by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Was hab ich mir für Namen eingeprägt
Language: German (Deutsch)
Was hab ich mir für Namen eingeprägt und Hund und Kuh und Elefant nun schon so lang und ganz von weit erkannt, und dann das Zebra -, ach, wozu? Der mich jetzt trägt, steigt wie ein Wasserstand über das Alles. Ist das Ruh, zu wissen, daß man war, wenn man sich nicht durch zärtliche und harte Gegenstände durchdrängte ins begreifende Gesicht? Und diese angefangnen Hände - Ihr sagtet manchmal: Er verspricht... Ja, ich versprach -, doch was ich Euch versprach, das macht mir jetzt nicht bange. Zuweilen, dicht am Hause, saß ich lange und schaute einem Vogel nach. Hätt ich das werden dürfen, dieses Schaun! Das trug, das hob mich, meine Augenbraun waren ganz oben. Keinen hatt ich lieb; Liebhaben war doch Angst -, begreifst du, dann war ich nicht wir und war viel größer als ein Mann und war, als wär ich selber die Gefahr, und drin in ihr war ich der Kern. Ein kleiner Kern; ich gönne ihn den Straßen, ich gönne ihn dem Wind. Ich geb ihn fort. Denn daß wir alle so beisammen saßen, das hab ich nie geglaubt. Mein Ehrenwort. Ihr spracht, ihr lachtet, dennoch war ein jeder im Sprechen nicht und nicht im Lachen. Nein. So wie ihr alle schwanktet, schwankte weder die Zuckerdose, noch das Glas voll Wein. Der Apfel lag. Wie gut das manchmal war, den festen vollen Apfel anzufassen, den starken Tisch, die stillen Frühstückstassen, die guten, wie beruhigten sie das Jahr. Und auch mein Spielzeug war mir manchmal gut. Es konnte beinah wie die andern Sachen verläßlich sein; nur nicht so ausgeruht. So stand es in beständigem Erwachen wie mitten zwischen mir und meinem Hut. Da war ein Pferd aus Holz, da war ein Hahn, da war die Puppe mit nur einem Bein; ich habe viel für sie getan. Den Himmel klein gemacht, wenn sie ihn sahn, - denn das begriff ich frühe: wie allein ein Holzpferd ist. Daß man das machen kann: ein Pferd aus Holz in irgend einer Größe. Es wird bemalt, und später zieht man dran, und es bekommt vom echten Weg die Stöße. Warum war das nicht Lüge, wenn man dies "Pferd" nannte? Weil man selbst ein wenig als Pferd sich fühlte, mähnig, sehnig, vierbeinig wurde - (um einmal ein Mann zu werden?) Aber war man nicht ein wenig Holz zugleich um seinetwillen und wurde hart im Stillen und machte ein vermindertes Gesicht? Jetzt mein ich fast, wir haben stets getauscht. Sah ich den Bach, wie hab ich da gerauscht, rauschte der Bach, so bin ich hingesprungen. Wo ich ein Klingen sah, hab ich geklungen, und wo es klang, war ich davon der Grund. So hab ich mich dem Allen aufgedrängt. Und war doch Alles ohne mich zufrieden und wurde trauriger, mit mir behängt. Nun bin ich plötzlich ab-geschieden. Fängt ein neues Lernen an, ein neues Fragen? Oder soll ich jetzt sagen, wie alles bei euch ist? - Da ängst ich mich. Das Haus? Ich hab es nie so recht verstanden. Die Stuben? Ach da war so viel vorhanden. ..... Du Mutter, wer war eigentlich der Hund? Und selbst, daß wir im Walde Beeren fanden, erscheint mir jetzt ein wunderlicher Fund Da müssen ja doch tote Kinder sein, die mit mir spielen kommen. Sind doch immer welche gestorben. Lagen erst im Zimmer, so wie ich lag, und wurden nicht gesund. Gesund... Wie das hier klingt. Hat das noch Sinn? Dort, wo ich bin, ist, glaub ich, niemand krank. Seit meinem Halsweh, das ist schon so lang - Hier ist ein jeder wie ein frischer Trank. Noch hab ich, die uns trinken, nicht gesehen .....................................................................
About the headline (FAQ)
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Gesammelte Werk, Band II, Insel-verlag, 1927
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Für einen Knaben", appears in Requiem, no. 3 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Andrés Luis Maupoint Alvarez (b. 1968), "Requiem auf den Tod eines Knaben", published 1999 [ female voice, speaker, piano and tape ], Tremedia Musikverlag Friederike Zimmermann [sung text not yet checked]
- by Edward Staempfli (1908 - 2002), "Requiem für einen Knaben", 1992 [ narrator and orchestra ], 2. Stämpli Nachlaß in der Zentralbibliothek Zürich [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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