Heißer, roter Mittsommertag lag auf der Welt Glut. Mit ihren Flügeln von grünem Flor schwebte der Eintagsfliegen Chor über Binsen und Moos und Rohr und über des Teiches Flut. Eintagsfliegen! Wie Sonnenstaub flogen sie in der Luft, tanzten und tanzten und liebten sich sehr, und taumelten selig hin und her, bis ihnen wurden die Flügel schwer von all' dem Sonnenduft. Sanken zur Erde matt und müd', und sie starben, wie sie gelebt, tanzend und taumelnd, liebesberauscht, während der rote Mittsommertag lauscht und mit dem Südwind Küsse tauscht, der die Fliegen im Staube begräbt.
6 Lieder zu Gedichten von Marie Madeleine , opus 43
by Hugo Daffner (1882 - 1936)
1. Eintagsfliegen
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Gertrud Günther (1881 - 1944), as Marie Madeleine
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2. Die fernen, fernen Berge
Language: German (Deutsch)
Die fernen, fernen Berge mit ihren Nebelschleiern seh' ich von meinem Fenster leuchten im Frühlingsglanz. Ein matter, grüner Schimmer über Buschen und Bäumen, und meine arme Seele, zitternd von Frühlingsleid. Könnt' ich nur einmal schauen, nur einmal noch deine Augen jene müden, blauen Sterne, die ich zu sehr geliebt!
Text Authorship:
- by Gertrud Günther (1881 - 1944), as Marie Madeleine, "Die fernen, fernen Berge", appears in Auf Kypros
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , copyright © 2023, (re)printed on this website with kind permission
3. Regen
Language: German (Deutsch)
Ein Regentag! Es rieseln graue Tropfen. Ich hör sie leise an die Fenster klopfen. Wie Tränen hängen sie an allen Bäumen, still klingt ihr Flüstern in mein müdes Träumen. Und es erblüh'n in dunklen Seelentiefen die süssen Töne, die so lange schliefen, die ich verloren glaubte und vergessen, weil ich viel wilder Lieder mich vermessen. Wo sind sie jetzt ? — Ans Fenster schlagen Tropfen, ich höre nichts als meines Herzens Klopfen und jenen ersten Liedes leises Tönen mit seinem grenzenlosen, tiefen Sehnen, mit seinem unverstandenen Verlangen, mit all dem Schmerz, der nie zur Ruh' gegangen. Ich höre nichts als meines Herzens Klopfen; ans Fenster schlagen müd' die Regentropfen.
Text Authorship:
- by Gertrud Günther (1881 - 1944), as Marie Madeleine, "Regen"
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Confirmed with Studenten-weekblad, 4de Jaargang no. 33, 26. September 1902.
4. Herbstlicht
Language: German (Deutsch)
Über der schweigenden weiten Flur ruht wie ein Schleier des Herbstes Hauch. Totenstille! Ein Vogel nur klagt in dem welken Holunderstrauch. Herbstzeitnebel durchziehen die Luft, und sie legen sich sacht, so sacht über die Steine der Hünengruft, über der Gräser verblühende Pracht. Der tönende Nachtwind singt ein Lied. Ein trauriges Lied! Ich kann es verstehen: von Sommerblumen, die längst verblüht, vom Scheiden und Nimmerwiedersehen.
Text Authorship:
- by Gertrud Günther (1881 - 1944), as Marie Madeleine
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5. Ein kleiner grauer Vogel
Language: German (Deutsch)
Ein kleiner, grauer Vogel singt. Die Bäume stehn so frühlingsjung. Durch meine kranke Seele klingt es schluchzend wie Erinnerung. Ich hatte dich vergessen ganz. War meine Eintagsliebe nicht in ihrem fahlen Herbstzeitglanz verloschen wie ein Totenlicht? Und nicht einmal im Traum der Nacht, wo tote Flammen wieder blühen, hab' ich an dich, an dich gedacht, an deiner Augen dunkles Glühen. An deiner weichen Stimme Klang und an den einen, einen Tag, als wild ich deinen Hals umschlang, als ich in deinen Armen lag. Ich hatte dich vergessen ganz. Hab' meine Liebe tot geglaubt. Ich sehe nicht den Frühlingsglanz, ich seh' dein blasses Haupt.
Text Authorship:
- by Gertrud Günther (1881 - 1944), as Marie Madeleine, "Ein kleiner grauer Vogel", appears in Auf Kypros
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Confirmed with Marie-Madeleine, Auf Kypros, Est-Est Verlag G. m. b. H., Berlin -- Charlottenburg, Sechsundvierzigste Auflage.
6. Glaubensbekenntnis
Language: German (Deutsch)
Ich liebe die Begierde, die deine Erfüllung kennt. Ich liebe die rote Flamme, die meine Seele verbrennt. Die zitternden, zitternden Töne auf des Lebens Saitenspiel. Ich liebe die große Sehnsucht, die Sehnsucht ohne Ziel. Ich liebe die tiefen Schmerzen und die Qual, die mich geküsst. Ich liebe die Entsagung, weil sie Wollust ist!
Text Authorship:
- by Gertrud Günther (1881 - 1944), as Marie Madeleine, "Glaubensbekenntnis"
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