesteramts zu walten, Erzgegürtet; weißes Linnen Floß um sie in reichen Falten. Werinhard, der freie Bauer, Nahm den Stahl aus ihren Händen; Fulko, Schmied von Bodinkthorpe, Wühlte schürend in den Bränden. Und im breiten Kupferkessel Auf des Herdes glühen Kohlen Brodelte mit Lauch und Mistel Das geweihte Opferfohlen: Freies Tier des freien Waldes, Das den Hals vor Pflug und Wagen Nie gebeugt und dessen Rücken Einen Reiter nie getragen. Elmar, Herr vom Habichtshofe, Blickte träumend in die Gluten; Sah er, wie das Opferfüllen, Auch das Sachsenroß verbluten? -- Ehrfurchtsvoll und stumm im Kreise Stand die Menge, nur ein Flüstern, Nur ein Schauern in den Bäumen Und der Flamme Sprühn und Knistern. Godo kam, der Opferdiener, Bester Fischer an der Nethe, Zubenannt der krause Otter, Weil sein Haar sich lockig drehte. »Alles sicher«, sprach er leise, »Ausgestellt sind rings die Wächter; Stören wird die fromme Feier Kein Verräter, kein Verächter.« Dreimal dann mit nackten Füßen Schritt die Priesterfrau, die hohe, Um den Herd, und Segen sprechend Warf sie Körner in die Lohe. Und mit Donars Hammerzeichen Spendend Kraft und Heil dem Sude, Das Gesicht zum Nord gewendet, Traurig ernst begann die Drude: »Naht in Ehrfurcht, naht in Andacht, Und was unhold, bleibe ferne; Unsre Zeugen sind die Götter, Stummer Wald und stille Sterne. Fern sei jeder Ungezwagte; Wollt ihr opfern, wollt ihr beten, Reiner Hand und reinen Herzens Sollt ihr vor die Ew'gen treten. -- Balders Sterbetag zu feiern, Sind wir an den Stein gekommen, Ihm, dem Frömmsten, nachzutrauern, Wohl geziemt es allen Frommen. Seit ihn schlug sein blinder Bruder, Ist des Tages Glanz verblichen, Götterfriede, Menschenfriede Aus der dunklen Weit gewichen. Ahnt ihr, was der große Vater Seinem vielbeweinten Toten, Seinem Sohn, ins Ohr geflüstert, Als die Scheiter ihn umlohten? O es waren hohe Worte, Hoffnungsreiche holde Laute, Lichte Auferstehungsworte, Die er tröstend ihm vertraute: Seiner Wiederkehr Geheimnis Aus dem Reich der Nimmersatten, Wo in nebeldüstern Schluchten Traurig gehn die bleichen Schatten. Wann? Der Wala selbst verborgen Blieb der große Tag der Sühne; Zeit und Stunde kennt nur einer, Er, der alte Himmelshüne. Er nur weiß es, wann im Kampfe Untergehn die hohen Götter, Wann im Sturm vom Zeitenbaume Wehn die herbstlich gelben Blätter; Wann auf feuerfarbnen Rossen Muspels Söhne nordwärts rennen, Um mit ungeheurer Lohe Erd' und Himmel zu verbrennen; Um uralte Schuld zu rächen, Daß im Frühlingsmorgenhauche Jung und grün aus Wasserwogen Eine neue Erde tauche, Rings bewohnt von stillen Menschen, Die mit Morgentau sich nähren: Dann, so spricht die weise Wala, Dann wird Balder wiederkehren; Und der Niemalsausgesprochne, Er, der Älteste der Alten, Wird für immer aller Dinge, Aller Menschen liebend walten. -- Kam die Zeit, und ist der Weiße, Den die Christen laut bekennen, Den Allvaters Eingebornen Und das Friedenskind sie nennen, Ist er Balder? -- O er brachte Kampf und Krieg der Männererde! Ist er Balder? -- O er machte Friedlos uns am eignen Herde! Was wir sehn, ist Haß und Hader! Vor den Fremden, unsern Schergen, Muß sich selbst Gebet und Opfer Scheu in tiefer Nacht verbergen. Dennoch, mag die sonnenlose Dunkle Zeit sich dunkler trüben, Treu der Lehre, treu der Sitte Laßt den Vaterbrauch uns üben. Ihr mit Kranz und Binsenkörben, Tretet in den Ring, ihr Kleinen; Singt den Reim, wiewohl ihr heute Klüger tätet, still zu weinen. Dennoch singt; den jungen Nacken Schmerzt noch nicht das Joch der Franken; Singt, und mag es traurig lauten Wie das Singen eines Kranken.« -- Und die Knaben und die Mädchen Huben an mit leiser Stimme: »Schirm uns, Balder, weißer Balder, Vor des Christengottes Grimme! Komm zurück, du säumst so lange; Sieh, wie Erd' und Himmel klagen! Komm zurück mit deinem Frieden Auf dem goldnen Sonnenwagen. Weißer Balder, weiße Blumen, Wie an Bach und Rain sie sprießen, Weiß wie deine lichten Brauen, Legen wir dir gern zu Füßen. Sieh, wir geben, was wir haben: Arm sind unsre Fruchtgefilde; Laß Geringes dir genügen, Weißer Balder, Gott der Milde; Gott der Liebe, weißer Balder, Neige hold dich unsern Grüßen. Blumen, rein wie unsre Herzen, Legen wir dir gern zu Füßen.« Und den Opferstein umwandelnd Warfen sie die heil'gen Kräuter, Lichte Glocken, lichte Flocken, Lichte Sterne auf die Scheiter. Dann mit leisen Wispelworten Nahm die Priesterin die Schale: »Trinkt des weißen Gottes Minne, Eh ihr hebt die Hand zum Mahle!« Durch die Runde ging ein Raunen Und gedämpftes Becherklirren, Wie in herbstlich dürrem Rohre Abendlüfte heimlich schwirren. Und der krause Opferdiener, Aus des Kessels weitem Bauche Gab er jedem von dem Fleische, Von der Mistel, von dem Lauche. -- O es war kein Mahl der Freude! -- Stets des Überfalls gewärtig Saß die Schar der Ungetauften, Stets zum Fliehn, zum Trotzen fertig, Wölfen gleich, die tief im Walde Hastig einen Raub verzehren Und in jedem Blätterrauschen Hund und Jäger kommen hören. -- Sprach die Drude: »Dankt den Göttern, Löscht die Glut und nehmt die Brände: Dunkles brütet zwischen heute Und der nächsten Sonnenwende; Denn nicht alle kommen wieder, Und nicht jedem ist zu trauen. Fort! Die Sterne schimmern blasser, Und der Tag beginnt zu grauen.« -- In die Gründe glitt die Menge, Wie verstoßen, wie versunken; Frische Morgenwinde spielten Mit der Asche, mit den Funken. Von der Sonne ersten Strahlen Glühten rot die fernen Gipfel, Und der Schrei der wilden Katze Klang im höchsten Eichenwipfel.
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Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Weber (1813 - 1894), "Am Opfersteine", appears in Dreizehnlinden, no. 5 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Maria Görres (1823 - 1882), "Lieblich sind die Juninächte", published 1884 [ vocal duet with piano ], from Drei Duette für 2 Singstimme mit Pianofortebegleitung, no. 2, from Lieder aus dem Epos "Dreizehnlinden" von F.W. Weber. III. Sammlung, no. 22, Paderborn, Schoeningh [sung text not yet checked]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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