by Anonymous / Unidentified Author
Die Herbstnacht
Language: German (Deutsch)
Des Mondes Silberscheibe rollt durchs dunkle Blau der Luft. Der Sternlein Licht, wie mattes Gold, durchdringt den Nebelduft, und düst're Wolkenschatten zieh'n hinab ins stille Tal, und schimmernd braust der Bach dahin im bleichen Silberstrahl. Wie prangt mein Lieblingsfelsen hier in glänzend brauner Tracht! Wie wohl und ach, wie bang' wird mir, hinstarrend in die Nacht! Wie schauernd aus dem Waldrevier die Bergluft mich umspielt! Die Gegend liegt so trüb vor mir, wie ein verwischtes Bild. Und schaurig still ist's rund umher, nur tönt der Widerhall; der Wind treibt murmelnd vor sich her der welken Blätter Fall. Ach, Wind und Echo und der Bach, der tief im Tale fließt, ist alles, was mit mir noch wach in dieser Gegend ist. Und horch! Im nahen Städtchen klang der zwölfte Zeigerschlag; leis' singt ihm noch am düster'n Hang die Felsentochter nach. Durch aller Wesen Nerven drang die Zauberkraft der Ruh'; dem Vogel, der jetzt träumend sang, fiel längst das Auge zu. Den Jüngling nur hält Liebe wach und holde Träumerei; das süße Wort, das sie mir sprach: Ob's wahr, ob's Täuschung sei? „Ach, lieber, lieber junger Mann, ach wär' ich doch bei dir! Den meine Seele liebgewann, ach wär' ich doch bei dir!“ So schrieb die Hand, die wonniglich mich unlängst noch umfing, als herzbeklemmt und weinend ich schwerscheidend von ihr ging. Und ach! Ich gin g so weiten Weg, allein und fern von ihr! Durch Berg und Tal und Waldgeheg' ging Trübsinn nur mit mir. Noch hat, seitdem ich von ihr schied, kein Stündlein mich vergnügt, noch hat kein süßes Schlummerlied dies Herz in Ruh' gewiegt. Der Sehnsucht stille Trän' ergoss sich stets vom Auge mir, und der bedrängten Brust entfloss der Seufzer: Wärst du hier! Hervor sich mancher Zweifel wand aus düst'rer Fantasei: Ob sie, getrennt durch weites Land, noch treu und hold mir sei? Und keiner war, der trösten kam und fühlte Sympathie, und nirgends war, was meinem Gram nur Linderung verlieh. Ich schloss mich ein und eilte bald in freiere Natur, fand selbst am Fels im Buchenwald vom Troste keine Spur. Da kam ein Brief, so liebevoll, goss Balsam in die Brust, und eine volle Trän' entquoll dem Aug' aus Himmelslust. Ich ging heraus, am Felsen hier der Freude mich zu weih'n; allein trug ich den Gram in mir, allein will ich mich freu'n. Und wär' die Nacht auch schwarz und wild, sie machte mir nicht Graus; es ging ja der Geliebten Bild sanft winkend mir voraus. Ihr Bildnis, wie der Mond so schön, der hehr vom Himmel strahlt, umgaukelt mich im Abendweh'n, so zauberisch gemalt. Es lispelt und es winkt so mild aus Tälern und von Höh'n, doch mag ich nach dem Truggebild nicht fernerhin mehr geh'n. Denn ewig fest, unwandelbar ist's hier im Herzen doch! So engelschön und sonnenklar hält's mich im süßen Joch. Es leitet mich so sanft und leicht der Liebe Rosenband; wird manchmal auch die Wange feucht, so hat's doch nicht Bestand. Doch auf! Des Mon des Scheibe sinkt am Berge dort hinein! Auf Waldes Haupt und Kirchturm blinkt nur noch ihr Silberschein. Das Moos ist rings vom Nachttau feucht, kein Sternlein funkelt mehr, so eisig und so nasskalt streicht die Luft von Morgen her. Und schauriger wird's rund umher, und düster wie ein Grab. Ein Nebelflor, so dicht und schwer, sinkt auf den Forst herab. D'rum auf! Und blieb' ich noch so gern, nun ist es mir verwehrt; schon blinkt des Bergmanns Lampe fern, der aus der Grube fährt.
Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author ( ? Richter? )  [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Václav Jan Křtitel Tomášek (1774 - 1850), "Die Herbstnacht", op. 2 (6 Lieder) no. 5 [ voice and piano ] [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
This text was added to the website: 2021-10-19
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