by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Allerseelen
Language: German (Deutsch)
I Rings liegt der Tag von Allerseelen voll Wehmut und voll Blütenduft, und hundert bunte Lichter schwelen vom Feld des Friedens in die Luft. Sie senden Palmen heut und Rosen; der Gärtner ordnet sie mit Sinn – und kehrt zum Eck der Glaubenslosen die alten, welken Blumen hin. II »Jetzt beten, Willy, – und nicht reden!« Mit großem Aug gehorcht der Knab. Der Vater legt den Kranz Reseden auf seines armen Weibes Grab. »Die Mutter schläft hier! Mach ein Kreuz nun!« Klein-Willy sieht empor und macht wie ihm befohlen. Ach, ihn reuts nun, daß er am Weg heraus gelacht! Es sticht im Auge ihn – wie Weinen … Dann gehn sie heimwärts durch die Nacht; ganz ernst und stumm. Da lockt den Kleinen beim Ausgang jäh der Buden Pracht. Es blinkt durch den Novembernebel herüber lichtbeglänzter Tand; er sieht dort Pferdchen, Helme, Säbel und küßt dem Vater leis die Hand. Und der versteht. Dann gehn sie weiter … Der Vater sieht so traurig aus. – Doch einen Pfefferkuchenreiter schleppt Willy selig sich nach Haus.
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, Band I, Frankfurt am Main : Insel-Verlag, 1955, p.24
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Allerseelen", appears in Erste Gedichte, in Larenopfer [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Will Eisenmann (1906 - 1992), "Allerseelen", op. 39 no. 2 (1945) [ voice and piano ], from Gesänge im Zwielicht, no. 2 [sung text not yet checked]
- by Richard Maux (1893 - 1971), "Allerseelen", op. 471 (1941) [ high voice and piano ] [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
This text was added to the website: 2023-09-22
Line count: 30
Word count: 174