by Heinrich Harries (1762 - 1802)
Herr Michel
Language: German (Deutsch)
Michel ward des alten Pachter Martins Knecht; doch nach wenig Wochen fand er nichts mehr recht; Kuchen mager, Butter alt, Bette hart, und Stube kalt. Wenn die Erbsenschüssel auf dem Tisch erschien; tunkt' er seinen Löffel umgewendet drinn; und dann sprach er spöttichlich: klebst du dran, so eß ich dich. Bald des Dienens müde sann er hoch umher, nahm ein Weib und dachte: ha! nun bin ich Herr! doch der Junggesellentraum ist gar oft nur bunter Schaum! Ach das eigne Tischen deckt sich nicht so leicht, wie’s am fremden Heerde manchem Michel däucht; auch der unsre fand ums Jahr diesen Spruch nur gar zu wahr; Sehnte sich mit Schmerzen aber ach zu spät, nach der Erbsenschüssel und dem harten Bett; immer größer ward die Noth, und die Sorg ums trockne Brot. Nun zum alten Wirthe tritt er flehend ein, einen halben Scheffel Erbsen ihm zu leihn; jener schweigt und führet ihn nach der Vorrathskammer hin. Hier, am Erbsenhaufen stehn sie still und stumm; Martin, vor dem Scheffel kehrt die Schaufel um, stößt sie ein, und spricht für sich: klebst du dran, so meß’ ich dich! Michel weint - der Alte stehts und spricht mit Ernst: Wohl dir, wenn du weinen, und dich bessern lernst! nimm die Erbsen zum Geschenk, und sey meiner eingedenk! Dächten alle jungen Brüder Michels doch an den Erbsenhaufen und den Doppelspruch: klebst du dran, so eß’ ich dich! klebst du dran, so meß’ ich dich!
Authorship:
- by Heinrich Harries (1762 - 1802), "Herr Michel", appears in Gedichte von Heinrich Harries, Altona, first published 1804 [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Georg Gerson (1790 - 1825), "Herr Michel", G. 6 (1807). [voice and piano] [text verified 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2014-05-24
Line count: 54
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