Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung! O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr. Und alles schwieg. Doch selbst in der verschweigung ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor. Tiere aus Stille drangen aus dem klaren gelösten wald von Lager und Genist; und da ergab sich, daß sie nicht aus List und nicht aus Angst in sich so leise waren, sondern aus Hören. Brüllen, Schrei, Geröhr schien klein in ihren Herzen. Und wo eben kaum eine Hütte war, dies zu empfangen, ein Unterschlupf aus dunkelstem Verlangen mit einem Zugang, dessen Pfosten beben, -- da schufst du ihnen Tempel im Gehör.
Vier Sonette an Orpheus
Song Cycle by Wolfgang Steffen (1923 - 1993)
1. Da stieg ein Baum  [sung text not yet checked]
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 1
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- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
2. Heil dem Geist  [sung text not yet checked]
Heil dem Geist, der uns verbinden mag; denn wir leben wahrhaft in Figuren. Und mit kleinen Schritten gehn die Uhren neben unserm eigentlichen Tag. Ohne unsern wahren Platz zu kennen, handeln wir aus wirklichem Bezug. Die Antennen fühlen die Antennen, und die leere Ferne trug... Reine Spannung. O Musik der Kräfte! Ist nicht durch die läßlichen Geschäfte jede Störung von dir abgelenkt? Selbst wenn sich der Bauer sorgt und handelt, wo die Saat in Sommer sich verwandelt, reicht er niemals hin. Die Erde schenkt.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 12
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Nur wer die Leier schon hob  [sung text not yet checked]
Nur wer die Leier schon hob auch unter Schatten darf das unendliche Lob ahnend erstatten. Nur wer mit Toten vom Mohn aß, von dem ihren, wird nicht den leisesten Ton wieder verlieren. Mag auch die Spieglung im Teich oft uns verschwimmen: Wisse das Bild. Erst in dem Doppelbereich werden die Stimmen ewig und mild.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 9
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4. Ein Gott vermag's  [sung text not yet checked]
Ein Gott vermags. Wie aber, sag mir, soll ein Mann ihm folgen durch die schmale Leier? Sein Sinn ist Zwiespalt. An der Kreuzung zweier Herzwege steht kein Tempel für Apoll. Gesang, wie du ihn lehrst, ist nicht Begehr, nicht Werbung um ein endlich noch Erreichtes; Gesang ist Dasein. Für den Gott ein Leichtes. Wann aber sind wir? Und wann wendet er an unser Sein die Erde und die Sterne? Dies ists nicht, Jüngling, Daß du liebst, wenn auch die Stimme dann den Mund dir aufstößt, - lerne vergessen, daß du aufsangst. Das verrinnt. In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch. Ein Hauch um nichts. Ein Wehn im Gott. Ein Wind.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 3
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