O die Verluste ins All, Marina, die stürzenden Sterne ! Wir vermehren es nicht, wohin wir uns werfen, zu welchem Sterne hinzu! Im Ganzen ist immer schon alles gezählt. So auch, wer fällt, vermindert die heilige Zahl nicht. Jeder verzichtende Sturz stürzt in den Ursprung und heilt. War denn alles ein Spiel, Wechsel des Gleichen, Verschiebung nirgends ein Name und kaum irgendwo heimisch Gewinn? Wellen, Marina, wir Meer! Tiefen, Marina, wir Himmel. Erde, Marina, wir Erde, wir tausendmal Frühling, wir Lerchen die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft. Wir beginnens als Jubel, schon übertrifft es uns völlig, plötzlich unser Gewicht biegt zur Klage den Sang abwärts. Aber auch so: Klage? Wäre sie nicht jüngererJubel nach unten. Auch die unteren Götter wollen gelobt sein, Marina. So unschuldig sind Götter, sie warten auf Lob wie die Schüler : Loben, du Liebe, laß uns verschwenden mit Lob. Nichts gehört uns. Wir legen ein wenig Hand um die Hälse ungebrochener Blumen. Ich sah es am Nil in Kom-Ombo. So Marina, die Spende selber verzichtend, opfern die Könige. Wie die Engel gehen und die Türen bezeichnen jener zu Rettenden, also rühren wir dieses und dies, scheinbar Zärtliche, an. Ach, wie weit schon Entrückte, ach, wie Zerstreute, Marina, auch nochbeim innigsten Vorwand. Zeichengeber, sonst nichts. Dieses leise Geschäft, wo es der Unsrigen einer nicht mehr erträgt und sich zum Zugriff entschließt rächt sich und tötet. Denn daß es tödliche Macht hat, merkten wir alle an seiner Verhaltung und Zartheit und an der seltsamen Kraft, die uns aus Lebenden zu Überlebenden macht. Überstehen, Marina, Nicht-Sein. Weißt du's, wie oft / trug uns ein blinder Befehl durch den eisigen Vorraum neuer Geburt.... Trug: uns? Einen Körper aus Augen unter zahllosen Lidern sich weigernd. Trug das in uns niedergeworfene Herz eines ganzen Geschlechts. Trug ein Nest. An ein Zugvogelziel trug er die Gruppe, das Bild unserer schwebenden Wandlung. Liebende dürften, Marina, dürfen so viel nicht von dem Untergang wissen. Müssen wie neu sein. Erst ihr Grab ist alt, erst ihr Grab besinnt sich, verdunkelt unter dem schluchzenden Baum, bricht ein ; besinnt sich auf jeher. Erst ihr Grab gibt nach, sie selber sind immer und blindlings biegsam wie Ruten was übermäßig sie biegt, rundet sie reichlich zum Kranz. Wie sie verwehen im Maiwind! Von der Mitte des Immer drin du atmest und ahnst, schließt sie der Augenblick aus. (O wie begreif ich dich, weibliche Blüte am gleichen unvergänglichen Strauch. Wie streu ich mich stark in die Nachtluft, die dich nächstens bestreift. ) Frühe erlernten die Götter Hälften zu heucheln. Wir in das Kreisen bezogne füllten zum Ganzen uns an wie die Scheibe des Monds. Auch in abnehmender Frist, auch in denWochender Wendung. Niemand verhülfe uns je wieder zum Vollsein als der einsame Gang eigene Gang über der schlaflosen Landschaft.
Голоса стихий (Golosa stikhij)
Song Cycle by Vasily Fyodorovich Shcherbakov (b. 1969)
Элегия
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Elegie an Marina Zvetajewa-Efron", written 1926, appears in Gedichte aus dem Nachlaß [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
Set by Vasily Fyodorovich Shcherbakov (b. 1969) [ soprano, baritone, violins, piano ]Confirmed with Rainer Maria Rilke, Gedichte aus dem Nachlaß, in: Insel-Almanach auf das Jahr ..., Insel-Verlag, 1952, p.40
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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