by Heinrich Heine (1797 - 1856)
Ein feiner Regen prickelt herab
Language: German (Deutsch)
Ein feiner Regen prickelt herab, Eiskalt, wie Nähnadelspitzen. Die Pferde bewegen traurig den Schwanz, Sie waten im Koth und schwitzen. Der Postillon stößt in sein Horn, Ich kenne das alte Getute - "Es reiten drey Reiter zum Thor hinaus!" - Es wird mir so dämmrig zu Muthe. Mich schläferte und ich entschlief, Und siehe! mir träumte am Ende, Daß ich mich in dem Wunderberg Beim Kaiser Rothbart befände. Er saß nicht mehr auf steinernem Stuhl, Am steinernen Tisch, wie ein Steinbild; Auch sah er nicht so ehrwürdig aus, Wie man sich gewöhnlich einbild't. Er watschelte durch die Sääle herum Mit mir im trauten Geschwätze. Er zeigte wie ein Antiquar Mir seine Curiosa und Schätze. Im Saale der Waffen erklärte er mir Wie man sich der Kolben bediene, Von einigen Schwertern rieb er den Rost Mit seinem Hermeline. Er nahm ein Pfauenwedel zur Hand, Und reinigte vom Staube Gar manchen Harnisch, gar manchen Helm, Auch manche Pickelhaube. Die Fahne stäubte er gleichfalls ab, Und er sprach: "mein größter Stolz ist, Daß noch keine Motte die Seide zerfraß, Und auch kein Wurm im Holz ist." Und als wir kamen in den Saal, Wo schlafend am Boden liegen Viel tausend Krieger, kampfbereit, Der Alte sprach mit Vergnügen: "Hier müssen wir leiser reden und gehn, Damit wir nicht wecken die Leute; Wieder verflossen sind hundert Jahr Und Löhnungstag ist heute." Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht Den schlafenden Soldaten, Und steckte heimlich in die Tasch' Jedwedem einen Dukaten. Er sprach mit schmunzelndem Gesicht, Als ich ihn ansah verwundert: "Ich zahle einen Dukaten per Mann, Als Sold, nach jedem Jahrhundert." Im Saale wo die Pferde stehn In langen, schweigenden Reihen, Da rieb der Kaiser sich die Händ', Schien sonderbar sich zu freuen. Er zählte die Gäule, Stück vor Stück, Und klätschelte ihnen die Rippen; Er zählte und zählte, mit ängstlicher Hast Bewegten sich seine Lippen. "Das ist noch nicht die rechte Zahl" - Sprach er zuletzt verdrossen - "Soldaten und Waffen hab' ich genung, Doch fehlt es noch an Rossen. "Roßkämme hab' ich ausgeschickt In alle Welt, die kaufen Für mich die besten Pferde ein, Hab' schon einen guten Haufen. "Ich warte bis die Zahl komplet, Dann schlag' ich los und befreye Mein Vaterland, mein deutsches Volk, Das meiner harret mit Treue." So sprach der Kaiser, ich aber rief: Schlag' los, du alter Geselle, Schlag' los, und hast du nicht Pferde genug, Nimm Esel an ihrer Stelle. Der Rothbart erwiederte lächelnd: "Es hat Mit dem Schlagen gar keine Eile, Man baute nicht Rom in einem Tag, Gut Ding will haben Weile. "Wer heute nicht kommt, kommt morgen gewiß, Nur langsam wächst die Eiche, Und chi va piano va sano, so heißt Das Sprüchwort im römischen Reiche."
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- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Deutschland. Ein Wintermärchen, no. 15 [author's text checked 1 time against a primary source]
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