by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Mit einem Ast, der jenem niemals glich
Language: German (Deutsch)
Mit einem Ast, der jenem niemals glich, wird Gott, der Baum, auch einmal sommerlich verkündend werden und aus Reife rauschen; in einem Lande, wo die Menschen lauschen, wo jeder ähnlich einsam ist wie ich. Denn nur dem Einsamen wird offenbart, und vielen Einsamen der gleichen Art wird mehr gegeben als dem schmalen Einen. Denn jedem wird ein andrer Gott erscheinen, bis sie erkennen, nah am Weinen, daß durch ihr meilenweites Meinen, durch ihr Vernehmen und Verneinen verschieden nur in hundert Seinen ein Gott wie eine Welle geht. Das ist das endlichste Gebet, das dann die Sehenden sich sagen: die Wurzel Gott hat Frucht getragen, geht hin, die Glocken zu zerschlagen; wir kommen zu den stillern Tagen, in denen reif die Stunde steht. Die Wurzel Gott hat Frucht getragen. Seid ernst und seht.
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Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Das Stundenbuch, in 1. Das Buch vom mönchischen Leben , no. 34 [author's text checked 1 time against a primary source]
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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