Zwölf Engel hielten am Himmelstor: "Ihr Türmer herunter, ihr Wächter hervor! Was bringt ihr, ihr lieben Leute?" "Wir kommen geritten vom Erdenrund, Gar frohe Botschaft bringt unser Mund, Stimm an die Glocken und läute!" Und als das Pförtchen war aufgetan, Da setzten sie die Posaunen an Und bliesen aus vollen Wangen: "Juchhe, ihr Völker, juchhe, haja! Herbei ihr alle, halleluja! Die frohe Post zu empfangen: Worum wir inbrünstig gebetet oft, Was jeder ersehnte, was keiner gehofft, Es hat sich in Gnaden begeben. Wir kommen geritten von Erden fern: Erloschen, verglommen der blutige Stern, Verhaucht das unselige Leben." Da flogen die Türen und Fenster auf, Und alle die Seligen eilten zu Hauf Und zogen zu Fuß und zu Pferde, Mit Pfeifern und Trommlern und Saitenspiel Und fröhlichem Schwatzen und Lachen viel, Hinab auf die einsame Erde. Doch als sie im glitzernden Sternenreich Gewahrten die traurige Weltenleich Verkohlt in den Wolken schwimmen, Da ging den Pfeifern der Atem aus, Und mancher wischt sich ein Tränlein aus Und tät ein Greinen anstimmen. Dann schlichen sie auf dem Riesengrab Mit heimlichen Flüstern talauf, talab Und erzählten mit Bangen und Zagen Von alter verschollener Menschenzeit, Von Krankheit und Sterben, von Zank und Streit Einander die schaurigen Sagen. Sie stifteten einen Sühnealtar, Drauf brachten die Priester die Messe dar Beim Klange der Trauerlieder. Ein Requiem aeternam lallt ihr Mund, Weihwasser sprengten sie auf den Grund Und flehten den Segen hernieder. Der Segen, der schwebte wohl über die Welt, Das Weihwasser rann übers Ackerfeld - Doch sieh! was will das bedeuten? Der Segen flog ängstlich im Kreis herum, Das Weihwasser wälzte sich um und um - Sagt an, was soll das bedeuten? Da sprach das Weihwasser: "Ich sehe, ich seh Auf Erden kein Plätzchen, wohin ich auch späh, Das nie eine Träne benetzt hat." Und der Segen, der sprach: "Ich suche, ich such Einen Fleck, einen kleinen, den nicht der Fluch, Den nicht der Mord schon besetzt hat."
Zwei Balladen von C. Spitteler , opus 37
by Felix Paul Weingartner (1863 - 1942)
1. Die tote Erde  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
2. Der Jäger und das Wichtchen  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
« Was huschelt im Garten, was raschelt im Baum? Es ist doch kein' Katz' nicht und a' Wiesel kaum. No wart' nur, du Lecker, du Kirschendieb! Du nimmst wohl fürs Erste mit 'nem Schrotschuß vorlieb.» Der Jäger raffte die Büchs von der Wand. Schon hatt' er den knackenden Hahnen gespannt, Da flattert' ein Röckchen, da zappelt' ein Sprung, Hops! wischt' aus dem Kirschbaum ein Wichtel jung. Der Flug durch die Luft hin geriet ihm wohl: Es lag auf vier Beinen im Schwarzrübenkohl. Dort flennt' es gar kläglich zum Jäger hinauf: «Lieber Jager, lieber Jager, no so hören's doch auf! No so sein's net so fuxig, no so sein's doch net bös, Ich thu's ja net wieder, dös schwör' i Enk gwöß.» Der Jäger verübte ein Spitzbubeng'sicht: «Auf solch eine Häsin schießt unser Einer nicht. Und wenn's mer a d' Wurzeln glei mitg'fressen hätt', Verpusseln thät ich's, aber derschießen net.» Er stöhnte gar elend die folgende Nacht, Hat nimmer g'schlafen, nur auf Wichterl gedacht. Am andern Frühmorgen um fünf Uhr schon Da baumelt' im Kirschbaum zum Schelmenlohn Ein seidenes Banderl mit 'nem Gulden von Gold, Damit ihm das Wichterl noch mehr mausen sollt'. Vergebens pirscht' er den langen Tag, Da fuhr gegen Abend ihr Strubel durch den Hag: «Adjes, lieber Jager, auf Nimmerwiedersehn! Das Gold und das Bandel wär'n besser net g'schehn. Wir Wichterln sind knorrig wie Weixelbuxholz, Zum Stehlen freiwillig, zum Nehmen zu stolz.»