LiederNet logo

CONTENTS

×
  • Home | Introduction
  • Composers (20,103)
  • Text Authors (19,448)
  • Go to a Random Text
  • What’s New
  • A Small Tour
  • FAQ & Links
  • Donors
  • DONATE

UTILITIES

  • Search Everything
  • Search by Surname
  • Search by Title or First Line
  • Search by Year
  • Search by Collection

CREDITS

  • Emily Ezust
  • Contributors (1,114)
  • Contact Information
  • Bibliography

  • Copyright Statement
  • Privacy Policy

Follow us on Facebook

by Heinrich Heine (1797 - 1856)

Der Mai ist da mit seinen goldnen...
Language: German (Deutsch) 
Der Mai ist da mit seinen goldnen Lichtern
Und seidnen Lüften und gewürzten Düften,
Und freundlich lockt er mit den weißen Blüten,
Und grüßt aus tausend blauen Veilchenaugen,
Und breitet aus den blumreich grünen Teppich,
Durchwebt mit Sonnenschein und Morgentau,
Und ruft herbei die lieben Menschenkinder.
Das blöde Volk gehorcht dem ersten Ruf.
Die Männer ziehn die Nankinghosen an
Und Sonntagsröck' mit goldnen Spiegelknöpfen;
Die Frauen kleiden sich in Unschuldweiß;
Jünglinge kräuseln sich den Frühlingsschnurrbart,
Jungfrauen lassen ihre Busen wallen;
Die Stadtpoeten stecken in die Tasche
Papier und Bleistift und Lorgnett'; - und jubelnd
Zieht nach dem Tor die krausbewegte Schar,
Und lagert draußen sich auf grünem Rasen,
Bewundert, wie die Bäume fleißig wachsen,
Spielt mit den bunten, zarten Blümelein,
Horcht auf den Sang der lust'gen Vögelein,
Und jauchzt hinauf zum blauen Himmelszelt.
Zu mir kam auch der Mai. Er klopfte dreimal
An meine Tür und rief: "Ich bin der Mai,
Du bleicher Träumer, komm, ich will dich küssen!"
Ich hielt verriegelt meine Tür, und rief:
Vergebens lockst du mich, du schlimmer Gast.
Ich habe dich durchschaut, ich hab durchschaut
Den Bau der Welt, und hab zuviel geschaut,
Und viel zu tief, und hin ist alle Freude,
Und ew'ge Qualen zogen in mein Herz.
Ich schaue durch die steinern harten Rinden
Der Menschenhäuser und der Menschenherzen,
Und schau in beiden Lug und Trug und Elend.
Auf den Gesichtern les ich die Gedanken,
Viel schlimme. In der Jungfrau Schamerröten
Seh ich geheime Lust begehrlich zittern;
Auf dem begeistert stolzen Jünglingshaupt
Seh ich die lachend bunte Schellenkappe;
Und Fratzenbilder nur und sieche Schatten
Seh ich auf dieser Erde, und ich weiß nicht,
Ist sie ein Tollhaus oder Krankenhaus.
Ich sehe durch den Grund der alten Erde,
Als sei sie von Kristall, und seh das Grausen,
Das mit dem freud'gen Grüne zu bedecken
Der Mai vergeblich strebt. Ich seh die Toten;
Sie liegen unten in den schmalen Särgen,
Die Händ' gefaltet und die Augen offen,
Weiß das Gewand und weiß das Angesicht,
Und durch die Lippen kriechen gelbe Würmer.
Ich seh, der Sohn setzt sich mit seiner Buhle
Zur Kurzweil nieder auf des Vaters Grab; -
Spottlieder singen rings die Nachtigallen; -
Die sanften Wiesenblümchen lachen hämisch; -
Der tote Vater regt sich in dem Grab; -
Und schmerzhaft zuckt die alte Mutter Erde.
Du arme Erde, deine Schmerzen kenn ich!
Ich seh die Glut in deinem Busen wühlen,
Und deine tausend Adern seh ich bluten,
Und seh, wie deine Wunde klaffend aufreißt,
Und wild hervorströmt Flamm' und Rauch und Blut.
Ich sehe deine trotz'gen Riesensöhne,
Uralte Brut, aus dunkeln Schlünden steigend,
Und rote Fackeln in den Händen schwingend; -
Sie legen ihre Eisenleiter an
Und stürmen wild hinauf zur Himmelsfeste; -
Und schwarze Zwerge klettern nach; - und knisternd
Zerstieben droben alle goldnen Sterne.
Mit frecher Hand reißt man den goldnen Vorhang
Vom Zelte Gottes, heulend stürzen nieder,
Aufs Angesicht, die frommen Engelscharen.
Auf seinem Throne sitzt der bleiche Gott,
Reißt sich vom Haupt die Kron', zerrauft sein Haar -
Und näher drängt heran die wilde Rotte.
Die Riesen werfen ihre roten Fackeln
Ins weite Himmelreich, die Zwerge schlagen
Mit Flammengeißeln auf der Englein Rücken; -
Die winden sich und krümmen sich vor Qualen,
Und werden bei den Haaren fortgeschleudert; -
Und meinen eignen Engel seh ich dort,
Mit seinen blonden Locken, süßen Zügen,
Und mit der ew'gen Liebe um den Mund,
Und mit der Seligkeit im blauen Auge -
Und ein entsetzlich häßlich schwarzer Kobold
Reißt ihn vom Boden, meinen bleichen Engel,
Beäugelt grinsend seine edlen Glieder,
Umschlingt ihn fest mit zärtlicher Umschlingung -
Und gellend dröhnt ein Schrei durchs ganze Weltall,
Die Säulen brechen, Erd' und Himmel stürzen
Zusammen, und es herrscht die alte Nacht.

Available sung texts:   ← What is this?

•   W. Krätzschmar 

W. Krätzschmar sets lines 27-45, 52-67, 74-77, 79, 87-89

About the headline (FAQ)

View text with all available footnotes

Text Authorship:

  • by Heinrich Heine (1797 - 1856), "Götterdämmerung", appears in Buch der Lieder, in Die Heimkehr, no. 89 [author's text checked 1 time against a primary source]

Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):

  • by Wilfried Krätzschmar (b. 1944), "Große Soloszene in Schwarz", published c1985, lines 27-45, 52-67, 74-77, 79, 87-89 [ baritone solo, mixed chorus, string quartet, harp, piano, percussion, and orchestra ], from Heine-Szenen, no. 7, note: this setting begins '... ich hab durchschaut' [sung text checked 1 time]

Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]

This text was added to the website: 2008-02-05
Line count: 89
Word count: 603

Gentle Reminder

This website began in 1995 as a personal project by Emily Ezust, who has been working on it full-time without a salary since 2008. Our research has never had any government or institutional funding, so if you found the information here useful, please consider making a donation. Your help is greatly appreciated!
–Emily Ezust, Founder

Donate

We use cookies for internal analytics and to earn much-needed advertising revenue. (Did you know you can help support us by turning off ad-blockers?) To learn more, see our Privacy Policy. To learn how to opt out of cookies, please visit this site.

I acknowledge the use of cookies

Contact
Copyright
Privacy

Copyright © 2025 The LiederNet Archive

Site redesign by Shawn Thuris