Ein alter Mann ist stets ein fremder Mann. Er spricht von alten, längst vergangenen Zeiten, von Toten und verschollenen Begebenheiten … Wir denken: „Was geht uns das an –?“ In unser Zeitdorf ist er zugereist. Stammt aber aus ganz andern Jahresländern, mit andern Leuten, andern Taggewändern, von denen du nichts weißt. Sein Geist nimmt das für eine ganze Welt, was ihn umgab, als seine Säfte rannen; wenn er an Liebe denkt, denkt er an die, die längst von dannen. Für uns ist er kein Held. Ein alter Held ist nur ein alter Mann. Wie uns die Jahre trennen –! Erfahrung war umsonst. Die Menschen starten für das Rennen, und jeder fängt für sich von vorne an. Für uns ist er ein Mann von irgendwo. Ihm fehlt sein Zeitland, wo die Seinen waren, er spricht nicht unsre Sprache, hat ein fremd Gebaren … Und wenn wir einmal alt sind und bei Jahren –: dann sind wir grade so.
3 Tucholsky-Lieder
Song Cycle by Steffen Wolf (b. 1971)
1. Oller Mann  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Kurt Tucholsky (1890 - 1935), "Oller Mann"
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Conrifmed with Kurt Tucholsky, Lerne lachen ohne zu weinen, Berlin : Ernst Rowohlt, 1932, p.384
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
2. Sie schläft  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Morgens, vom letzten Schlaf ein Stück, nimm mich ein bißchen mit – auf deinem Traumboot zu gleiten ist Glück – Die Zeituhr geht ihren harten Schritt … pick-pack … »Sie schläft mit ihm« ist ein gutes Wort. Im Schlaf fließt das Dunkle zusammen. Zwei sind keins. Es knistern die kleinen Flammen, aber dein Atem fächelt sie fort. Ich bin aus der Welt. Ich will nie wieder in sie zurück – jetzt, wo du nicht bist, bist du ganz mein. Morgens, im letzten Schlummer ein Stück, kann ich dein Gefährte sein.
Text Authorship:
- by Kurt Tucholsky (1890 - 1935), "Sie schläft", written 1928
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Malwine  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Ich habe mich deinetwegen gewaschen und rasiert. Ich wollte mich zu dir legen mit einem Viertelchen, mit einem Achtelchen - Malwine! Doch du hast dich geziert. Der Kuckuck hat geschrien auf deiner Schwarzwalduhr. Ich lag vor deinen Knien: "Gib mir ein Viertelchen! Gib mir ein Achtelchen! Malwine! Ein kleines Stückchen nur!" Dein Bräutigam war prosaisch. Demselben hat gefehlt, dieweilen er mosaisch, ein kleines Viertelchen, ein kleines Achtelchen... das hätt dich sehr gequält! Du hast mir nichts gegeben und sahst mich prüfend an. Das, was du brauchst im Leben, sei nicht ein Viertelchen, und nicht ein Achtelchen... das sei ein ganzer Mann -! Mich hat das tief betroffen. Dein Blick hat mich gefragt... Ich ließ die Frage offen und habe nichts gesagt. Daß wir uns nicht besaßen! So aalglatt war mein Kinn. Nun irr ich durch die Straßen... Malwine-! und weine vor mich hin.
Text Authorship:
- by Kurt Tucholsky (1890 - 1935), "Malwine"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]Total word count: 388