by Ferdinand Freiligrath (1810 - 1876)
Der Blumen Rache
Language: German (Deutsch)
Auf des Lagers weichem Kissen ruht die Jungfrau, schlaf befangen, tiefgesenkt die braune Wimper, Purpur auf den heißen Wangen. Schimmernd auf dem Binsenstuhle steht der Kelch, der reichgeschmückte, und im Kelche prangen Blumen, duft'ge, bunte, frischgepflückte. Brütend hat sich dumpfe Schwüle, durch das Kämmerlein ergossen, denn der Sommer scheucht die Kühle, und die Fenster sind verschlossen. Stille rings, und tiefes Schweigen! Plötzlich, horch! ein leises Flüstern! In den Blumen, in den Zweigen lispelt es und rauscht es lüstern. Aus den Blütenkelchen schweben geistergleiche Duftgebilde; ihre Kleider zarte Nebel, Kronen tragen sie und Schilde. Aus dem Purpurschoß der Rose hebt sich eine schlanke Frau; ihre Locken flattern lose, Perlen blitzen drin, wie Tau. Aus dem Helm des Eisenhutes mit dem dunkelgrünen Laube tritt ein Ritter kecken Mutes; Schwert erglänzt und Pickelhaube. Auf der Haube nickt die Feder von dem Silbergrauen Reiher. Aus der Lilie schwankt ein Mädchen, dünn, wie Spinnweb', ist ihr Schleier. Aus dem Kelch des Türkenbundes kommt ein Neger stolz gezogen; licht auf seinem grünen Turban glüht des Halbmonds goldner Bogen. Prangend aus der Kaiserkrone schreitet kühn ein Scepterträger; aus der blauen Iris folgen schwertbewaffnet seine Jäger. Aus den Blättern der Narzisse schwebt ein Knab' mit düstern Blicken, tritt ans Bett, um heiße Kisse auf des Mädchens Mund zu drücken. Doch um's Lager drehn und schwingen sich die andern wild im Kreise; drehn und schwingen sich, und singen der Entschlafnen diese Weise: "Mädchen, Mädchen! Von der Erde hast du grausam uns gerissen, daß wir in der bunten Scherbe schmachten, welken, sterben müssen! "O wie, ruhten wir so selig an der Erde Mutterbrüsten, wo, durch grüne Wipfel brechend, Sonnenstrahlen heiß uns küßten; "wo uns Lenzeslüfte kühlten, unsre schwanken Stengel beugend; wo wir Nachts als Elfen spielten, unserm Blätterhaus entsteigend. "Hell umfloß uns Tau und Regen; Jetzt umfließt uns trübe Lache; Wir verblüh'n, doch eh' wir sterben, Mädchen! trifft dich uns're Rache." Der Gesang verstummt; sie neigen Sich zu der Entschlaf'nen nieder. Mit dem alten dumpfen Schweigen Kehrt das leise Flüstern wieder. Welch ein Rauschen, welch ein Raunen! Wie des Mädchens Wangen glühen! Wie die Geister es anhauchen, wie die Düfte wallend ziehen! Da begrüßt der Sonne Funkeln das Gemach; die Geister weichen. Auf des Lagers Kissen schlummert kalt die Lieblichste der Leichen! Eine welke Blume selber, noch die Wange sanft gerötet, ruht sie bei den welken Schwestern: deren Geister sie getödtet!
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Text Authorship:
- by Ferdinand Freiligrath (1810 - 1876), "Der Blumen Rache" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Loewe (1796 - 1869), "Der Blumen Rache", op. 68 no. 3 (1839), published 1839 [sung text checked 1 time]
- by Hans Erich Pfitzner (1869 - 1949), "Der Blumen Rache", 1888 [ alto, women's chorus, and orchestra ], ballade  [sung text not yet checked]
- by Eduard Rohde (1828 - 1883), "Der Blumen Rache ", op. 141, published 1876 [ soli, chorus, and piano ], Breslau, Hientzsch  [sung text not yet checked]
- by Johann Baptist Zerlett (1859 - 1935), "Der Blumen Rache", op. 210, published 1892 [ men's chorus ], Wiesbaden, Schellenberg [sung text not yet checked]
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