ΔΑΙΜΩΝ, Dämon Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, Die Sonne stand zum Gruße der Planeten, Bist alsobald und fort und fort gediehen Nach dem Gesetz, wonach du angetreten. So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen, So sagten schon Sibyllen, so Propheten; Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt Geprägte Form, die lebend sich entwickelt. ΤΥΧΗ, das Zufällige Die strenge Grenze doch umgeht gefällig Ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt; Nicht einsam bleibst du, bildest dich gesellig, Und handelst wohl so, wie ein andrer handelt: Im Leben ists bald hin-, bald widerfällig, Es ist ein Tand und wird so durchgetandelt. Schon hat sich still der Jahre Kreis geründet, Die Lampe harrt der Flamme, die entzündet. ΕΡΩΣ, Liebe Die bleibt nicht aus! – Er stürzt vom Himmel nieder, Wohin er sich aus alter Öde schwang, Er schwebt heran auf luftigem Gefieder Um Stirn und Brust den Frühlingstag entlang, Scheint jetzt zu fliehn, vom Fliehen kehrt er wieder: Da wird ein Wohl im Weh, so süß und bang. Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen, Doch widmet sich das edelste dem Einen. ΑΝΑΓΚΗ, Nötigung Da ists denn wieder, wie die Sterne wollten: Bedingung und Gesetz; und aller Wille Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten, Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille; Das Liebste wird vom Herzen weggescholten, Dem harten Muß bequemt sich Will und Grille. So sind wir scheinfrei denn, nach manchen Jahren Nur enger dran, als wir am Anfang waren. ΕΛΠΙΣ, Hoffnung Doch solcher Grenze, solcher ehrnen Mauer Höchst widerwärtge Pforte wird entriegelt, Sie stehe nur mit alter Felsendauer! Ein Wesen regt sich leicht und ungezügelt: Aus Wolkendecke, Nebel, Regenschauer Erhebt sie uns, mit ihr, durch sie beflügelt, Ihr kennt sie wohl, sie schwärmt durch alle Zonen – Ein Flügelschlag – und hinter uns Äonen!
Fünf Lieder , opus 38
by Robert Kahn (1865 - 1951)
1. Dämon (aus: Urworte orphisch)  [sung text not yet checked]
Authorship:
- by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), "Urworte, orphisch", written 1817, appears in Goethe's Werke. Vollständige Ausgabe, letzter Hand, Band III, in 3. Gott und Welt
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]2. Fort  [sung text not yet checked]
Gebt mir ein Roß, und laßt mich reiten aus diesem Meer von Staub und Stein, in Wäldernacht, in Steppenweiten laßt einsam mich und selig sein! Hurrah! hussah! Der Rappe fliegt ... Die schwarzen Mauern fliehn zurück ... Vor mir in stiller Ferne liegt der Freiheit unaussprechlich Glück ... Vorüber tausend glatten Städten, bis mich ein freies Land empfängt, wo nicht Kultur mit Sklavenketten die kühne Mannesfaust behängt! Hurrah! hussah! Zigeunerkind! Herauf zu mir! mein Arm hält fest! Hin, wo die Berge pfadlos sind! Ein Horst sei unser Hochzeitsnest! ... Und spürt uns die verruchte Sippe im hohen Felsenbrautbett auf – – todwilde Jagd zur nächsten Klippe! Die letzte Kugel aus dem Lauf! Hurrah! hussah! Die Tiefe droht ... Umschling mich, Weib! Hörst du sie schrein? ... Viel lieber hier im Abgrund tot als dort im Staub lebendig sein! ...
Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), no title
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Treuegelöbnis  [sung text not yet checked]
So soll es sein: Ich lebe dein, Dein Stab und deine Stütze, Daß jederzeit In Sturm und Streit Dich meine Treu' beschütze. In Streit und Schmerz Ein treues Herz -- So sollst du stets mich kennen. Kein fremdes Glück Soll mein Geschick Von deinem Lose trennen. Gern steig' ich an Auf rauher Bahn, Weiß ich nur dich im Frieden. Bei dir allein Ist Sonnenschein Und all mein Glück hienieden.
Authorship:
- by Hermann von Lingg (1820 - 1905), "Treuegelöbnis"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]4. Dem aufgehenden Mond  [sung text not yet checked]
Willst du mich [sogleich]1 verlassen? Warst im Augenblick so nah! Dich umfinstern Wolkenmassen Und nun bist du gar nicht da. Doch du [fühlst]2, wie ich betrübt bin, Blickt dein Rand herauf als Stern! Zeugest mir, daß ich geliebt bin, Sei das Liebchen noch so fern. So hinan denn! hell und heller, Reiner Bahn, in voller Pracht! Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller, Überselig ist die Nacht.
Authorship:
- by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), "Dem aufgehenden Vollmonde", written 1828
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Laura Prichard) , copyright © 2016, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Goethes Werke. Vollständige Ausgabe, letzter Hand, Sieben und vierzigster Band, (Volume 47), Stuttgart und Tübingen, in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, 1833, page 66.
Note: in many older editions, the spelling of the capitalized word "über" becomes "Ueber", but this is often due to the printing process and not to rules of orthography, since the lower-case version is not "ueber", so we use "Über".
1 Stöhr: "so bald"2 Stöhr: "siehst"
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5. Feuerbestattung  [sung text not yet checked]
Düster brennt und trüb die Flamme, Schwarzer Rauch erfüllt die Luft, Doch das Holz von edlem Stamme Gibt dem Rauche Rosenduft. Mächtig sprühn empor die Funken, Denn der Tote, der da ruht, Brannte liebend licht- und liebetrunken, Lebend schon in heil'ger Glut.
Authorship:
- by Hermann von Lingg (1820 - 1905), "Feuerbestattung", appears in Jahresringe. Neue Gedichte, in 14. Tag- und Nachtbilder
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