Schweigt, ihr ernsten Glocken, schweiget! Still, Getümmel nah und fern! Von dem hohen Himmel steiget die geweihte Nacht des Herrn! Droben wohnt das klare Licht, hier auf Erden ist es nicht. Geist empor! Mein Herz nach oben! Lasset uns den Vater loben! Von des ew'gen Lichtes Throne, in ein Pilgerkleid gehüllt, kommt, dass er auf Erden wohne, er, des Vaters Ebenbild. Heilige, geweihte Nacht, die das Kindlein uns gebracht, dir ertönen uns're Lieder, schweb', o schwebe sanft hernieder!
Sechs Lieder mir Clavierbegleitung aus Luise Thalheim, Eine Bildungsgeschichte für gute Töchter
by Johann Adam Anthes (1789 - 1843)
1. Die geweihte Nacht
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- by Christian Wilhelm Spieker (1780 - 1858), "Die geweihte Nacht", appears in Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter, first published 1816
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Confirmed with Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter von Dr. C. W. Spieker, Leipzig, 1816.
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2. Luise zu Emilie an einem Sommerabend
Der schöne Tag, o Freundin, sinkt; ihm folgt ein schöner Abend. Wie rot er durch die Bäume blinkt, die Flur mit Kühlung labend! So sink' auch uns der Jugend Tag, so folge mild der Abend nach! Des blauen Himmels gold'ner Saum erbebt im Wellenspiegel; o sieh! es beben Schilf und Baum, es bebt der rote Hügel. So sei der Schönheit Widerschein in edler Seel' uns klar und rein! Um Lager, Haus und Nest gesellt die Dämm'rung Freund' und Gatten; zur Ruhe kehrt man über Feld und grüßt vertraut im Schatten. Wir, schwesterlich auf stiller Bank, wir freuen uns und singen Dank. Wir freuen uns und hören gern, wo etwas mit sich freuet. Du, Nachtigall, lobsinge fern! Ihr Hirten dort, schalmeiet! Und schweigen Hirt' und Nachtigall, so freu'n wir uns am Widerhall.
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- by Christian Wilhelm Spieker (1780 - 1858), "Luise zu Emilie an einem Sommerabend", appears in Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter, first published 1816
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3. Die Tonkunst
Holde Tonkunst, deine Freuden singt mein jugendliches Lied; sanfte Trösterin in Leiden, der mein ganzes Herz erglüht, wie erheitert sich die Seele, wenn dein Saitenspiel erklingt, und aus zauberischer Kehle süßer Lieder Wohlklang dringt! O wie fühl' ich tief im Herzen deiner Töne Wunderkraft! Du magst trauren oder scherzen, dir weicht jede Leidenschaft. Welch ein seliges Vergnügen, das du mir, o Tonkunst, schenkst, wenn mit zauberischen Zügen du der Seele Andacht lenkst! Hebt sich nicht im Lobgesange froh das Herz zu Gott empor? Leiht nicht frommer Lieder Klange gern der Gläubige sein Ohr? Glücklich, wen in früher Jugend, Tonkunst, schon dein Reiz gerührt und zur Unschuld wie zur Tugend mächtiger ihn hingeführt. Wenn bei deinem Saitenspiele Gellerts frommes Lied erklang und die edelsten Gefühle in die zarte Seele sang! Darum sollen schöne Lieder immerdar mein Herz erfreu'n und mit jedem Morgen wieder dir das neue Leben weih'n.
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- by Christian Wilhelm Spieker (1780 - 1858), "Die Tonkunst", appears in Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter, first published 1816
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Researcher for this page: Johann Winkler4. An das Mitleid
Mitleid, heil dir, du Geweihte! Weichen Herzens, milder Hand wallst du an des Dulders Seite durch der Prüfung rauhes Land, taust wie Balsam milde Zähren, hebest das zerknickte Rohr. Wie zu Gottes Hochaltären blickt die Not zu dir empor. Deine Hilfe stillt ihr Flehen, dein Erbarmen eilt zur Tat. Elend suchst du auszuspähen, spendest, wenn das Unglück bat, reichst den Brüdern, welche darben, deines Tagewerks Gewinn, bindest loser deine Garben vor der Ährenleserin. In verarmter Witwen Krüge schüttest du der Stärkung Wein, prägst des Lächelns heit're Züge abgehärmten Wangen ein, hebst des matten Wand'rers Bürde auf den tiefbeschneiten Damm und verpflegst in sich'rer Hürde deines Nachbarn irres Lamm. Du erwärmst in sanfter Rührung auch der Selbstsucht starres Eis, warnst vor lockender Verführung, vor des Lasters trüglich Gleis, neigest dich mit leisem Trösten an der Schwermut dumpfes Ohr, hebst entfesselt den Erlösten von des Kerkers Stroh empor. Herzen, die der Harm zerrissen, hegst du mit besorgter Treu', rückest der Geduld das Kissen auf des Schmerzenslagers Streu, schonst des süßen Schlafs auf Socken, kühlst ihn mit dem Palmenreis, trocknest mit den weichen Locken banger Todeskämpfe Schweiß. Bleib' bei uns, bis einst die Hefe in dem Tränenkelch versiegt, kränze bleicher Trübsal Schläfe, die an deinen Schoß sich schmiegt. Herze sie mit Mutterarmen, sei umstürmter Pflänzchen Stab, die das ewige Erbarmen dir zur Pflege übergab!
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- by Christian Wilhelm Spieker (1780 - 1858), "An das Mitleid", appears in Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter, first published 1816
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Note provided by Johann Winkler: the deviation from the original text in the score of the song by Anthes in stanza 5, line 5, word 3 ("siechen" to "süßen") alters and misunderstands the meaning of this section. The combination "süßer Schlaf" (sweet sleep) is a fixed topos in poetry, but here "siecher Schlaf" means the sleep of the sick, which is easily disturbed by any noise, and is the reason Mitleid (compassion) goes in socks, without shoes.
Researcher for this page: Johann Winkler5. Abschied vom Sommer
Das Laub fällt von den Bäumen, das grüne, zarte Laub; das Leben mit seinen Träumen zerfällt in Asch' und Staub. Die Vöglein im Walde sangen; wie schweigt der Wald jetzt still! Die Lieb' ist fortgegangen, kein Vöglein singen will. Die Liebe kehrt wohl wieder im künft'gen lieben Jahr, und alles tönt dann wieder, was hier verklungen war. Der Winter sei willkommen, sein Kleid ist rein und neu! Den Schmuck hat er genommen, den Keim bewahrt er treu.
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- by Christian Wilhelm Spieker (1780 - 1858), "Abschied vom Sommer", appears in Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter, first published 1816
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Confirmed with Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter von Dr. C. W. Spieker, Leipzig, 1816.
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6. Taubenliedchen
Du kleiner Schlag voll Tauben, wie bin ich dir so hold! Dich ließ' ich mir nicht rauben um vieles blankes Gold. Fand irgend noch ein Bettchen hienieden Lieb' und Ruh', ist's hinter deinem Brettchen, du liebes Häuschen du. Einmütiglich, wie Schwestern und Brüder, siedelt froh das kleine Volk in Nestern von leichtgeflocht'nem Stroh, wärmt seine kleinen Eier mit Lieb' und Treue d'rin, sucht Körnchen vor der Scheuer und rauscht zum Brunnen hin. Voll Mordlust, wie der Parder, mit räuberischem Zahn schleicht abends oft der Marder vom Kirchenturm heran und schnobert um die Klappe. O Schelm, nimm dich in Acht, dass Spitz dich nicht ertappe, der Haus und Hof bewacht. Nein, Täubchen, ihn gelüstet umsonst nach Raub und Mord. Seid unverzagt und nistet in eurem Häuschen fort. Vom Lärm der Welt geschieden bescher' und Gott wie euch ein Herz, an sanftem Frieden, an treuer Liebe reich!
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- by Christian Wilhelm Spieker (1780 - 1858), "Taubenliedchen", appears in Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter, first published 1816
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Confirmed with Louise Thalheim, eine Bildungsgeschichte für gute Töchter von Dr. C. W. Spieker, Leipzig, 1816.
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