Hold' Ännchen sass am Rädchen und spann; Lieb' Wilhelm sass daneben und sann. Was spinnst du denn so emsiglich? Was sinnst du denn und härmest dich? Hat immer noch Zeit mit der Sorg' und Müh', Die kommen am letzten der Tage zu früh! Ich hab' ein Myrthenstöckchen so grün, Schon öffnen sich die Knöspchen zum Blüh'n. Was bist du denn so grün, du Reis, Was seid ihr Blüthen denn so weiss! Hab' viel noch zu spinnen vom silbernen Lein; Drum wünscht' ich, ihr bliebt in der Hülle noch drein! Du drehst und spinnst nur immer ohn' Ruh', Die Knospen meinen's besser, als du. Sie schmücken sich mit weissem Flor Und blicken mahnend schon hervor: Er ist ja gekommen der sonnige Mai, Bald eilen die flüchtigen Stunden vorbei. Da riss der zarte Faden entzwei; Sie küsst' ihn heiss und sagte: "es sei!" Das hörten drin die Blüthen bald Und drängten vor mit Allgewalt. Das Sehnen, die Träume, die wurden nun wahr, Sie flocht sich den bräutlichen Kranz in das Haar.
Zwei Gesänge mit Begleitung des Pianoforte , opus 13
by Johannes Dürrner (1810 - 1859)
2. Braut und Brätigam
Language: German (Deutsch)