Erste Kirschen hast Du mir gebracht, erste rote süße Sommerkinder. Schmausend haben wir zugleich gelacht und ein ernst Gespräch geführt nicht minder. Es atmete die Welt aus allen Poren rote Lust und grüne Bitterkeit. Plötzlich hängst du dir an deine Ohren solch ein Kirschenpärchen, fast vereint zu zweit. Und da wieder ich voll Zorn aufmuckte gegen dieses Lebens Unverstand, sah ich, wie dein Mündchen eifrig spuckte Kern und Kern nach einer Hecke Rand. Ja, wir schnickten, spuckten um die Wette, und der Zorn, der in mir bös gezuckt, schwand, als ob nie er bestanden hätte, da du mit mir Kirschkerne gespuckt.
Vier Lieder nach Texten von Friedrich Wolf
Song Cycle by Boris Blacher (1903 - 1975)
1. Kirschkerne
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Friedrich Wolf (1888 - 1953)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Malcolm Wren [Guest Editor]2. Das Zirkuspferdchen
Language: German (Deutsch)
Es trabt im Kreis durch die Manage, den Kopf mit Federn bunt geschmückt, und zu den Klängen einer Polka das Pferdchen mit dem Kopfe nickt. Ein Herr im Frack hält um die Peitsche die weiße Glacéfaust geballt, und mit dem Pferdchen stumm zu drehend er mit der Peitsche leise knallt. Das Pferdchen wechselt Schritt und Gänge langsam und schnell nach der Musik. Ob frohe oder traurige Weisen, es nickt gehorsam sein Genick, als wollt es "Ja" zu allem sagen, da es auf die Kandare beißt, die, wenn den Kopf es möchte heben, das Maul ihm wund und blutig reißt. Und während es im Kreise tänzelt, da möchte es mit wildem Huf, den Kopf hoch in die Luft geworfen losrennen, wie Natur es schuf. Es möchte jagen durch die Steppe im frischen Wind in freien Lauf, es möchte sich die Lungen füllen mit vollem, duftigen Geschnauf. Es möchte Sonn' und Sterne sehen, des Himmels blauen Überfluß, es möchte mit den freien Brüdern tauschen der Nüstern Liebesgruß. Doch wieder knallt die lange Peitsche des schwarzen Herrn mit scharfem Schnick, und wieder dreht das Pferdschen leise sich nach dem Takte der Musik. Fanfarentusch! Und das Orchester brüllt jetzt Triumphes Melodie. Das Pferdchen macht Honeurs und beuget rings vor dem Publikum das Knie. Das Publikum im Zirkuskreise, es klatscht begeisterten Applaus, der schwarze Herr gibt ein Stück Zucker dem Pferdchen und jagt es hinaus. Dort denkt es vor der dunklen Krippe: Wie glücklich doch die Menschen sind, sie dreh'n sich nicht ewig im Kreise und träumen nicht vom Steppenwind.
Text Authorship:
- by Friedrich Wolf (1888 - 1953)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Malcolm Wren [Guest Editor]3. Herzensverstand
Language: German (Deutsch)
Man soll seinem Herzen gehorchen, denn das Herz hat den besten Verstand! Jetzt quälen mich Schmerzen und Sorgen, weil ich sinnlos von dir gerannt. Verflucht die ewige Eile, zum Tod kommst du stets noch zurecht, verflucht die Ketten und Seile, die an den Karren dich binden als Knecht! Was du deinem Leben gestohlen, das holst du nimmermehr ein. Hätt' ich Flügel an den Sohlen, und könnte jetzt bei dir sein!
Text Authorship:
- by Friedrich Wolf (1888 - 1953)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Malcolm Wren [Guest Editor]4. Die Hexe
Language: German (Deutsch)
Als Kinder glaubten wir an Zauberwesen. Die Hexe schuf mit einem Wort aus einem Stein ein ganzes Schloß; es schuf aus einem Besen der Zauberer sich einen Menschen flugs mit Arm und Bein. Die Riesen waren da und auch die Zwerge, aus Nußkrokant war eine ganze Stadt. Milchströme gab's und Schokoladenberge, so riesig wie der Ararat. Inzwischen führten lange Lebenspfade mich aus dem Zauberland längst fort. Das Leben war nicht immer Schokolade und Menschen wurden Schnell zu Besen ohne Zauberwort. Und dennoch, auch in würdigen Lebensjahren ward ich verzaubert wie ein Kind im Nu, da waren Schokoladenberge, und in gold'nen Haaren war auch die Hexe, die warst du.
Text Authorship:
- by Friedrich Wolf (1888 - 1953)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Malcolm Wren [Guest Editor]Total word count: 534