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Verwandlungen

Song Cycle by John van Buren (b. 1952)

1. Die Bienen des Unsichtbaren  [sung text not yet checked]

Language: German (Deutsch) 
Und bin ich es, der den Elegien die richtige Erklärung geben darf? 
Sie reichen unendlich über mich hinaus.
 Ich halte sie für eine weitere Ausgestaltung jener wesentlichen 
Voraussetzungen, die schon im „Stundenbuch“ gegeben waren, 
die sich, in den beiden Teilen der „Neuen Gedichte“, 
des Welt-Bilds spielend und versuchend bedienen und die dann im 
Malte, konflikthaft zusammengezogen, ins Leben zurückschlagen 
und dort beinah zum Beweis führen, daß dieses so ins Bodenlose 
gehängte Leben unmöglich sei. In den „Elegien“ wird, aus den gleichen 
Gegebenheiten heraus, das Leben wieder möglich, 
ja es erfährt hier diejenige endgültige Bejahung, zu der es der junge 
Malte, obwohl auf dem richtigen schweren Wege „des longues études“, 
noch nicht führen konnte. Lebens- und Todesbejahung erweist sich 
als Eines in den „Elegien“. Das eine zuzugeben ohne das andere, sei, 
so wird hier erfahren und gefeiert, eine schließlich alles Unendliche
 ausschließende Einschränkung. Der Tod ist die uns abgekehrte, 
von uns unbeschienene Seite des Lebens: wir müssen versuchen, 
das größeste Bewußtsein unseres Daseins zu leisten, das in beiden 
unabgegrenzten Bereichen zu Hause ist, aus beiden unerschöpflich
genährt... Die wahre Lebensgestalt reicht durch beide Gebiete, 
das Blut des größesten Kreislaufs treibt durch beide: es gibt weder 
ein Diesseits noch Jenseits, sondern die große Einheit,
in der die uns übertreffenden Wesen, die „Engel“, zu Hause sind. 
Und nun die Lage des Liebes-Problems in dieser so, 
um ihre größere Hälfte erweiterten, in dieser nun erst ganzen, 
nun erst heilen Welt. Es nimmt mich wunder, daß Ihnen die 
„Sonette an Orpheus“, die mindestens ebenso „schwer“ sind, 
von der gleichen Essenz erfüllt, nicht hilfreicher sind zum 
Verständnis der „Elegien“. Diese sind 1912 (auf Duino) begonnen, 
in Spanien und Paris—fragmentarisch — fortgeführt bis 1914; 
der Krieg unterbrach diese meine größeste Arbeit vollständig;
als ich 1922 (hier), diese wieder aufzunehmen wagte, 
kamen den neuen Elegien und ihrem Abschluß die, in wenigen Tagen, 
stürmisch sich auferlegenden „Sonette an Orpheus“ 
(die nicht in meinem Plane waren) zuvor. Sie sind, 
wie das anders nicht sein kann, aus derselben „Geburt“ 
wie die „Elegien“, und daß sie plötzlich, ohne meinen Willen, 
im Anschluß an ein frühverstorbenes Mädchen, aufkamen, 
rückt sie noch mehr an die Quelle ihres Ursprungs; 
dieser Anschluß ist ein Bezug mehr nach der Mitte jenes Reiches hin, 
dessen Tiefe und Einfluß wir, überall unabgegrenzt, 
mit den Toten und den Künftigen teilen. Wir, diese Hiesigen 
und Heutigen, sind nicht einen Augenblick in der Zeitwelt befriedigt, 
noch in sie gebunden; wir gehen immerfort über und über zu 
den Früheren, zu unserer Herkunft und zu denen, 
die scheinbar nach uns kommen. In jener größesten „offenen“ 
Welt sind alle, man kann nicht sagen „gleichzeitig“, 
denn eben der Fortfall der Zeit bedingt, daß sie alle sind. 
Die Vergänglichkeit stürzt überall in ein tiefes Sein.
Und so sind alle Gestaltungen des Hiesigen nicht nur zeitbegrenzt 
zu gebrauchen, sondern, soweit wirs vermögen, 
in jene überlegenen Bedeutungen einzustellen, 
an denen wir Teil haben. Aber nicht im christlichen Sinne 
(von dem ich mich immer leidenschaftlicher entferne), 
sondern, in einem rein irdischen, tief irdischen, 
selig irdischen Bewußtsein gilt es, das hier Geschaute 
und Berührte in den weiteren, den weitesten Umkreis einzuführen. 
Nicht in ein Jenseits, dessen Schatten die Erde verfinstert, 
sondern in ein Ganzes, in das Ganze. Die Natur, die Dinge 
unseres Umgangs und Gebrauchs, sind Vorläufigkeiten 
und Hinfälligkeiten; aber sie sind, solang wir hier sind, 
unser Besitz und unsere Freundschaft, Mitwisser unserer Not 
und Froheit, wie sie schon die Vertrauten unserer Vorfahren 
gewesen sind. So gilt es, alles Hiesige nicht nur nicht schlecht 
zu machen und herabzusetzen, sondern gerade, 
um seiner Vorläufigkeit willen, die es mit uns teilt, 
sollen diese Erscheinungen und Dinge von uns 
in einem innigsten Verstande begriffen und verwandelt werden. 
Verwandelt? Ja, denn unsere Aufgabe ist es, diese vorläufige, 
hinfällige Erde uns so tief, so leidend und leidenschaftlich einzuprägen, 
daß ihr Wesen in uns „unsichtbar“ wieder aufersteht. 
Wir sind die Bienen des Unsichtbaren. 
Nous butinons éperdument le miel du visible, 
pour l'accumuler dans la grande ruche d'or de l'Invisible. 
Die „Elegien“ zeigen uns an diesem Werke, 
am Werke dieser fortwährenden Umsetzungen des geliebten Sichtbaren 
und Greifbaren in die unsichtbare Schwingung 
und Erregtheit unserer Natur, die neue Schwingungszahlen einführt 
in die Schwingungs-Sphären des Universums. 
(Da die verschiedenen Stoffe im Weltall nur verschiedene 
Schwingungsexponenten sind, so bereiten wir, 
in dieser Weise, nicht nur Intensitäten geistiger Art vor, 
sondern wer weiß, neue Körper, Metalle, Sternnebel und Gestirne.) 
Und diese Tätigkeit wird eigentümlich gestützt 
und gedrängt durch das immer raschere Hinschwinden 
von so vielem Sichtbaren, das nicht mehr ersetzt werden wird. 
Noch für unsere Großeltern war ein „Haus“, ein „Brunnen“, 
ein ihnen vertrauter Turm, ja ihr eigenes Kleid, ihr Mantel: 
unendlich mehr, unendlich vertraulicher; fast jedes Ding ein Gefäß, 
in dem sie Menschliches vorfanden und Menschliches hinzusparten. 
Nun drängen, von Amerika her, leere gleichgültige Dinge herüber, 
Schein-Dinge, Lebens-Attrappen... 
Ein Haus, im amerikanischen Verstande, 
ein amerikanischer Apfel oder eine dortige Rebe, 
hat nichts gemeinsam mit dem Haus, der Frucht, 
der Traube, in die Hoffnung 
und Nachdenklichkeit unserer Vorväter eingegangen war... 
Die belebten, die erlebten, die uns mitwissenden Dinge gehen zur Neige 
und können nicht mehr ersetzt werden. Wir sind vielleicht die Letzten, 
die noch solche Dinge gekannt haben. Auf uns ruht die Verantwortung, 
nicht allein ihr Andenken zu erhalten (das wäre wenig und unzuverlässig), 
sondern ihren humanen und larischen Wert. („Larisch“, 
im Sinne der Haus-Gottheiten.) Die Erde hat keine andere Ausflucht, 
als unsichtbar zu werden: in uns, die wir mit einem Teil unseres Wesens 
am Unsichtbaren beteiligt sind, Anteilscheine (mindestens) haben an ihm, 
und unseren Besitz an Unsichtbarkeit mehren können während 
unseres Hierseins, — in uns allein kann sich diese intime 
und dauernde Umwandlung des Sichtbaren in Unsichtbares, 
vom sichtbar- und greifbar-sein nicht länger Abhängiges vollziehen, 
wie unser eigenes Schicksal in uns fortwährend zugleich vorhandener 
und unsichtbar wird. Die Elegien stellen diese Norm des Daseins auf: 
sie versichern, sie feiern dieses Bewußtsein. Sie stellen es vorsichtig 
in seine Traditionen ein, indem sie uralte Überlieferungen und die 
Gerüchte von Überlieferungen für diese Vermutung in Anspruch 
nehmen und selbst im ägyptischen Totenkult ein Vorwissen solcher 
Bezüge heraufrufen. (Obwohl das „Klageland“, durch das die ältere 
„Klage“ den jungen Toten führt, nicht Ägypten gleichzusetzen ist, 
sondern nur, gewissermaßen, eine Spiegelung des Nillandes in 
die Wüstenklarheit des Toten-Bewußtseins.) Wenn man den Fehler begeht, 
katholische Begriffe des Todes, des Jenseits und der Ewigkeit 
an die Elegien oder Sonette zu halten, so entfernt man sich völlig 
von ihrem Ausgang und bereitet sich ein immer gründlicheres 
Mißverstehen vor. Der „Engel“ der Elegien hat nichts mit dem 
Engel des christlichen Himmels zu tun (eher mit den Engelgestalten 
des Islam)... Der Engel der Elegien ist dasjenige Geschöpf, 
in dem die Verwandlung des Sichtbaren in Unsichtbares, 
die wir leisten, schon vollzogen erscheint. Für den Engel der Elegien 
sind alle vergangenen Türme und Paläste existent, 
weil längst unsichtbar, und die noch bestehenden Türme 
und Brücken unseres Daseins schon unsichtbar, obwohl noch 
(für uns) körperhaft dauernd. Der Engel der Elegien ist dasjenige Wesen, 
das dafür einsteht, im Unsichtbaren einen höheren Rang der Realität 
zu erkennen. — Daher „schrecklich“ für uns, weil wir, seine Liebenden 
und Verwandler, doch noch am Sichtbaren hängen. — 
Alle Welten des Universums stürzen sich ins Unsichtbare, 
als in ihre nächst-tiefere Wirklichkeit; einige Sterne steigern sich 
unmittelbar und vergehen im unendlichen Bewußtsein der Engel —, 
andere sind auf langsam und mühsam sie verwandelnde Wesen 
angewiesen, in deren Schrecken und Entzücken sie ihre nächste 
unsichtbare Verwirklichung erreichen. Wir sind, noch einmal sei's betont, 
im Sinne der Elegien, sind wir diese Verwandler der Erde, 
unser ganzes Dasein, die Flüge und Stürze unserer Liebe, 
alles befähigt uns zu dieser Aufgabe (neben der keine andere, 
wesentlich, besteht). (Die Sonette zeigen Einzelheiten aus dieser Tätigkeit, 
die hier unter den Namen und Schutz eines verstorbenen 
Mädchens gestellt erscheint, deren Unvollendung und Unschuld 
die Grabtür offen hält, so daß sie, hingegangen, zu jenen Mächten gehört, 
die die Hälfte des Lebens frisch erhalten und offen nach 
der anderen wundoffenen Hälfte zu.) Elegien und Sonette 
unterstützen einander beständig—, und ich sehe eine unendliche 
Gnade darin, daß ich, mit dem gleichen Atem, 
diese beiden Segel füllen durfte: 
das kleine rostfarbene Segel der Sonette und der Elegien riesiges 
weißes Segel-Tuch.

 

Möchten Sie, lieber Freund, hier einigen Rat und Aufschluß erkennen und, 
im Übrigen, sich selber weiterhelfen. Denn:
 Ich weiß nicht, ob ich je mehr sagen könnte.

Text Authorship:

  • by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Brief an Witold von Hulewicz, 13.XI.25"

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Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]

2. Haus, Brücke, Brunnen, Tor, Krug  [sung text not yet checked]

Language: German (Deutsch) 
Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins
hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles
andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem
Blattrand (wie eines Windes Lächeln) -: warum dann
Menschliches müssen - und, Schicksal vermeidend,
sich sehnen nach Schicksal?...

Oh, nicht, weil Glück ist,
dieser voreilige Vorteil eines nahen Verlusts.
Nicht aus Neugier, oder zur Übung des Herzens,
das auch im Lorbeer wäre.....

Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar
alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das
seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Ein Mal
jedes, nur ein Mal. Ein Mal und nicht mehr. Und wir auch
ein Mal. Nie wieder. Aber dieses
ein Mal gewesen zu sein, wenn auch nur ein Mal:
irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar.

Und so drängen wir uns und wollen es leisten,
wollens enthalten in unsern einfachen Händen,
im überfüllteren Blick und im sprachlosen Herzen.
Wollen es werden. - Wem es geben? Am liebsten
alles behalten für immer... Ach, in den andern Bezug,
wehe, was nimmt man hinüber? Nicht das Anschaun, das hier
langsam erlernte, und kein hier Ereignetes. Keins.
Also die Schmerzen. Also vor allem das Schwersein,
also der Liebe lange Erfahrung, - also
lauter Unsägliches. Aber später,
unter den Sternen, was solls: die sind besser unsäglich.
Bringt doch der Wanderer auch vom Hange des Bergrands
nicht eine Hand voll Erde ins Tal, die Allen unsägliche, sondern
ein erworbenes Wort, reines, den gelben und blaun
Enzian. Sind wir vielleicht hier, um zu sagen: Haus,
Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster, -
höchstens: Säule, Turm.... aber zu sagen, verstehs,
oh zu sagen so, wie selber die Dinge niemals
innig meinten zu sein. Ist nicht die heimliche List
dieser verschwiegenen Erde, wenn sie die Liebenden drängt,
daß sich in ihrem Gefühl jedes und jedes entzückst?
Schwelle: was ists für zwei
Liebende, daß sie die eigne ältere Schwelle der Tür
ein wenig verbrauchen, auch sie, nach den vielen vorher
und vor den Künftigen ...., leicht.

Hier ist des Säglichen Zeit, hier seine Heimat.
Sprich und bekenn. Mehr als je
fallen die Dinge dahin, die erlebbaren, denn,
was sie verdrängend ersetzt, ist ein Tun ohne Bild.
Tun unter Krusten, die willig zerspringen, sobald
innen das Handeln entwächst und sich anders begrenzt.
Zwischen den Hämmern besteht
unser Herz, wie die Zunge
zwischen den Zähnen, die doch,
dennoch, die preisende bleibt.

Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm
kannst du nicht großtun mit herrlich Erfühltem; im Weltall,
wo er fühlender fühlt, bist du ein Neuling. Drum zeig
ihm das Einfache, das, von Geschlecht zu Geschlechtern gestaltet,
als ein Unsriges lebt, neben der Hand und im Blick.
Sag ihm die Dinge. Er wird staunender stehn; wie du standest
bei dem Seiler in Rom, oder beim Töpfer am Nil.
Zeig ihm, wie glücklich ein Ding sein kann, wie schuldlos und unser,
wie selbst das klagende Leid rein zur Gestalt sich entschließt,
dient als ein Ding, oder stirbt in ein Ding -, und jenseits
selig der Geige entgeht. - Und diese, von Hingang
lebenden Dinge verstehn, daß du sie rühmst; vergänglich,
traun sie ein Rettendes uns, den Vergänglichsten, zu.
Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbarn Herzen verwandeln
in - o unendlich - in uns! Wer wir am Ende auch seien.

Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar
in uns erstehn? - Ist es dein Traum nicht,
einmal unsichtbar zu sein? - Erde! unsichtbar!
Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag
Erde, du liebe, ich will. Oh glaub, es bedürfte
nicht deiner Frühlinge mehr, mich dir zu gewinnen -, einer,
ach, ein einziger ist schon dem Blute zu viel.
Namenlos bin ich zu dir entschlossen, von weit her.
Immer warst du im Recht, und dein heiliger Einfall
ist der vertrauliche Tod.

Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft
werden weniger ....... Überzähliges Dasein
entspringt mir im Herzen.

Text Authorship:

  • by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die neunte Elegie", appears in Duineser Elegien, no. 9

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Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
Total word count: 1990
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