Difference(s) between text #128901 and text #14452
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1 | 1 | Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich | Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich |
2 | 2 | Möros, den Dolch im Gewande; | Möros, den Dolch im Gewande; |
3 | 3 | Ihn schlugen die Häscher in Bande. | Ihn schlugen die Häscher in Bande. |
4 | 4 | »Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!« | »Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!« |
5 | 5 | Entgegnet ihm finster der Wütherich. - | Entgegnet ihm finster der Wütherich. - |
6 | 6 | »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« - | »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« - |
7 | 7 | »Das sollst du am Kreuze bereuen.« - | »Das sollst du am Kreuze bereuen.« - |
8 | 8 | ||
9 | 9 | »Ich bin,« spricht Jener, »zu sterben bereit | »Ich bin,« spricht Jener, »zu sterben bereit |
10 | 10 | Und bitte nicht um mein Leben; | Und bitte nicht um mein Leben; |
11 | 11 | Doch, willst du Gnade mir geben - | Doch, willst du Gnade mir geben - |
12 | 12 | Ich flehe dich um drei Tage Zeit, | Ich flehe dich um drei Tage Zeit, |
13 | 13 | Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit - | Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit - |
14 | 14 | Ich lasse den Freund dir als Bürgen, | Ich lasse den Freund dir als Bürgen, |
15 | 15 | Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.« | Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.« |
16 | 16 | ||
17 | 17 | Da lächelt der König mit arger List | Da lächelt der König mit arger List |
18 | 18 | Und spricht nach kurzem Bedenken: | Und spricht nach kurzem Bedenken: |
19 | 19 | »Drei Tage will ich dir schenken; | »Drei Tage will ich dir schenken; |
20 | 20 | Doch, wisse! wenn sie verstrichen, die Frist, | Doch, wisse! wenn sie verstrichen, die Frist, |
21 | 21 | Eh' du zurück mir gegeben bist, | Eh' du zurück mir gegeben bist, |
22 | 22 | So muß er statt deiner erblassen, | So muß er statt deiner erblassen, |
23 | 23 | Doch dir ist die Strafe erlassen.« | Doch dir ist die Strafe erlassen.« |
24 | 24 | ||
25 | 25 | Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut, | Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut, |
26 | 26 | Daß ich am Kreuz mit dem Leben | Daß ich am Kreuz mit dem Leben |
27 | 27 | Bezahle das frevelnde Streben; | Bezahle das frevelnde Streben; |
28 | 28 | Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, | Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, |
29 | 29 | Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit: | Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit: |
30 | 30 | So bleib | So bleib' du dem König zum Pfande, |
31 | 31 | Bis ich komme, zu lösen die Bande.« | Bis ich komme, zu lösen die Bande.« |
32 | 32 | ||
33 | 33 | Und schweigend umarmt ihn der treue Freund | Und schweigend umarmt ihn der treue Freund |
34 | 34 | Und, liefert sich aus dem Tyrannen; | Und, liefert sich aus dem Tyrannen; |
35 | 35 | Der andre zieht von dannen. | Der andere ziehet von dannen. |
36 | 36 | Und, eh | Und, ehe das dritte Morgenroth scheint, |
37 | 37 | Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, | Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, |
38 | 38 | Eilt heim mit sorgender Seele, | Eilt heim mit sorgender Seele, |
39 | 39 | Damit er die Frist nicht verfehle. | Damit er die Frist nicht verfehle. |
40 | 40 | ||
41 | 41 | Da gießt unendlicher Regen herab, | Da gießt unendlicher Regen herab, |
42 | 42 | Von den Bergen stürzen die Quellen | Von den Bergen stürzen die Quellen, |
43 | 43 | Und die Bäche, die Ströme schwellen. | Und die Bäche, die Ströme schwellen. |
44 | 44 | Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab - | Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab - |
45 | 45 | Da reißet die Brücke der Strudel hinab, | Da reißet die Brücke der Strudel hinab, |
46 | 46 | Und donnernd sprengen die Wogen | Und donnernd sprengen die Wogen |
47 | 47 | Des Gewölbes krachenden Bogen. | Des Gewölbes krachenden Bogen. |
48 | 48 | ||
49 | 49 | Und trostlos irrt er an Ufers Rand: | Und trostlos irrt er an Ufers Rand: |
50 | 50 | Wie weit er auch spähet und blicket | Wie weit er auch spähet und blicket |
51 | 51 | Und die Stimme, die rufende, schickt, | Und die Stimme, die rufende, schicket, |
52 | 52 | Da stößt kein Nachen vom sichern Strand, | Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, |
53 | 53 | Der ihn setze an das gewünschte Land, | Der ihn setze an das gewünschte Land, |
54 | 54 | Kein Schiffer lenket die Fähre, | Kein Schiffer lenket die Fähre, |
55 | 55 | Und der wilde Strom wird zum Meere. | Und der wilde Strom wird zum Meere. |
56 | 56 | ||
57 | 57 | Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, | Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, |
58 | 58 | Die Hände zum Zeus erhoben: | Die Hände zum Zeus erhoben: |
59 | 59 | »O, hemme des Stromes Toben! | »O, hemme des Stromes Toben! |
60 | 60 | Es eilen die Stunden, im Mittag steht | Es eilen die Stunden, im Mittag steht |
61 | 61 | Die Sonne, und wenn sie niedergeht, | Die Sonne, und wenn sie niedergeht, |
62 | 62 | Und ich kann die Stadt nicht erreichen, | Und ich kann die Stadt nicht erreichen, |
63 | 63 | So muß der Freund mir erbleichen.« | So muß der Freund mir erbleichen.« |
64 | 64 | ||
65 | 65 | Doch wachsend erneut sich des Stromes | Doch wachsend erneut sich des Stromes Wuth, |
66 | 66 | Und Welle auf Welle zerrin | Und Welle auf Welle zerrinet, |
67 | 67 | Und Stunde an Stunde entrinnet, | Und Stunde an Stunde entrinnet, |
68 | 68 | Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Muth | Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Muth |
69 | 69 | Und wirft sich hinein in die brausende Flut | Und wirft sich hinein in die brausende Flut |
70 | 70 | Und theilt mit gewaltigen Armen | Und theilt mit gewaltigen Armen |
71 | 71 | Den Strom - und ein Gott hat Erbarmen - | Den Strom - und ein Gott hat Erbarmen - |
72 | 72 | ||
73 | 73 | Und gewinnt das Ufer und eilet fort | Und gewinnt das Ufer und eilet fort |
74 | 74 | Und danket dem rettenden Gotte; | Und danket dem rettenden Gotte; |
75 | 75 | Da stürzet die raubende Rotte | Da stürzet die raubende Rotte |
76 | 76 | Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, | Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, |
77 | 77 | Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord | Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord |
78 | 78 | Und hemmet des Wanderers Eile | Und hemmet des Wanderers Eile |
79 | 79 | Mit drohend geschwungener Keule. | Mit drohend geschwungener Keule. |
80 | 80 | ||
81 | 81 | »Was wollt ihr?« ruft er, vor Schrecken bleich, | »Was wollt ihr?« ruft er, vor Schrecken bleich, |
82 | 82 | »Ich habe nichts, als mein Leben, | »Ich habe nichts, als mein Leben, |
83 | 83 | Das muß ich dem Könige geben!« | Das muß ich dem Könige geben!« |
84 | 84 | Und entreißt die Keule dem Nächsten gleich: | Und entreißt die Keule dem Nächsten gleich: |
85 | 85 | »Um des Freundes willen, erbarmt euch!« | »Um des Freundes willen, erbarmet euch!« |
86 | 86 | Und Drei, mit gewaltigen Streichen, | Und Drei, mit gewaltigen Streichen, |
87 | 87 | Erlegt er, die Andern entweichen. | Erlegt er, die Andern entweichen. |
88 | 88 | ||
89 | 89 | Und die Sonne versendet glühenden Brand, | Und die Sonne versendet glühenden Brand, |
90 | 90 | Und, von der unendlichen Mühe | Und, von der unendlichen Mühe |
91 | 91 | Ermattet, sinken die Knie - | Ermattet, sinken die Knie - |
92 | 92 | »O, hast du mich gnädig aus Räubershand, | »O, hast du mich gnädig aus Räubershand, |
93 | 93 | Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, | Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, |
94 | 94 | Und soll hier verschmachtend verderben, | Und soll hier verschmachtend verderben, |
95 | 95 | Und der Freund mir, der liebende, sterben!« | Und der Freund mir, der liebende, sterben!« |
96 | 96 | ||
97 | 97 | Und, horch'! da sprudelt es silberhell, | Und, horch'! da sprudelt es silberhell, |
98 | 98 | Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, | Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, |
99 | 99 | Und stille hält er, zu lauschen, | Und stille hält er, zu lauschen, |
100 | 100 | Und, sieh', aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, | Und, sieh', aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, |
101 | 101 | Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, | Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, |
102 | 102 | Und freudig bückt er sich nieder | Und freudig bückt er sich nieder |
103 | 103 | Und erfrischet die brennenden Glieder. | Und erfrischet die brennenden Glieder. |
104 | 104 | ||
105 | 105 | Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün | Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün |
106 | 106 | Und malt auf den glänzenden Matten | Und malt auf den glänzenden Matten |
107 | 107 | Der Bäume gigantische Schatten; | Der Bäume gigantische Schatten; |
108 | 108 | Und zwei Wandrer sieht er die Straße ziehn, | Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, |
109 | 109 | Will eilenden Laufes vorüber fliehn, | Will eilenden Laufes vorüber fliehn, |
110 | 110 | Da hört er die Worte sie sagen: | Da hört er die Worte sie sagen: |
111 | 111 | »Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.« | »Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.« |
112 | 112 | ||
113 | 113 | Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, | Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, |
114 | 114 | Ihn jagen der Sorge Qualen, | Ihn jagen der Sorge Qualen, |
115 | 115 | Da schimmern in Abendroths Strahlen | Da schimmern in Abendroths Strahlen |
116 | 116 | Von ferne die Zinnen von Syrakus, | Von ferne die Zinnen von Syrakus, |
117 | 117 | Und entgegen kommt ihm Philostratus, | Und entgegen kommt ihm Philostratus, |
118 | 118 | Des Hauses redlicher Hüter, | Des Hauses redlicher Hüter, |
119 | 119 | Der erkennet entsetzt den Gebieter: | Der erkennet entsetzt den Gebieter: |
120 | 120 | ||
121 | 121 | »Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, | »Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, |
122 | 122 | So rette das eigene Leben! | So rette das eigene Leben! |
123 | 123 | Den Tod erleidet er eben. | Den Tod erleidet er eben. |
124 | 124 | Von Stunde zu Stunde gewartet' er | Von Stunde zu Stunde gewartet' er |
125 | 125 | Mit hoffender Seele der Wiederkehr, | Mit hoffender Seele der Wiederkehr, |
126 | 126 | Ihm konnte den muthigen Glauben | Ihm konnte den muthigen Glauben |
127 | 127 | Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.« - | Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.« - |
128 | 128 | ||
129 | 129 | »Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht | »Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht |
130 | 130 | Ein Retter willkommen erscheinen, | Ein Retter willkommen erscheinen, |
131 | 131 | So soll mich der Tod | So soll mich der Tod ihm vereinen. |
132 | 132 | Deß rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, | Deß rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, |
133 | 133 | Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, | Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, |
134 | 134 | Er schlachte der Opfer zweie | Er schlachte der Opfer zweie |
135 | 135 | Und glaube an Lieb und Treue!« | Und glaube an Liebe und Treue!« |
136 | 136 | ||
137 | 137 | Und die Sonne geht unter - da steht er am Thor | Und die Sonne geht unter - da steht er am Thor |
138 | 138 | Und sieht das Kreuz schon erhöht, | Und sieht das Kreuz schon erhöhet, |
139 | 139 | Das die Menge gaffend umstehet; | Das die Menge gaffend umstehet; |
140 | 140 | An dem Seile schon zieht man den Freund empor, | |
141 | 141 | Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: | Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: |
142 | 142 | »Mich, Henker«, ruft er, »erwürget! | »Mich, Henker«, ruft er, »erwürget! |
143 | 143 | Da bin ich, für den er gebürget!« | Da bin ich, für den er gebürget!« |
144 | 144 | ||
145 | 145 | Und Erstaunen ergreift das Volk umher, | Und Erstaunen ergreift das Volk umher, |
146 | 146 | In den Armen liegen sich Beide | In den Armen liegen sich Beide |
147 | 147 | Und weinen vor Schmerzen und Freude. | Und weinen vor Schmerzen und Freude. |
148 | 148 | Da sieht man kein Augen thränenleer, | Da sieht man kein Augen thränenleer, |
149 | 149 | Und zum König bringt man die Wundermähr'; | Und zum Könige bringt man die Wundermähr'; |
150 | 150 | Der fühlt ein menschlich Rühren, | Der fühlt ein menschliches Rühren, |
151 | 151 | Läßt schnell vor den Thron sie führen - | Läßt schnell vor den Thron sie führen - |
152 | 152 | ||
153 | 153 | Und blickt sie lange verwundert an. | Und blicket sie lange verwundert an. |
154 | 154 | Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen, | Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen, |
155 | 155 | Ihr habt das Herz mir bezwungen, | Ihr habt das Herz mir bezwungen, |
156 | 156 | Und die Treue ist doch kein leerer Wahn, | Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, |
157 | 157 | So nehmt auch mich zum Genossen an: | So nehmet auch mich zum Genossen an: |
158 | 158 | Ich sey, gewährt mir die Bitte, | Ich sey, gewährt mir die Bitte, |
159 | 159 | In eurem Bunde der Dritte!« | In eurem Bunde der Dritte!« |
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