Meine Seele soll so ruhig bleiben wie der Wipfel dort in blauer Abendluft; nie mehr soll sie wie im Sturme treiben, bis die Silberglocke sie zum Schlummer ruft. Denn der Ruhe tiefer Andachtsfrieden ist das letzte, was die Menschenbrust ersehnt: Wenn das Teuerste dahingeschieden, küsst sie sanft das Auge, das der Schmerz betränt. Majestätisch thront sie über allen Weltenstürmen fort und immerfort, lächelnd bei der Waffen Donnerschallen, denn ihr bleibt das letzte, lautlose Herrscherwort.
7 Gesänge , opus 105
by Adolf Wallnöfer (1854 - 1946)
1. Ruhe
Language: German (Deutsch)
2. Auf winterlichem Felde
Language: German (Deutsch)
Mir ist, als ob auf dieser Flur das ganze Totenreich mich grüßte! In starrem Schlafe liegt die Welt, und nur der Strom rauscht rastlos durch die Wüste. So eilt in ew'ger Wachsamkeit, wenn wir uns auch zur Ruhe legen, der Allgedanke durch den Tod der Zeit dem großen Schöpfungsziel entgegen.
3. Die Tannen
Language: German (Deutsch)
Ihr Tannen meiner Kindheit, steht ihr noch und wartet dort auf euren Wiesen, wo die Goldaurikel blüht? Ihr Tannen meiner Kindheit, werdet ihr mich dann noch kennen, wenn ich komme, wenn mein Weg zurück mich führt? Ihr rauscht dann rot im Bergwind noch wie einst, doch and're Kinder spielen unter euch mit blauem Sehnsuchtsaug', und ander'n Kindern rauscht ihr Tannenglück, mir aber schüttelt ihr das ernste Haupt und kennt den Fremden nicht. Denn keine Sehnsucht hab' ich aufbewahrt, und nur der Sehnsucht singt ihr euer Lied, der Kinder Sehnsucht nur.
4. Beim Trinken
Language: German (Deutsch)
Darf ich dich kränken, Geselle, wenn der Wein dir lacht, dass er nicht nur helle, dass er auch trunken macht? Ei, du Jammergebärde! Lustig, und hab' Vertrau'n; wanken muss die Erde, sollst du den Himmel schau'n!
5. Vorfrühling
Language: German (Deutsch)
Dämmerdunkel rings umher, über öde Wintergrüfte breitet seine schwülen Lüfte Frühlingsabend dumpf und schwer. Wo der Schnee gelastet lang', soll erwachen neues Leben, doch die Erde, statt zu geben, harrt und sinnt noch trüb und bang. Denkt sie, wie versunken sind ihre Märze, ihre Maien? Zögert sie, dem Tod zu weihen auch ihr jüngstes, liebstes Kind?
6. Herdflammen
Language: German (Deutsch)
Wenn ich hier am flackernden Kamine tiefer in mein Träumen mich verlor, sprüh'n wie glühend Gold und Lichtrubine längst entschwund'ne Bilder mir hervor: Bilder schwärmerischer, süßer Liebe, wunderbare Märchenmelodien; in der Welt ernüchterndem Getriebe mussten sie verklingen und verglüh'n! Ist nicht auch das Irdische verglommen, eh' wir's denken, in die Nacht verzehrt? Diese Träume, die uns überkommen, sind vielleicht des Lebens einz'ger Wert.
7. Fahrt durch die Welt
Language: German (Deutsch)
Und so fahren wir immerzu durch der Bäume bräutliches Blüh'n, durch das blumenäugige Grün, durch das sonnige, saftende Saatenfeld; o Bruder, wie schön ist die Welt! Und so fahren wir immerzu durch der Gärten reifende Frucht, durch des Eichwalds ruhende Wucht, durch der Blitze zuckende Wetterpracht, durch die friedliche Sommernacht. Und so fahren wir immerzu durch des Spätwinds fröstelndes Weh'n, durch das fahle, das bange Vergeh'n; hüll' dich ein, hüll', Bruder, dich ein, denn gefahren, gefahren muss sein! Und so fahren wir immerzu durch den Schnee, durch das starrende Eis, wo kein Leben vom Leben mehr weiß, in den Tod, in den grauenden Tod, in der Sehnsucht verglühendem Rot ... Schlaf' nun ein, schlafe ruhig nun ein, denn du fuhrst, und du fuhrst nicht allein. Und so fuhren wir, und so fahren wir immerzu!