by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Zwei Frauen
Language: German (Deutsch)
Als die Türken einmal wieder In das Siebenbürgerland Fielen, trieben sie als Beute Vieh und Menschen mit sich fort. Damals ist es auch geschehen, Dass ein Tartar eine Frau Mit sich schleppte, eine böse Sieben, doch der Ehemann Sah sie ziehn, indess er selber Sicher stand jenseits des Baches. Und er rief, mehr um des Feindes Heil besorgt, als um die Frau: „Armer Tartar, weh, du weisst nicht, Weisst nicht, was du mit dir führst!” Aber nicht von dieser handelt unsere Geschichte. Nein, Eine andre Ehfrau bieder, Schön und gut, ward mitgeführt, Ward dem liebenden Gemahle Dort entrissen, der zur Zeit Nicht im Dorf war, bei der Herde, Und zu spät zur Rettung kam. Fortgeschleppt mit allen andern Ward sie und als schönstes Stück Aus der Beute ward die Arme Nun zuteil dem Heeresführer. Während ihre Mitgefangenen Alle traf ein hartes Los, Wiederfuhr ihr reiche Gnade Von dem Herrn. Und als sie bald Zwillinge, zwei holde Knaben Dort im Heidenland gebar, Da behandelte der greise Türke sie gleich eignen Kindern, Wartet ihrer, spielt mit ihnen, Ehrt die Mutter, nichts unziemlich Mutet er der Edlen an. So verstreichen schon vier Jahre. Doch nach ihrer Heimat sehnt Sich zurück die Frau. Sie sehnt sich Nach dem lieben Mann, dem Vater Ihres holden Knabenpaares. Eines Tages ging sie wieder Wie gewohnt zu den Gefangnen, Die in Ketten auf dem Feld Harte Arbeit schaffen müssen. Gute Labung reicht sie ihnen Heimlich stets, so oft sie kann. Und die schwer Gefangnen flehen, Fleh'n sie an um Gottes Willen Um Erlösung aus den Fesseln: „Mit dir wollen wir dann fliehn, Fliehen nach der lieben Heimat Zu den Unsern, die da harren!” Und die gute Frau verspricht es, Sucht den rechten Augenblick, Schliesst die Ketten auf und eilt, Eh sie flieht, zurück zum Hause Ihre Kinder mitzunehmen. Aber weh, der gute Türke Hat sie grad mit sich genommen, Mitgenommen auf das Feld, Hoch zu Ross mit ihnen spielend. Wofür soll sie sich entscheiden? Schrecklich ist es, hier die Kinder Zu verlassen; schrecklich ist es, Hier zu bleiben und die Rache Zu erwarten für die Tat. Doch die Freunde überreden Sie, dass teurer als die Kinder Freiheit sei und Vaterland: „Deine Pflicht ist es, zum Gatten Hinzuziehn. Ihm schuldest du's Mehr als deinen, seinen Kindern!” Und mit ganz zerrissnem Herzen Folgt sie jenen endlich, halb Frei, sich nach der Heimat sehnend, Halb gewungen, immer wieder Ihrer Kindelein gedenkend. Müde werden die Genossen, Ihren Jammer anzuhören Und verlassen eines Nachts Heimlich sie, die allzusehr Ihre bange Flucht verzögert. Weh, nun ist sie ganz allein. Weh, was soll sie nun beginnen! Schon will sie sich wieder wenden Zu den Kindern hin, dem Tod Will sie mutig dort begegnen Doch sie kennt nicht mehr den Weg. Und indem sie zagt und irrt, Und indem sie Tag für Tag, Nacht für Nacht Gefahr und Schrecken Aufsucht, wieder flieht, gelangt sie zum Schluss von ihrem Engel unbewusst geführt zur Grenze ihres heiLes. mischen Gebiets und erkennt die Berge wieder, wieder ihrer Sprache Laut, ihre Fluren, ihre Täler, ihre Städte und ihr Dorf und ihr Haus, ihr liebes Häuslein. Aber sieh, was soll das sein? Ganz mit grünem Laub bekränzt und umwunden ist die Schwelle, wie's der Brauch zur Hochzeit ist. Und sie tritt hinein, da sitzt ihre Freundin Margarete, in dem Brautstaat sitzt sie da, schön und blühend. Sie erkennt nicht, die da kommt Abgehärmt und im Türkenkleid, ganz zerrissen. Diese aber setzt sich stolz Auf den Herd des Hauses: also Ist es ja der Hausfrau Recht. Sonderbar erscheint's der andern: „Fort! Wer bist du? Sag, was willst du? Fort, sonst kommt mein Mann zurück Und verscheucht dich, freche Bettlerin!” „Wie, dein Mann? Wo ist er denn?” „Heute hielt ich mit ihm Hochzeit. Fortgegangen ist er eben, Um die Gäste heimzuführen mit Musik.” Doch jene spricht: „Kennst du mich denn nicht! Ich bin Hier des Hauses wahre Herrin, Fälschlich tot gewähnt von euch, Die nun wieder ihre Rechte Nehmen wird; drum weiche du !” Aber jene fleht und bittet: „Liebe Freundin, stoss mich nicht In die Schmach hinaus!” Ο nimm du, Nimm du hin mein ganzes Gut, Meinen Brautschatz, meinen reichen; Aber lass mich, lass mich hier Bei dem Mann, den ich von jeher Hab geliebt, und der mich auch Liebt, wie er dich niemals liebte. Wenn du ihn in Wahrheit liebst, Scheuch uns beide nicht von hinnen; „Denn ich weiss, er ginge lieber Fort mit mir in Elend, Armut, Als dass er bei dir da bliebe” Unnennbare Trauer fasste da die Frau. Doch sieh, hier kommt schon der Gatte in die Stube „Weib, du bist es?” ruft er laut. Er vergisst der Braut von heute Und umarmt das treue Weib, Weinend vor zu grosser Freude. Und sie weint, sie weint mit ihm. Und er fragt, und sie erzählt alles, was mit ihr geschehn; von dem alten Muselmann, von den Knaben, die sie leider in der Fremde lassen muste. Und erzählt, erzählt noch im mer, und der Gatte forscht und fragt. Aber beide sehen nicht, dass die Braut, die längst vergessene, taumelnd aus der Kammer wankt. Und als sie sich endlich sammeln Und bedenken, was zu tun sei Und nach der Vergessnen suchen, Ist sie längst, schon längst von dannen. Niemand, niemand weiss wohin. Tat sie sich ein Leides an ? Niemand, niemand kann es sagen. Alles Suchen ist vergebens. Und so leben nun die beiden Wieder mit einander still Jahr um Jahr und merken nicht, Dass die Zeit entschwindet, freuen Sich der Gegenwart und denken Sinnend der entschwundnen Stunden. Sieh, da treten eines Tages Zwei bewaffnete, geschmückte, Reichgekleidete Gesellen In die Türe und sie reichen Einen Brief dem. Manne hin. In dem Briefe steht geschrieben: „Margarete, deine Freundin, schickt dir aus dem Heidenlande deine Söhne hier zurück. Damals an dem Hochzeitstage schwur ich mir's, sie aufzusuchen, denn aus deiner Gattin Worten wurden mir die Wege klar. Und ich zog hin zu den Türken und ich kam zu jenem Schloss, wo der alte Muselmann mit den beiden Knaben hauste. Und ich bot mich ihm zur Magd. Und ich zog die Kinder auf, deine lieben süssen Kinder. Konnt' ich dich nicht selber haben, hatt' ich deine Kinder doch. Und so hab' ich mich geteilt mit der Freundin in die Liebe zum Geliebten. Jahr um Jahr lebt ich glücklich so mit ihnen und vertraut dem guten Greis. Und ich kündete ihm alles, und ich kündete den Söhnen alles, was ich von dir wusste, was ich von der Mutter wusste. Gestern starb der alte Türke. Mich liess er zurück als Erbin. Deine beiden Söhne aber sendet er euch nun zurück. Denn so lang er lebte, konnte er sich nicht von ihnen trennen; allzusehr liebt' er sie ja. Lebet wohl, lebt alle glücklich! Sorget euch um mich nicht weiter, denn im Glücke leb' ich auch, ferne wohl von meiner Heimat, ferne wohl von meinem Liebsten, doch nicht fern von Landesleuten. Die Gefangenen tröst ich hier und sie endlich loszukaufen und nach Haus zu senden such' ich. Bei mir auch ist euer Pfarrer, denn die Tartar'n haben ihn so verstümmelt, dass er nicht in die Heimat kehren mag. Hier will er sein Leben schliessen, will auch ich mein Leben schliessen, wie ich diesen Brief beschliesse.” Und ich schliesse die Geschichte. Nun wird aber mancher fragen, Ob nicht jene böse Sieben, Die zu ihres Gatten Frommen Einst der Tartar mitgenommen, Nicht auch sei zurückgekommen. Davon hab ich nichts vernommen.
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Mathilde von Kralik (1857 - 1944), "Zwei Frauen", published 1895 [ reciter and piano ], Wien : Albert Gutmann ; New York : G. Schirmer [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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