by Leopold Franz Friedrich Lehr (1709 - 1744)
Language: German (Deutsch)
Our translations: ENG
Mein Heiland nimmt die Sünder an! Die unter ihrer Last der Sünden Kein Mensch, kein Engel trösten kann, Die nirgends Ruh und Rettung finden; Den'n selbst die weite Welt zu klein, Die sich und Gott ein Gräuel seyn, Den'n Moses schon den Stab gebrochen Und sie der Höllen zugesprochen, Wird diese Freystatt aufgethan. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Sein mehr als mütterliches Herz Trieb ihn von seinem Thron auf Erden; Ihn drang der Sünder Weh und Schmerz, An ihrer statt ein Fluch zu werden. Er senkte sich in ihre Noth, Und schmeckte den verdienten Tod. Nun, da er denn sein eigen Leben Zur theuren Zahlung hingegeben, Und seinem Vater gnuggethan. So heißts: Er nimmt die Sünder an! Nun ist sein aufgethaner Schooß Ein sichres Schloß gejagter Seelen. Er spricht sie von dem Urtheil los, Und tilget bald ihr ängstlich Quälen. Es wird ihr ganzes Sündenheer Ins unergründlich tiefe Meer Von seinem reinen Blut versenket; Der Geist, der ihnen wird geschenket, Schwingt über sie die Gnadenfahn'. Mein Heiland nimmt die Sünder an! So bringt er sie dem Vater hin In seinen blutbefloßnen Armen; Das neiget denn den Vatersinn Zu lauter ewigem Erbarmen. Er nimmt sie an an Kindesstatt; Ja alles, was er ist und hat, Wird ihnen eigen übergeben; Und selbst die Thür zum ew'gen Leben Wird ihnen fröhlich anfgethan. Mein Heiland nimmt die Sünder an! O solltest du sein Herze sehn, Wie sichs nach armen Sündern sehnet, So wohl wenn sie noch irre gehn, Als wenn ihr Auge vor ihm thränet! Wie streckt er sich nach Zöllnern aus! Wie eilt er in Zachäi Haus! Wie sanft stillt er der Magdalenen Den milden Fluß erpreßter Thränen, Und denkt nicht, was sie sonst gethan! Mein Heiland nimmt die Sünder an. Wie freundlich blickt er Petrum an, Ob er gleich noch so tief gefallen! Nun dieß hat er nicht nur gethan, Da er auf Erden mußte wallen: Nein! er ist immer einerley, Gerecht und fromm und ewig treu; Und wie er unter Schmach und Leiden, So ist er auf dem Thron der Freuden Den Sündern liebreich zugethan. Mein Heiland nimmt die Sünder an! So komme denn, wer Sünder heißt, Und wen sein Sündengräu'l betrübet, Zu dem, der keinen von sich weist, Der sich gebeugt zu ihm begiebet. Wie? willst du dir im Lichte stehn, Und ohne Noth verloren gehn? Willst du der Sünde länger dienen, Da, dich zu retten, er erschienen? O nein, verlaß die Sündenbahn. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Komm nur mühselig und gebückt, Komm nur, so gut du weißt zu kommen! Wenn gleich die Last dich niederdrückt. Du wirst auch kriechend angenommen. Sieh, wie sein Herz dir offen steht. Und wie er dir entgegengeht! Wie lang' hat er mit vielem Flehen Sich brünstig nach dir umgesehen! So komm denn, armer Wurm, heran. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Sprich nicht: Ich habs zu grob gemacht, Ich hab die Güter seiner Gnaden Zu lang' und schändlich umgebracht; Er hat mich oft umsonst geladen. Wofern du's nur jetzt redlich meynst Und deinen Fall mit Ernst beweinst, So soll ihm nichts die Hände binden, Und du sollst noch Genade finden; Er hilft, wenn sonst nichts helfen kann. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Doch sprich auch nicht: Es ist noch Zeit, Ich muß erst diese Lust genießen; Gott wird ja eben nicht gleich heut Die offne Gnadenpforte schließen. Nein, weil er ruft, so höre du, Und greif mit beyden Händen zu. Wer seiner Seelen Heut' verträumet, Der hat die Gnadenzeit versäumet; Ihm wird hernach nicht aufgethan. Heut komm! heut nimmt dich Jesus an. Ja, zeuch uns selbsten recht zu dir, Holdselig süßer Freund der Sünder; Erfüll' mit sehnender Begier Auch uns und alle Adamskinder. Zeig uns bey unserm Seelenschmerz Dein aufgespaltnes Liebesherz; Und wenn wir unser Elend sehen, So laß uns ja nicht stille stehen, Bis daß ein jeder sagen kann: Gott Lob, auch mich nimmt Jesus an.
Note: J. Lang's song title comes from Luke 18.13
Note to stanza 9, line 3: According to the published poem the word "umgebracht" can sometimes be "durchgebracht."
Composition:
- Set to music by Carl Philipp Emanuel Bach (1714 - 1788), "Trostlied", Wq 195 no. 4 (1764) [ voice and piano or harpsichord or organ ], from Zwölf geistliche Oden und Lieder als ein Anhang zu Gellerts geistlichen Oden und Liedern mit Melodien, no. 4
Text Authorship:
- by Leopold Franz Friedrich Lehr (1709 - 1744), "Die Sünderliebe Jesu", Luke 18.13.
See other settings of this text.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , copyright © 2006, (re)printed on this website with kind permission
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Sharon Krebs [Guest Editor]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 110
Word count: 647