Sechs Gedichte aus dem Kyllenion

Beim kindlichen Strahl des erwachenden Phoibos
Ergreifen wir Speere,
Pfeil, Bogen, und Hörner;
Und folgen dem Drange
Zum Haine, zum Walde; 
Und folgen dem Streben
Nach Beute, nach Ruhm. 

Beim göttlichen Glühn des alltreffendem Phoibos
Verlassen wir Speere,
Pfeil, Bogen, und Hörner;
Und schleichen ermüdet
Zu kühligen Grotten,
Und folgen dem Durste
Zum murmelnden Bach. 

Beim scheidenden Purpur des segnenden Phoibos
Heimkehren wir singend.
Es klirren die Waffen; 
Es tönen die Hörner. 
Wir folgen belastet
Dem plaudernden Zuge,
Mit Beute, mit Ruhm.

Treue siegt;
Treu' erringt den schönsten Preis.
Lass dich nicht erschrecken
Durch des Stolzes Kälte; 
Strahlen folgen Strahlen,
Bis die Wolken schwinden.  

Treue siegt;
Treu' erringt den schönsten Preis. 
Lass dich nicht verdriessen,
Lang umsonst zu dienen.
Tropfen folgen Tropfen,
Bis die Felsen weichen. 
Treue siegt;
Treu' erringt den schönsten Preis.

Du schwurst, du wolltest kommen,
Sobald der Lenz die Wälder grünt;  -- 
Der Lenz grünt längst die Wälder, 
Und ach!  du weilst noch ferne. 

Du schwurst, du wolltest kommen,,
Sobald die Taube sehnend girrt;  
Die Taube hat gegirret,
Und ach!  du weilst noch ferne. 

Du schwurst, du wolltest kommen,
Sobald die Rebe ahndend zährt; 
Die Rebe hat gezähret,
Und ach!  du weilst noch ferne.                      

Du schwurst, du wolltest kommen,
Sobald die Apfelblüthe ros't; 
Die Blühte hat geroset,  
Und ach!  du weilst noch ferne. 

Kennst du das Thal, der Vorzeit Zauberspiegel,
Wo ewig Unschulds - Lilien blüh'n? 
Es ist des Traumes Geisterland. 

Kennst du das Thal  -- es glänzt in Phöbos Strahlen  -- 
Wo üppig Cypris Rosen glüh'n?
Es ist des Traumes Geisterland. 

Kennst du das Thal, umstrahlt vom Zukunftsterne,
Wo singend jede Welle rollt? 
Es ist des Traumes Räthselland.

Sterne trennen sich von Sternen,
Und der Thau benetzt die Flur;
Geister trennen sich von Geistern,
Und es löschen Opferflammen,
Herzen trennen sich von Herzen,
Und es löschen beider Leben. 

Sterne rollen nah' an Sternen,
Und es warden neue Sonnen;
Geister schmelzen sich mit Geistern,
Und es rauchen Hekatomben;
Doch wo Herz von Herzen scheidet,
Gibt es weder Schlaf noch Lethe!

Chelidon, wohin, wohin?  -- 
über Berge, über Flüsse,
über Länder, über Meere
Treibet mich mein innrer Sinn
Nach entferntem Frühling hin. 

Chelidon, woher, woher? 
über Meere, über Länder,
über Flüsse, über Berge,
Fand ich's fremd und freudenleer;
Darum komm' ich reuig her. 

Chelidon, so bleibe hier;
In dem Schatten unsrer Hütte
Findest Ruhe du und Minne.  -- 
Ewig rasten räthst du mir?
Nein;  nur Wechsel lieben wir.