by Kurt Tucholsky (1890 - 1935)
Der schlimmste Feind
Language: German (Deutsch)
Der schlimmste Feind, den der Arbeiter hat, das sind nicht die Soldaten; es ist auch nicht der Rat der Stadt, nicht Bergherrn, nicht Prälaten. Sein schlimmster Feind steht schlau und klein in seinen eigenen Reihn, in seinen eigenen Reihn. Wer etwas diskutieren kann, wer einmal Marx gelesen, der hält sich schon für einen Mann und für ein höh'res Wesen. Der ragt um einen Daumen klein aus seinen eigenen Reihn, aus seinen eigenen Reihn. Der weiß nichts mehr vom Klassenkampf und nichts von Revolutionen; der hat vor Streiken allen Dampf und Furcht vor blauen Bohnen. Der will nur in den Reichstag hinein aus seinen eigenen Reihn, aus seinen eigenen Reihn. Klopft dem noch ein Regierungsrat auf die Schulter: "Na, mein Lieber...", dann vergißt er das ganze Proletariat - das ist das schlimmste Kaliber. Kein Gutsbesitzer ist so gemein wie der aus den eigenen Reihn, wie der aus den eigenen Reihn. Paßt Obacht! Da steht euer Feind, der euch hundertmal verraten! Den Bonzen loben gern vereint Nationale und Demokraten. Freiheit? Erlösung? Gute Nacht. Ihr seid um die Frucht eures Leidens gebracht. Das macht: Ihr konntet euch nicht befrein von dem Feind aus den eigenen Reihn, von dem Feind aus den eigenen Reihn.
Authorship:
- by Kurt Tucholsky (1890 - 1935) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Hanns Eisler (1898 - 1962), "Der schlimmste Feind" [text verified 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 33
Word count: 200