Ich hör's im Traum und hör' es noch erwacht, Glockentöne wandern durch die Nacht. Nicht Domesglocken sind es, dumpf und schwer, des Hirten Herde weidet um mich her. Sie läutete vom nahen Wiesenrain in die Gefilde meines Traums hinein. Mir träumte von der Ahnen Burg so schön, die auch umklungen wird von Herdgetön. Vor vielen Jahren aus der Väter Haus zog ich mit leichtem Wanderbündel aus. Das größte Stück der Arbeit ist getan, nun hebt das Herdenläuten wieder an. Der Reigen, der die Wiege mir umfing, hallt wieder hell und schließt des Schicksals Ring.
7 Dichtungen aus Ulrich Huttens letzte Tage von Conrad Ferdinand Meyer
by Adolf Wallnöfer (1854 - 1946)
1. Die erste Nacht  [sung text checked 1 time]
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Die erste Nacht", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 1. Die Ufenau, no. 2
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Researcher for this page: Johann Winkler2. Das Geflüster  [sung text checked 1 time]
Erinn'rung plaudert leise hinter mir auf diesen stillen Inselpfaden hier. Sie rauscht im Eichenlaub, im [Buchenhag]1, am Ufer plätschert sie im Wellenschlag, und mag ich schreiten oder stille steh'n, so kann ich ihrem Flüstern nicht entgeh'n. Da streck' ich lieber gleich mich in das Gras! Erinn'rung, künde laut und sag' mir was! Hier lag're dich, zeig' dein Geschichtenbuch! Und wir ergötzen uns an Bild und Spruch.
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Das Geflüster", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 2. Das Buch der Vergangenheit, no. 6
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View original text (without footnotes)1 Wallnöfer: "Buchengang"
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3. Homo sum  [sung text checked 1 time]
Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht und werde duch vom Teufel hart versucht. Ich wünsche meiner Seele Seligkeit und bin mit Petris Schlüsselamt im Streit. Am Tisch der Fugger speist' ich dort und hie und schimpfte weidlich Pfeffersäcke sie. Den Städtehochmut hasst' ich allezeit und hätte gern ein städtisch Kind gefreit. Auf ehrenfeste Sitten geb' ich viel und fröne dem verdammten Würfelspiel! Ich bin des Kaisers treu'ster Untertan und riet so manchem schon Empörung an. Das plumpe Recht der Faust ist mir verhasst, und selber hab' ich wohl am Weg gepasst. Ich bete christlich, dass es Friede sei, und mich ergötzen Krieg und Kriegsgeschrei. Der Heiland weidet alle Völker gleich, doch nur dem Deutschen gönn' ich Ruhm und Reich! Das heißt: Ich bin kein ausgeklügelt Buch, ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Homo sum", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 3. Einsamkeit, no. 26
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Researcher for this page: Johann Winkler4. Das Huttenlied  [sung text checked 1 time]
Der Uferau vorüber glitt ein Kahn ganz nah; fast stieß er an das Ufer an. Von fahr'nden Schülern war der Nachen voll, ein Lied aus zwanzig jungen Kehlen scholl. Im Buchenlaub verborgen unsichtbar lag nahe zum Berühren ich der Schar. Das Ruder schlug den Takt der Melodie, entlang das Inselufer sangen sie: „Behüte Christ das edelfränkisch Blut! Es kündet uns viel köstlich Wahrheit gut. Aus Treuen tut's der Ritter ohne Lohn, die Treu' verspürt die deutsche Nation! Der Römer schickt dir Mörder vor die Tür; ach, edler Hutt' aus Franken, sieh dich für!“ Sie brachen Zweiglein ab vom Buchenhag, und keiner ahnte, wer dahinter lag.
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Das Huttenlied", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 3. Einsamkeit, no. 35
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Researcher for this page: Johann Winkler5. Reife  [sung text checked 1 time]
Es wendet sich das Jahr, die Welle rauscht; mein Eiland ruht in Morgenduft getaucht. Vor mir in herbstlicher Verschleierung bewegt sich still der Barke Ruderschwung. Es glänzen wie durch schwankes Nebelspiel die fernen Berge, meiner Augen Ziel. Zu Häupten mir durch helle Schleier bricht das süße Blau, das warme Sonnenlicht! Und schwerer hangt die Traube schon am Schaft, sie schwillt und läutert ihren Purpursaft. Sie fördert ihre Reife früh und spat;
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Reife", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 6. Das Todesurteil, no. 56
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Researcher for this page: Johann Winkler6. Der Schmied  [sung text checked 1 time]
Am Ufer drüben seh' aus einem Schlot ich lust'ge Funken wirbeln purpurrot, und Schmied und Amboss kommt mir in den Sinn, davor ich einst erstaunt gestanden bin. Als ein vom Weg Verirrter mach' ich Halt; es war um Mitternacht im schwarzen Wald. Ein riesenhafter Schmied am Amboss stand und hob den Hammer mit berusster Hand. Zum ersten schlug er nieder, dass es scholl ringsum [in finster'm]1 Forst geheimnisvoll und rief: „Mach, erster Streich, den Teufel fest, dass ihn die Hölle nicht entfahren lässt!“ Den Hammer er zum andern Male hob, den Amboss schlug er, dass es Funken stob, uns schrie: „Triff du den Reichsfeind, zweiter Schlag, dass ihn der Fuß nicht fürder tragen mag!“ Den Hammer hob er noch zum dritten Mal, der niederfuhr wie blanker Wetterstrahl, und lachte: „Schmiede, dritter, du die Treu' und uns're alte Kaiserkrone neu!“
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Der Schmied", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 3. Einsamkeit, no. 37
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View original text (without footnotes)Confirmed with Gesammelte Gedichte von Conrad Ferdinand Meyer, OK Publishing, 2017.
1 Wallnöfer: "im mächt'gen"Researcher for this page: Johann Winkler
7. Scheiden im Licht  [sung text checked 1 time]
[Verschärfte]1 Schmerzen foltern mein Gebein, [Doch, soll ich sterben, muß]2 es Morgen sein! [Doch, soll]3 ich aus der Welt von hinnen gehn, So muß ich erst erhellte Pfade sehn! In meine Todesschauer sei gemischt Der Frühe Schauer, der das All erfrischt! Verstöhnen laß mich hier im Dunkel nicht, Befreie deinen Kämpfer, starkes Licht! Auf deinen goldnen Schwingen trägst du Heil, Erlege mich mit deinem ersten Pfeil!
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- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Scheiden im Licht", appears in Verserzählung, in Huttens letzte Tage, in 8. Das Sterben, no. 70
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View original text (without footnotes)1 Wallnöfer: "Wie scharfe"
2 Wallnöfer: "soll sterben ich, dann muss"
3 Wallnöfer: "Und muss"
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