by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Östliches Taglied
Language: German (Deutsch)
Ist dieses Bette nicht wie eine Küste, ein Küstenstreifen nur, darauf wir liegen? Nichts ist gewiß als deine hohen Brüste, die mein Gefühl in Schwindeln überstiegen. Denn diese Nacht, in der so vieles schrie, in der sich Tiere rufen und zerreißen, ist sie uns nicht entsetzlich fremd? Und wie: was draußen langsam anhebt, Tag geheißen, ist das uns denn verständlicher als sie? Man müßte so sich ineinanderlegen wie Blütenblätter um die Staubgefäße: so sehr ist überall das Ungemäße und häuft sich an und stürzt sich uns entgegen. Doch während wir uns aneinanderdrücken, um nicht zu sehen, wie es ringsum naht, kann es aus dir, kann es aus mir sich zücken: denn unsre Seelen leben von Verrat.
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Leipzig : Insel-Verlag, 1920
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Östliches Taglied", appears in Neue Gedichte [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Robert Haas (1886 - 1960), "Östliches Taglied", c1919-c1944 [ voice and piano ], from 25 Lieder nach Gedichten von Rainer Maria Rilke, no. 17 [sung text not yet checked]
- by Alexander Päffgen (b. 1956), "Östliches Taglied", Floff Publishing [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
This text was added to the website: 2023-11-12
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