by Friedrich von Schiller (1759 - 1805)
Wie schön, o Mensch, mit deinem...
Language: German (Deutsch)
Wie schön, o Mensch, mit deinem Palmenzweige Stehst du an des Jahrhunderts Neige In edler stolzer Männlichkeit, Mit aufgeschloßnem Sinn, mit Geistesfülle, Voll milden Ernsts, in thatenreicher Stille, Der reifste Sohn der Zeit, Frei durch Vernunft, stark durch Gesetze, Durch Sanftmuth groß und reich durch Schätze, Die lange Zeit dein Busen dir verschwieg, Herr der Natur, die deine Fesseln liebet, Die deine Kraft in tausend Kämpfen übet Und prangend unter dir aus der Verwildrung stieg! Berauscht von dem errungnen Sieg, Verlerne nicht, die Hand zu preisen, Die an des Lebens ödem Strand Den weinenden verlaßnen Waisen, Des wilden Zufalls Beute, fand, Die frühe schon der künft'gen Geisterwürde Dein junges Herz im Stillen zugekehrt Und die befleckende Begierde Von deinem zarten Busen abgewehrt, Die Gütige, die deine Jugend In hohen Pflichten spielend unterwies Und das Geheimniß der erhabnen Tugend In leichten Räthseln dich errathen ließ, Die, reifer nur ihn wieder zu empfangen, In fremde Arme ihren Liebling gab; O, falle nicht mit ausgeartetem Verlangen Zu ihren niedern Dienerinnen ab! Im Fleiß kann dich die Biene meistern, In der Geschicklichkeit der Wurm dein Lehrer sein, Dein Wissen theilest du mit vorgezognen Geistern, Die Kunst, o Mensch, hast du allein. Nur durch das Morgenthor des Schönen Drangst du in der Erkenntniß Land. An höhern Glanz sich zu gewöhnen, Übt sich am Reize der Verstand. Was bei dem Saitenklang der Musen Mit süßem Beben dich durchdrang, Erzog die Kraft in deinem Busen, Die sich dereinst zum Weltgeist schwang. Was erst, nachdem Jahrtausende verflossen, Die alternde Vernunft erfand, Lag im Symbol des Schönen und des Großen, Voraus geoffenbart dem kindlichen Verstand. Ihr holdes Bild hieß uns die Tugend lieben, Ein zarter Sinn hat vor dem Laster sich gesträubt, Eh noch ein Solon das Gesetz geschrieben, Das matte Blüthen langsam treibt. Eh vor des Denkers Geist der kühne Begriff des ew'gen Raumes stand, Wer sah hinauf zur Sternenbühne, Der ihn nicht ahnend schon empfand? Die, eine Glorie von Orionen Ums Angesicht, in hehrer Majestät, Nur angeschaut von reineren Dämonen, Verzehrend über Sternen geht, Geflohn auf ihrem Sonnenthrone, Die furchtbar herrliche Urania, Mit abgelegter Feuerkrone Steht sie -- als Schönheit vor uns da. Der Anmuth Gürtel umgewunden, Wird sie zum Kind, daß Kinder sie verstehn. Was wir als Schönheit hier empfunden, Wird einst als Wahrheit uns entgegen gehn. Als der Erschaffende von seinem Angesichte Den Menschen in die Sterblichkeit verwies Und eine späte Wiederkehr zum Lichte Auf schwerem Sinnenpfad ihn finden hieß, Als alle Himmlischen ihr Antlitz von ihm wandten, Schloß sie, die Menschliche, allein Mit dem verlassenen Verbannten Großmüthig in die Sterblichkeit sich ein. Hier schwebt sie, mit gesenktem Fluge, Um ihren Liebling, nah am Sinnenland, Und malt mit lieblichem Betruge Elysium auf seine Kerkerwand. Als in den weichen Armen dieser Amme Die zarte Menschheit noch geruht, Da schürte heil'ge Mordsucht keine Flamme, Da rauchte kein unschuldig Blut. Das Herz, das sie an sanften Banden lenket, Verschmäht der Pflichten knechtisches Geleit; Ihr Lichtpfad, schöner nur geschlungen, senket Sich in die Sonnenbahn der Sittlichkeit. Die ihrem keuschen Dienste leben, Versucht kein niedrer Trieb, bleicht kein Geschick; Wie unter heiliger Gewalt gegeben, Empfangen sie das reine Geisterleben, Der Freiheit süßes Recht, zurück. Glückselige, die sie -- aus Millionen Die Reinsten -- ihrem Dienst geweiht, In deren Brust sie würdigte zu thronen, Durch deren Mund die Mächtige gebeut, Die sie auf ewig flammenden Altären Erkor, das heil'ge Feuer ihr zu nähren, Vor deren Aug' allein sie hüllenlos erscheint, Die sie in sanftem Bund um sich vereint! Freut euch der ehrenvollen Stufe, Worauf die hohe Ordnung euch gestellt: In die erhabne Geisterwelt Wart ihr der Menschheit erste Stufe! Eh ihr das Gleichmaß in die Welt gebracht, Dem alle Wesen freudig dienen -- Ein unermeßner Bau, im schwarzen Flor der Nacht, Nächst um ihn her mit mattem Strahl beschienen, Ein streitendes Gestaltenheer, Die seinen Sinn in Sklavenbanden hielten Und, ungesellig, rauh wie er, Mit tausend Kräften auf ihn zielten, -- So stand die Schöpfung vor dem Wilden. Durch der Begierde blinde Fessel nur An die Erscheinungen gebunden, Entfloh ihm, ungenossen, unempfunden, Die schöne Seele der Natur. Und wie sie fliehend jetzt vorüber fuhr, Ergriffet ihr die nachbarlichen Schatten Mir zartem Sinn, mit stiller Hand, Und lerntet in harmon'schem Band Gesellig sie zusammen gatten. Leichtschwebend fühlte sich der Blick Vom schlanken Wuchs der Ceder aufgezogen, Gefällig strahlte der Krystall der Wogen Die hüpfende Gestalt zurück. Wie konntet ihr des schönen Winks verfehlen, Womit euch die Natur hilfreich entgegen kam? Die Kunst, den Schatten ihr nachahmend abzustehlen, Wies euch das Bild, das auf der Woge schwamm; Von ihrem Wesen abgeschieden, Ihr eignes liebliches Phantom, Warf sie sich in den Silberstrom, Sich ihrem Räuber anzubieten. Die schöne Bildkraft ward in eurem Busen wach. Zu edel schon, nicht müßig zu empfangen, Schuft ihr im Sand -- im Thon den holden Schatten nach, Im Umriß ward sein Dasein aufgefangen. Lebendig regte sich des Wirkens süße Lust -- Die erste Schöpfung trat aus eurer Brust. Von der Betrachtung angehalten, Von eurem Späheraug' umstrickt, Verriethen die vertraulichen Gestalten Den Talisman, wodurch sie euch entzückt. Die wunderwirkenden Gesetze, Des Reizes ausgeforschte Schätze Verknüpfte der erfindende Verstand In leichtem Bund in Werken eurer Hand. Der Obeliske stieg, die Pyramide, Die Herme stand, die Säule sprang empor, Des Waldes Melodie floß aus dem Haberrohr, Und Siegesthaten lebten in dem Liede. Die Auswahl einer Blumenflur Mit weiser Wahl in einen Strauß gebunden -- So trat die erste Kunst aus der Natur; Jetzt wurden Sträuße schon in einen Kranz gewunden, Und eine zweite, höhre Kunst entstand Aus Schöpfungen der Menschhand. Das Kind der Schönheit, sich allein genug, Vollendet schon aus eurer Hand gegangen, Verliert die Krone, die es trug, Sobald es Wirklichkeit empfangen. Die Säule muß, dem Gleichmaß unterthan, An ihre Schwestern nachbarlich sich schließen, Der Held im Heldenheer zerfließen, Des Mäoniden Harfe stimmt voran. Bald drängten sich die staunenden Barbaren Zu diesen neuen Schöpfungen heran. Seht, riefen die erfreuten Schaaren, Seht an, was hat der Mensch gethan! In lustigen, geselligeren Paaren Riß sie des Sängers Leier nach, Der von Titanen sang und Riesenschlachten Und Löwentödtern, die, so lang der Sänger sprach, Aus seinen Hörern Helden machten. Zum erstenmal genießt der Geist, Erquickt von ruhigeren Freuden, Die aus der Ferne nur ihn weiden, Die seine Gier nicht in sein Wesen reißt, Die im Genusse nicht verscheiden. Jetzt wand sich von dem Sinnenschlafe Die freie schöne Seele los; Durch euch entfesselt, sprang der Sklave Der Sorge in der Freude Schooß. Jetzt fiel der Thierheit dumpfe Schranke, Und Menschheit trat auf die entwölkte Stirn, Und der erhabne Fremdling, der Gedanke, Sprang aus dem staunenden Gehirn. Jetzt stand der Mensch und wies den Sternen Das königliche Angesicht; Schon dankte nach erhabnen Fernen Sein sprechend Aug' dem Sonnenlicht. Das Lächeln blühte auf der Wange; Der Stimme seelenvolles Spiel Entfaltete sich zum Gesange; Im feuchten Auge schwamm Gefühl, Und Scherz mit Huld in anmuthsvollem Bunde Entquollen dem beseelten Munde. Begraben in des Wurmes Triebe, Umschlungen von des Sinnes Lust, Erkanntet ihr in seiner Brust Den edeln Keim der Geisterliebe. Daß von des Sinnes niederm Triebe Der Liebe beßrer Keim sich schied, Dankt er dem ersten Hirtenlied. Geadelt zur Gedankenwürde, Floß die verschämtere Begierde Melodisch aus des Sängers Mund. Sanft glühten die bethauten Wangen; Das überlebende Verlangen Verkündigte der Seelen Bund. Der Weisen Weisestes, der Milden Milde, Der Starken Kraft, der Edeln Grazie Vermähltet ihr in einem Bilde Und stelltet es in eine Glorie. Der Mensch erbebte vor dem Unbekannten, Er liebte seinen Wiederschein; Und herrliche Heroen brannten, Dem großen Wesen gleich zu sein. Den ersten Klang vom Urbild alles Schönen -- Ihr ließet ihn in der Natur ertönen. Der Leidenschaften wilden Drang, Des Glückes regellose Spiele, Der Pflichten und Instincte Zwang Stellt ihr mit prüfendem Gefühle, Mit strengem Richtscheit nach dem Ziele. Was die Natur auf ihrem großen Gange In weiten Fernen auseinander zieht, Wird auf dem Schauplatz, im Gesange Der Ordnung leicht gefaßtes Glied. Vom Eumenidenchor geschrecket, Zieht sich der Mord, auch nie entdecket, Das Loos des Todes aus dem Lied. Lang, eh die Weisen ihren Ausspruch wagen, Löst eine Ilias des Schicksals Räthselfragen Der jugendlichen Vorwelt auf; Still wandelte von Thespis' Wagen Die Vorsicht in den Weltenlauf. Doch in den großen Weltenlauf Ward euer Ebenmaß zu früh getragen. Als des Geschickes dunkle Hand, Was sie vor eurem Auge schnürte, Vor eurem Aug' nicht auseinander band, Das Leben in die Tiefe schwand, Eh es den schönen Kreis vollführte -- Da führtet ihr aus kühner Eigenmacht Den Bogen weiter durch der Zukunft Nacht; Da stürztet ihr euch ohne Beben In des Avernus schwarzen Ocean Und trafet das entflohne Leben Jenseits der Urne wieder an; Da zeigte sich mit umgestürztem Lichte, An Kastor angelehnt, ein blühend Polluxbild; Der Schatten in des Mondes Angesichte, Eh sich der schöne Silberkreis erfüllt. Doch höher stets, zu immer höhern Höhen Schwang sich der schaffende Genie. Schon sieht man Schöpfungen aus Schöpfungen erstehen, Aus Harmonieen Harmonie. Was hier allein das trunkne Aug' entzückt, Dient unterwürfig dort der höhern Schöne; Der Reiz, der diese Nymphe schmückt, Schmilzt sanft in eine göttliche Athene; Die Kraft, die in des Ringers Muskel schwillt, Muß in des Gottes Schönheit lieblich schweigen; Das Staunen seiner Zeit, das stolze Jovisbild, Im Tempel zu Olympia sich neigen. Die Welt, verwandelt durch den Fleiß, Das Menschenherz, bewegt von neuen Trieben, Die sich in heißen Kämpfen üben, Erweitern euren Schöpfungskreis. Der fortgeschrittne Mensch trägt auf erhobnen Schwingen Dankbar die Kunst mit sich empor, Und neue Schönheitswelten springen Aus der bereicherten Natur hervor. Des Wissens Schranken gehen auf, Der Geist, in euren leichten Siegen Geübt, mit schnell gezeitigtem Vergnügen Ein künstlich All von Reizen zu durcheilen, Stellt der Natur entlegenere Säulen, Ereilet sie auf ihrem dunkeln Lauf. Jetzt wägt er sie mit menschlichen Gewichten, Mißt sie mit Maßen, die sie ihm geliehn; Verständlicher in seiner Schönheit Pflichten, Muß sie an seinem Aug' vorüber ziehn. In selbstgefäll'ger jugendlicher Freude Leiht er den Sphären seine Harmonie, Und preiset er das Weltgebäude, So prangt es durch die Symmetrie. In Allem, was ihn jetzt umlebet, Spricht ihn das holde Gleichmaß an. Der Schönheit goldner Gürtel webet Sich mild in seine Lebensbahn; Die selige Vollendung schwebet In euren Werken siegend ihm voran. Wohin die laute Freude eilet, Wohin der stille Kummer flieht, Wo die Betrachtung denkend weilet, Wo er des Elends Thränen sieht, Wo tausend Schrecken auf ihn zielen, Folgt ihm ein Harmonieenbach, Sieht er die Huldgöttinnen spielen Und ringt in still verfeinerten Gefühlen Der lieblichen Begleitung nach. Sanft, wie des Reizes Linien sich winden, Wie die Erscheinungen um ihn In weichem Umriß in einander schwinden, Flieht seines Lebens leichter Hauch dahin. Sein Geist zerrinnt im Harmonieenmeere, Das seine Sinne wollustreich umfließt, Und der hinschmelzende Gedanke schließt Sich still an die allgegenwärtige Cythere. Mit dem Geschick in hoher Einigkeit, Gelassen hingestützt auf Grazien und Musen, Empfängt er das Geschoß, das ihn bedräut, Mit freundlich dargebotnem Busen Vom sanften Bogen der Nothwendigkeit. Vertraute Lieblinge der sel'gen Harmonie, Erfreuende Begleiter durch das Leben, Das Edelste, das Theuerste, was sie, Die Leben gab, zum Leben uns gegeben! Daß der entjochte Mensch jetzt seine Pflichten denkt, Die Fessel liebet, die ihn lenkt, Kein Zufall mehr mit ehrnem Scepter ihm gebeut, Dies dankt euch -- eure Ewigkeit Und ein erhabner Lohn in eurem Herzen. Daß um den Kelch, worin uns Freiheit rinnt, Der Freude Götter lustig scherzen, Der holde Traum sich lieblich spinnt, Dafür seid liebevoll umfangen! Dem prangenden, dem heitern Geist, Der die Nothwendigkeit mit Grazie umzogen, Der seinen Äther, seinen Sternenbogen Mit Anmuth uns bedienen heißt, Der, wo er schreckt, noch durch Erhabenheit entzücket Und zum Verheeren selbst sich schmücket, Dem großen Künstler ahmt ihr nach. Wie auf dem spiegelhellen Bach Die bunten Ufer tanzend schweben, Das Abendroth, das Blüthenfeld, So schimmert auf dem dürft'gen Leben Der Dichtung muntre Schattenwelt. Ihr führet uns im Brautgewande Die fürchterliche Unbekannte, Die unerweichte Parze vor. Wie eure Urnen die Gebeine, Deckt ihr mit holdem Zauberscheine Der Sorgen schauervollen Chor. Jahrtausende hab' ich durcheilet, Der Vorwelt unabsehlich Reich: Wie lacht die Menschheit, wo ihr weilet! Wie traurig liegt sie hinter euch! Die einst mit flüchtigem Gefieder Voll Kraft aus euren Schöpferhänden stieg, In eurem Arm fand sie sich wieder, Als durch der Zeiten stillen Sieg Des Lebens Blüthe von der Wange, Die Stärke von den Gliedern wich, Und traurig, mit entnervtem Gange, Der Greis an seinem Stabe schlich. Da reichtet ihr aus frischer Quelle Dem Lechzenden die Lebenswelle; Zweimal verjüngte sich die Zeit, Zweimal von Samen, die ihr ausgestreut. Vertrieben von Barbarenheeren, Entrisset ihr den letzten Opferbrand Des Orients entheiligten Altären Und brachtet ihn dem Abendland. Da stieg der schöne Flüchtling aus dem Osten, Der junge Tag, im Westen neu empor, Und auf Hesperiens Gefilden sproßten Verjüngte Blüthen Ioniens hervor. Die schönere Natur warf in die Seelen Sanft spiegelnd einen schönen Wiederschein, Und prangend zog in die geschmückten Seelen Des Lichtes große Göttin ein. Da sah man Millionen Ketten fallen, Und über Sklaven sprach jetzt Menschenrecht; Wie Brüder friedlich mit einander wallen, Wo mild erwuchs das jüngere Geschlecht. Mit innrer hoher Freudenfülle Genießt ihr das gegebne Glück Und tretet in der Demuth Hülle Mit schweigendem Verdienst zurück. Wenn auf des Denkens freigegebnen Bahnen Der Forscher jetzt mit kühnem Blicke schweift Und, trunken von siegrufenden Päanen, Mit rascher Hand schon nach der Krone greift; Wenn er mit niederm Söldnerslohne Den edeln Führer zu entlassen glaubt Und neben dem geträumten Throne Der Kunst den ersten Sklavenplatz erlaubt: -- Verzeiht ihm -- der Vollendung Krone Schwebt glänzend über eurem Haupt. Mit euch, des Frühlings erster Pflanze, Begann die seelenbildende Natur; Mit euch, dem freud'gen Erntekranze, Schließt die vollendende Natur. Die von dem Thon, dem Stein bescheiden aufgestiegen, Die schöpferische Kunst, umschließt mit stillen Siegen Des Geistes unermeßnes Reich. Was in des Wissens Land Entdecker nur ersiegen, Entdecken sie, ersiegen sie für euch. Der Schätze, die der Denker aufgehäufet, Wird er in euren Armen erst sich freun, Wenn seine Wissenschaft, der Schönheit zugereifet, Zum Kunstwerk wird geadelt sein -- Wenn er auf einen Hügel mit euch steiget Und seinem Auge sich, in mildem Abendschein, Das malerische Thal -- auf einmal zeiget. Je reicher ihr den schnellen Blick vergnüget, Je höhre, schönre Ordnungen der Geist In einem Zauberbund durchflieget, In einem schwelgenden Genuß umkreist; Je weiter sich Gedanken und Gefühle Dem üppigeren Harmonieenspiele, Dem reichern Strom der Schönheit aufgethan -- Je schönre Glieder aus dem Weltenplan, Die jetzt verstümmelt seine Schöpfung schänden, Sieht er die hohen Formen dann vollenden, Je schönre Räthsel treten aus der Nacht, Je reicher wird die Welt, die er umschließet, Je breiter strömt das Meer, mit dem er fließet, Je schwächer wird des Schicksals blinde Macht, Je höher streben seine Triebe, Je kleiner wird er selbst, je größer seine Liebe. So führt ihn, in verborgnem Lauf, Durch immer reinre Formen, reinre Töne, Durch immer höhre Höhn und immer schönre Schöne Der Dichtung Blumenleiter still hinauf -- Zuletzt, am reifen Ziel der Zeiten, Noch eine glückliche Begeisterung, Des jüngsten Menschenalters Dichterschwung, Und -- in der Wahrheit Arme wird er gleiten. Sie selbst, die sanfte Cypria, Umleuchtet von der Feuerkrone, Steht dann vor ihrem münd'gen Sohne Entschleiert -- als Urania, So schneller nur von ihm erhaschet, Je schöner er von ihr geflohn! So süß, so selig überraschet Stand einst Ulysses edler Sohn, Da seiner Jugend himmlischer Gefährte Zu Jovis Tochter sich verklärte. Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, Bewahret sie! Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben! Der [Dichtung]1 heilige Magie Dient einem weisen Weltenplane, Still lenke sie zum Oceane Der großen Harmonie! Von ihrer Zeit verstoßen, flüchte Die ernste Wahrheit zum Gedichte Und finde Schutz in der Camönen Chor. In ihres Glanzes höchster Fülle, Furchtbarer in des Reizes Hülle, Erstehe sie in dem Gesange Und räche sich mit Siegesklange An des Verfolgers feigem Ohr. Der freisten Mutter freie Söhne, Schwingt euch mit festem Angesicht Zum Strahlensitz der höchsten Schöne! Um andre Kronen buhlet nicht! [Die Schwester, die euch hier verschwunden, Holt ihr im Schooß der Mutter ein; Was schöne Seelen schön empfunden, Muß trefflich und vollkommen sein. Erhebet euch mit kühnem Flügel Hoch über euren Zeitenlauf! Fern dämmre schon in eurem Spiegel Das kommende Jahrhundert auf.]2 Auf tausendfach verschlungnen Wegen Der reichen Mannigfaltigkeit Kommt dann umarmend euch entgegen Am Thron der hohen Einigkeit! [Wie sich in sieben milden Strahlen Der weiße Schimmer lieblich bricht, Wie sieben Regenbogenstrahlen Zerrinnen in das weiße Licht: So spielt in tausendfacher Klarheit Bezaubernd um den trunknen Blick, So fließt in einem Bund der Wahrheit, In einem Strom des Lichts zurück!]2
F. Mendelssohn sets stanzas 30-32
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View original text (without footnotes)1 Mendelssohn: "Künste"
2 omitted by Mendelssohn.
Authorship:
- by Friedrich von Schiller (1759 - 1805), "Die Künstler" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Eduard Lassen (1830 - 1904), "Die Künstler", op. 56, published 1875 [ four-part men's chorus a cappella ] [sung text not yet checked]
- by Felix Mendelssohn (1809 - 1847), "Festgesang an die Künstler", op. 68, MVW D6, published 1846, stanzas 30-32 [ male voices, four-part men's chorus and brass ], Bonn: N. Simrock; confirmed with Mendelssohns Werke, ed. by Julius Rietz, Serie 15, Grössere weltliche Gesangwerke, no. 119, 1874-1882, Leipzig: Breitkopf & Härtel [sung text checked 1 time]
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