Dunkles Blut in den Adern, dunkle Gedanken im Sinn, treibt's mich, zu streiten, zu hadern, treibt's zu Gefahren mich hin. Stamm' doch von ehrsamen Leuten, bin doch in Züchten gezeugt, saß in den Reih'n der Gescheuten – was will die Wildheit bedeuten? Eine Wölfin hat mich gesäugt. Würdevoll sitzen die andern, Vettern und Freunde im Amt; rastlos durch's Leben zu wandern bin ich vom Schicksal verdammt. Mühsam, während in Ehren, langohrig und kurz geäugt, sie das Volk richten und lehren, muß ich dem Hunger wehren – Eine Wölfin hat mich gesäugt. Auf ihrem Sterbelager sah ich das Bauernweib; welk, verfallen und hager waren Antlitz und Leib. Doch in den Augen brannte ein Trotz, den kein Elend beugt, ein Trotz, der Wutblicke sandte – und ich sah's und erkannte; Eine Wölfin hat mich gesäugt.
3 Gesänge eines Vagabunden von Martin Drescher
by Emil Nikolaus von Rezniček (1860 - 1945)
1. Die Wölfin  [sung text checked 1 time]
Language: German (Deutsch)
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920), "Die Wölfin"
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Researcher for this page: Johann Winkler2. Vagantenlust  [sung text checked 1 time]
Language: German (Deutsch)
Mein ist die Heide, mein der Sommertag, der leuchtend durch die grünen Fluren schreitet, mein ist der Bach, der murmelnd talwärts gleitet, die wilde Rose und der Amselschlag. Mein ist die Nacht, die über Feld und Hag, wo ich mich bette, ihren Mantel breitet, dass sich in ihrem Schutz die Seele weitet, und träumend alles Leid genesen mag. Mir selbst genug, durchschreit' ich meine Bahn; wohin mich Wind und Wellen führen, treib' ich, niemandes Herr, niemandem untertan. Kein Spielmann bin ich, keinen roten Mund lock' ich zum Kusse. Dennoch ward ich, bleib' ich ein Kind der Sonne, ich, der Vagabund!
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920)
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Researcher for this page: Johann Winkler3. Geh heim  [sung text checked 1 time]
Language: German (Deutsch)
Erloschen ist des Tages letzter Schein, die Erde hüllen tiefe Schatten ein. Am Himmel jagt ein düstres Wolkenheer, scharf weht der Herbstwind über Union Square Scharf weht der Herbstwind, es gerinnt das Blut der müden Schar, die obdachlos hier ruht, die träumend hier sich auf den Bänken streckt, bis sie zu neuer Qual der Morgen schreckt. Auch ich gehöre heut' den Ärmsten an, ich habe nicht, da ich mich betten kann. Im Sturm des Lebens ist mein Kahn zerschellt, und meine Heimat ward die weite Welt. Den ganzen Tag strich ich umsonst umher, Arbeit zu finden, ist so schwer, so schwer. Nun brennt mein Hirn, das Herz ist müd' und krank, Willkomm'ne Rast gibt selbst die harte Bank. O Schlaf, du Bettlerfreund, erbarm' dich mein, komm, wieg' mich sanft in holde Träume ein! Schon nahst du, nimmst mich lächelnd bei der Hand und trägst mich fort, hinaus ins Heimatland. Es winkt das Elternhaus, der traute Herd, es grüßt der Mutter Kuß, so lang' entbehrt! Wie ruht's sich bei den Lieben weich und warm! – Da fasst's, da packt's, da rüttelt's mich am Arm. Ich taumle hoch – um mich zuckt trübes Licht – und starre in ein finsteres Gesicht. Des Parkes Wächter fährt mich drohend an: Geh heim! Dies ist kein Ort zum Schlafen, Mann! Geh heim! Wie mir das Wort im Herzen brennt, zu dem gesagt, der keine Heimat kennt. Geh heim! – Wohin? Da klingt ein müder Reim: Zum Armen-Friedhof! Dort, dort ist dein Heim.
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920), "Geh heim"
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