Ins Reich entfernter Ewigkeiten verliert sich mein entzückter Blick. Ich seh das Glücke jetzt’ger Zeiten weit hinter meinem Wunsch zurück. Ist’s möglich? Konnt es ja mich blenden; was ist es dann als Dampf und Schein? Nur aus der Zukunft reichen Händen kann mich ein wahres Glück erfreun. Dort, wo der Ursprung aller Wesen im Sitz der Seligkeiten wohnt, wo bei der Schar, die er erlesen, der Menschenfreund erhaben thront. Wo Weisheit, Allmacht, Huld und Güte in einem Mittelpunkt vereint, der Sonne gleich, durch das Gebiete der ganzen Schöpfung liebreich scheint. In diesem Vaterland der Geister, in diesem Aufenthalt des Lichts, ist nur die Tugend Herr und Meister, gilt Ehre, Lust und Reichtum nichts. Der erste hier an Rang und Würden ist Gottes und des Menschen Sohn. Er trug der schwersten Pflichten Bürden, dadurch trug er das Reich davon. Weil er der Tugend treu geblieben, wird ihm der Zepter zuerkannt. Kein Name wird hier eingeschrieben, den nicht die Tugend erst genannt. Wer sich der Wahrheit Freund bewiesen, hat hier zu Glück und Freude Recht. Und hier wird kein Verdienst gepriesen, als dass man war der Tugend Knecht. Ach! hier bewährt erfunden werden, was ist es für ein selig Glück? Wie weit steht alles Glück der Erden nicht hinter diesen Ruhm zurück? Wie wird sich hier der Christ erfreuen, der elend hier, doch fromm geweint, nennt einst ihn, vor der Engel Reihen, des Himmels König seinen Freund. O! dieses Glückes wert zu werden, soll hier mein ganz Bestreben sein; dem Himmel will ich hier auf Erden schon alle meine Wünsche weihn. Der Tugend will ich mich befleißen, die mir mein Heiland vorgetan, der mich so gerne Freund will heißen, wenn er es nur mit Grunde kann.
Zwölf geistliche Oden und Lieder als ein Anhang zu Gellerts geistlichen Oden und Liedern mit Melodien
by Carl Philipp Emanuel Bach (1714 - 1788)
1. Aufmunterung zur Tugend
Text Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]2. Nachahmung der göttlichen Liebe
Urquell der Liebe! Ew’ge Güte! Zu dir erhebt sich mein Gemüte, das deiner Wahrheit Strahl gerührt. Sei ewiglich von uns gepriesen, dass du uns gnädig unterwiesen den Weg, der uns zum Leben führt! Du bist die Güte selbst. Als Kinder von dir, willst du, dass wir nicht minder in unsrer Art die Güte sein. Du schaffest um dich Seligkeiten, wir sollen auch Glückseligkeiten um uns auf unsre Brüder streun. Auf dein allmächtig Wort: Es werde! entstund der Himmel und die Erde, von deiner Güte sind sie voll. Du gabst der Sonne das Geschäfte, dass sie durch deines Feuers Kräfte uns leuchten und erwärmen soll. Der Himmel muss der Erde dienen, die Erde für die Tiere grünen, die Tiere sind zu unserm Nutz. Um deinen Endzweck zu erfüllen, ist eines um des andern willen, das Stärkre ist des Schwächern Schutz. Noch mehr bemüht zu unserm Glücke, hast du ein würdiger Geschicke dem Geisterorden zugedacht. Du gabst uns höhre Fähigkeiten, uns zu dem höhren Glück zu leiten, das uns die Tugend möglich macht. Dadurch soll unsre Wohlfahrt blühen, dass wir freiwillig uns bemühen, der eine für des andern Wohl. Du willst, dass jeder nicht sich leben, nein! durch ein nützliches Bestreben der Gott des andern werden soll. Du senktest selbst den Trieb zur Güte tief in das menschliche Gemüte und machtest Wohltun uns zur Pflicht. Wer nur für sich zu leben wählet, der hat das echte Glück verfehlet und findt die wahre Ruhe nicht. Dich selbst beseelen nur die Triebe der wahren Huld. Du selbst bist Liebe. Dir selbst ist Wohltun Seligkeit. Wer sich wie du dazu bemühet, dass durch ihn andrer Wohlfahrt blühet, der findet die Zufriedenheit. Dein Sohn, als ihn die Menschenliebe, den Himmel zu verlassen, triebe, als er zu uns auf Erden kam, als er entsagte allen Freuden, und Not und Elend, Schmach und Leiden, uns zu erlösen, übernahm; Wurd er ein Beispiel deiner Güte, von der sein göttliches Gemüte in jeder Handlung Proben gab. Sein nur der Huld geweihtes Leben, am Kreuze für uns hinzugeben, ließ sich der Menschenfreund herab. Er ist das Haupt, wir sind die Glieder! O! sollen wir für unsre Brüder nicht tun, was er für uns getan? Hinfort sei’s unser ganz Bestreben, dem nur, der für uns starb, zu leben. Wir nehmen ihn zum Führer an. Wir sind für andre nur geboren. Uns sei jeder Tag verloren, wo wir für andre nichts getan. Das sei allein, was wir begehren, was andrer Wohlergehn vermehren, was unserm Nächsten nutzen kann.
Text Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Ermunterung zur Buße
Eile, Herr! mein Herz zu stärken, mache meine Seele groß und in allen meinen Werken reiß mich von der Kleinmut los. Reiche, wenn mich Sorgen kränken, Gott, mir deine Vaterhand, mache durch vernünftig Denken mich mit dir und mir bekannt. Frei von ängstlichen Gedanken, will ich deiner Güte traun, und, wenn alle Freunde wanken, Gott, auf deine Vorsicht baun. Standhaft will ich mich bequemen, alles Elend dieser Welt als ein Erbteil anzunehmen, das auf meine Menschheit fällt. Sind mir Schätze nicht beschieden, mir, mein Gott, ist alles gleich, mache du mich nur zufrieden, Herr, so bin ich mehr als reich. Schluckt nicht seinen Leckerbissen mancher Großer zitternd ein? Lass, lass ein ruhiges Gewissen meiner Speise Würze sein. Weit vom Übermut und Neide halt, Herr, meinen Sinn entfernt, weil er diese Laster beide leicht zu seiner Marter lernt. Leite mich zur wahren Ehre, die den schönsten Vorteil zollt, wenn ich durch die Taten lehre, Klugheit habe sie gewollt. Hilf, dass mir’s auch da gelinge, wenn, o schweres Wort! der Tod, als das Schrecklichste der Dinge, mir mit der Verwesung droht! Gott! bei dieser großen Handlung, falle ja der Trost mir bei, dass mein Tod nur die Verwandlung, aber nicht mein Ende sei.
Text Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this page: Johann Winkler4. Trostlied
Mein Heiland nimmt die Sünder an! Die unter ihrer Last der Sünden Kein Mensch, kein Engel trösten kann, Die nirgends Ruh und Rettung finden; Den'n selbst die weite Welt zu klein, Die sich und Gott ein Gräuel seyn, Den'n Moses schon den Stab gebrochen Und sie der Höllen zugesprochen, Wird diese Freystatt aufgethan. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Sein mehr als mütterliches Herz Trieb ihn von seinem Thron auf Erden; Ihn drang der Sünder Weh und Schmerz, An ihrer statt ein Fluch zu werden. Er senkte sich in ihre Noth, Und schmeckte den verdienten Tod. Nun, da er denn sein eigen Leben Zur theuren Zahlung hingegeben, Und seinem Vater gnuggethan. So heißts: Er nimmt die Sünder an! Nun ist sein aufgethaner Schooß Ein sichres Schloß gejagter Seelen. Er spricht sie von dem Urtheil los, Und tilget bald ihr ängstlich Quälen. Es wird ihr ganzes Sündenheer Ins unergründlich tiefe Meer Von seinem reinen Blut versenket; Der Geist, der ihnen wird geschenket, Schwingt über sie die Gnadenfahn'. Mein Heiland nimmt die Sünder an! So bringt er sie dem Vater hin In seinen blutbefloßnen Armen; Das neiget denn den Vatersinn Zu lauter ewigem Erbarmen. Er nimmt sie an an Kindesstatt; Ja alles, was er ist und hat, Wird ihnen eigen übergeben; Und selbst die Thür zum ew'gen Leben Wird ihnen fröhlich anfgethan. Mein Heiland nimmt die Sünder an! O solltest du sein Herze sehn, Wie sichs nach armen Sündern sehnet, So wohl wenn sie noch irre gehn, Als wenn ihr Auge vor ihm thränet! Wie streckt er sich nach Zöllnern aus! Wie eilt er in Zachäi Haus! Wie sanft stillt er der Magdalenen Den milden Fluß erpreßter Thränen, Und denkt nicht, was sie sonst gethan! Mein Heiland nimmt die Sünder an. Wie freundlich blickt er Petrum an, Ob er gleich noch so tief gefallen! Nun dieß hat er nicht nur gethan, Da er auf Erden mußte wallen: Nein! er ist immer einerley, Gerecht und fromm und ewig treu; Und wie er unter Schmach und Leiden, So ist er auf dem Thron der Freuden Den Sündern liebreich zugethan. Mein Heiland nimmt die Sünder an! So komme denn, wer Sünder heißt, Und wen sein Sündengräu'l betrübet, Zu dem, der keinen von sich weist, Der sich gebeugt zu ihm begiebet. Wie? willst du dir im Lichte stehn, Und ohne Noth verloren gehn? Willst du der Sünde länger dienen, Da, dich zu retten, er erschienen? O nein, verlaß die Sündenbahn. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Komm nur mühselig und gebückt, Komm nur, so gut du weißt zu kommen! Wenn gleich die Last dich niederdrückt. Du wirst auch kriechend angenommen. Sieh, wie sein Herz dir offen steht. Und wie er dir entgegengeht! Wie lang' hat er mit vielem Flehen Sich brünstig nach dir umgesehen! So komm denn, armer Wurm, heran. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Sprich nicht: Ich habs zu grob gemacht, Ich hab die Güter seiner Gnaden Zu lang' und schändlich umgebracht; Er hat mich oft umsonst geladen. Wofern du's nur jetzt redlich meynst Und deinen Fall mit Ernst beweinst, So soll ihm nichts die Hände binden, Und du sollst noch Genade finden; Er hilft, wenn sonst nichts helfen kann. Mein Heiland nimmt die Sünder an! Doch sprich auch nicht: Es ist noch Zeit, Ich muß erst diese Lust genießen; Gott wird ja eben nicht gleich heut Die offne Gnadenpforte schließen. Nein, weil er ruft, so höre du, Und greif mit beyden Händen zu. Wer seiner Seelen Heut' verträumet, Der hat die Gnadenzeit versäumet; Ihm wird hernach nicht aufgethan. Heut komm! heut nimmt dich Jesus an. Ja, zeuch uns selbsten recht zu dir, Holdselig süßer Freund der Sünder; Erfüll' mit sehnender Begier Auch uns und alle Adamskinder. Zeig uns bey unserm Seelenschmerz Dein aufgespaltnes Liebesherz; Und wenn wir unser Elend sehen, So laß uns ja nicht stille stehen, Bis daß ein jeder sagen kann: Gott Lob, auch mich nimmt Jesus an.
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- by Leopold Franz Friedrich Lehr (1709 - 1744), "Die Sünderliebe Jesu", Luke 18.13.
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , copyright © 2006, (re)printed on this website with kind permission
Note: J. Lang's song title comes from Luke 18.13
Note to stanza 9, line 3: According to the published poem the word "umgebracht" can sometimes be "durchgebracht."
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Sharon Krebs [Guest Editor]5. Von der Majestät Gottes
O große Majestät, anbetenswürd’ges Wesen, unendlich größrer Gott, als wir geschrieben lesen, ach! flöße meiner ganzen Seele ein ehrfurchtsvolles Schauern ein; lass, wenn ich deinen Ruhm erzähle, mich kleiner als ein Stäubgen sein. Du bist ein selig Gut; du weißt von keinem Leide, dein höchstes Wesen ist ein Meer vollkommner Freude. Du konntst in süßer Stille schweben, eh dich der Engel Schar geehrt. Es ward dein höchstvergnügtes Leben von keiner Einsamkeit gestört. Dein Seligsein wuchs nicht durch Schöpfung dieser Erden. Du konntst durch meinen Fall nicht unglückselig werden. Doch lässt dein Sohn in solche Mühe sich für mich schnöden Sünder ein, dass er mich wieder zu dir ziehe, als könntst du sonst nicht selig sein. Du kannst mit größtem Recht allein gewaltig heißen, dein Donner kann die Erd aus ihren Achsen reißen. Es ist kein Ziel in deiner Stärke, dein Wort trägt diese schwere Welt. Das ist das kleinste deiner Werke, was jeder für unmöglich hält. Du bist der Herren Herr, den Erd und Himmel scheuet, der denen Kön’gen selbst die teuren Kronen leihet. Dich fürchten alle Majestäten, dich betet jede Herrschaft an. Du kannst so Leib als Seele töten, das kein zerbrechlichs Zepter kann. Du bist es, der allein Unsterblichkeit besitzet und andre, wenn er will, vor Tod und Gruft beschützet. Was die erschaffnen Geister haben, das tragen sie von dir zum Lehn. Du kannst sie in ihr Nichts begraben, bleibst aber selber ewig stehn. Ein unzugänglich Licht muss dir zur Wohnung dienen, ein Glanz, der noch zu klar den lichten Seraphinen, ein Blitz, der selbst die Engel blendet, wenn er auf ihre Augen fällt, von welchem sich ihr Antlitz wendet und sich vor Scham verhüllet hält. Welch sterblich Auge hat dein Wesen je geschauet? Wer lebet, der es sich im Fleisch zu sehen trauet? Du siehst zwar wie im hellen Morgen, was Nacht und Abgrund in sich schleußt; uns aber bleibst du wohl verborgen, du unsichtbarer großer Geist.
Text Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]6. Die Zufriedenheit in Gott
Was ist’s, das mein vergnügt Gemüte mit neuer Heiterkeit belebt und durch ein wallendes Geblüte den Geist der Fröhlichkeit erhebt? Ich fühle über Gram und Kummer auf einmal mich hinausgesetzt. Mein Geist erwacht aus seinem Schlummer und fühlt ein Feur, das ihn ergötzt. Was sonst ihn konnte niederdrücken, scheint jetzt ihm eine Kleinigkeit. Er sieht auf das mit heitern Blicken, was er sich sonst zu sehn gescheut. Erhaben über mein Geschicke, erheb ich mich, o Gott! zu dir und stelle dem vergnügten Blicke dich, meinen ew’gen Vater, für. Was gleicht, o Vater! deiner Liebe? Wie zärtlich ist dein göttlich Herz, du fühlst des Mitleids zarte Triebe, dich rührt der Reue banger Schmerz. Du blickst mit gnädigem Erbarmen den bußerfüllten Menschen an, der bei dir immer offne Armen zu seinem Schutze finden kann. Wie selig ist es, dich erkennen und deines Beifalls sicher sein! Das Recht, sich, Gott, dein Kind zu nennen, wie viele Freuden flößt es ein? Was ist die Welt mit ihren Schätzen, für den, der dich zum Vater hat? Wie viel vergnügendes Ergötzen erschafft der Seele deine Gnad? Sie, deine heiligen Gesetze, sind voller Huld und Billigkeit, sie sind des Menschen größte Schätze; sie üben, ist Glückseligkeit. Sie sollen meine Führer bleiben durch diesen finstern Aufenthalt. Der Tugend will ich mich verschreiben, solang mein Geist hienieden wallt. Wie glücklich macht mich dies Entschließen? Nie wird mich diese Wahl gereun; das Laster liegt zu meinen Füßen, nie soll mich seine Lust erfreun. Zu groß für ein vergänglich Glücke, verwirft mein Geist den Tand der Welt; ich weiß ein seliger Geschicke, das mir der Himmel aufbehält.
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]7. Der 27. Psalm
Den alle Himmel Herrscher nennen, der Herr, der ist mein Licht und Heil! Wie sollt ich mich wohl fürchten können? für wen, da er mein bestes Teil? Ich will auf seine Güte bauen, der Herr ist meines Lebens Kraft; wie könnte mir für jemand grauen, da mir sein Antlitz Hülfe schafft? Drum, wenn die Bösen an mich wollen, mich aufzureiben, werd ich sehn, wie sie, statt meiner, selbsten sollen anlaufen, fallen, schamrot stehn. Wenn gleich ein Heer sich um mich legte, so fürchtet sich mein Herz doch nicht; wenn sich auch Krieg und Streit erregte, der Herr ist meine Zuversicht. Eins bitt ich nur, das er mir gäbe, bloß dieses hätt ich herzlich gern, dass ich möcht bleiben, weil ich lebe, im Hause Gottes meines Herrn, wo seine Kinder ihn verehren, den schönen Gottesdienst zu sehn und, um der Gottheit Lob zu mehren, in ihren Tempel mitzugehn. Denn er deckt mich in seiner Hütten durch seinen Schutz zur bösen Zeit; er bringt mich vor dem Unglückswüten in sein Gezelt zur Sicherheit und wird nun auch mein Haupt erhöhen vor meine Feind, die um mich sind; so werd ich fröhlich opfern gehen in seine Hütten als sein Kind. Hör meine Stimme, wenn ich schreie: Herr! sei mir gnädig, höre mich! Mit deiner Hülfe mich erfreue, ich hoffe nur allein auf dich. Drum segne wieder nach dem Fluchen, mein Herze hält dir für dein Wort. Du sprichst: Ihr sollt mein Antlitz suchen; das such ich jetzt, o Gott, mein Hort! Verstoße nicht dein Kind im Grimme, verbirg dein Antlitz nicht vor mir. Erhöre meines Flehens Stimme, denn meine Hülfe steht bei dir. Tu nicht von mir, mich zu betrüben, die Hand jetzt ab, o Gott, mein Heil! Verlassen mich gleich meine Lieben, nimm du mich auf und sei mein Teil. Herr, weise mir doch deine Wege und leite mich auf rechter Bahn und nimm dich mein auf meinem Stege um meiner Feinde willen an. Du wirst dein Wort an mir erfüllen, du stehst den Unterdrückten bei; drum gib mich nicht in ihren Willen, sie tun mir Unrecht ohne Scheu! Ich weiß, dass ich noch auf der Erde im Lande der Lebendigen das Gut des Herren sehen werde, eh sich mein Lauf wird endigen. Gott, dem ich einzig mich befehle, sieht auf mein Leid und hilft mir gern. Drum sei getrost, o meine Seele, und unverzagt und harr des Herrn!
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]8. An Gott
Erheb auf mich dein Angesicht und lass mich deine Güte schmecken, Gott, der mich schuf! Es mag auch Dunkel oder Licht vor meinem Auge dich verdecken. O Herr! Es mag ein Feuermeer in tausend Strömen dich umgeben, verkleide dich im Sturm und lasse rings umher die Welt vor deinem Wetter beben. Lass deinen Blick, voll Gottes Macht, den Berg, die Felsen niederblitzen; verhülle deine Stirn mit Zorn und lasse Nacht, wo sonst der Tag regierte, sitzen. Doch betet meine Liebe dich, Gott Schöpfer! an, tief unter Waffen, die dich umrauschen. Herr, zum Leben hast du mich, und nicht zum Untergang, erschaffen!
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]9. Der 100. Psalm
Ihr Völker, jauchzt mit hohem Schall dem Gott der Götter überall! Erscheint in seinem Heiligtum mit eifersvollem Dank und Ruhm! Der Herr ist Gott; nur er allein, nicht wir, verlieh uns, was wir sein. Wir sind sein Werk und eigen Gut, die Schafe seiner Weid und Hut. Erhebt, empfangt ihn allzugleich und eilet in sein Gnadenreich! Er öffnet seine Tore weit. Da dringt hindurch mit Freudigkeit! Unendlich groß ist seine Treu. Sie scheint uns alle Tage neu, und seine Huld und Gütigkeit besteht durch aller Zeiten Zeit.
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]10. An Gott
Wenn ich erwache, denk ich dein, du Gott, der Tag und Nacht entscheidet und in der Nacht mit Sonnenschein den finstern Mond bekleidet. Er leuchtet königlich daher aus hoher ungemessner Ferne, und ungezählt wie Sand am Meer stehn um ihn her die Sterne. Welch eine Pracht verbreitet sich! Die Dunkelheit, geschmückt mit Lichte, sieht auf uns nieder, nennet dich mit Glanz im Angesichte. Du Sonnenschöpfer, wie so groß bist du im kleinsten Stern dort oben, wie unaussprechlich namenlos! Die Morgensterne loben dich miteinander in ein Chor geschlossen, wie zu jener Stunde, da aus dem Chaos tief hervor ein Wort aus deinem Munde allmächtig diese Welten rief, am Firmament herum gesetzet. Du sprachst, das Rad der Dinge lief und läuft noch unverletzet. Noch voller Jugend glänzen sie, da schon Jahrtausende vergangen! Der Zeiten Wechsel raubet nie das Licht von ihren Wangen. Hier aber unter ihrem Blick vergeht, verfliegt, veraltet alles. Dem Thronenpomp, dem Kronenglück droht eine Zeit des Falles! Der Mensch verblüht wie prächtig Gras, sein Ansehn wird der Zeit zum Raube. Der Weise, der in Sternen las, liegt schon gestreckt im Staube! Ich lese, großer Schöpfer, dich des Nachts in Büchern, aufgeschlagen von deiner Hand. O lehre mich, nach deinem Lichte fragen. Sei meiner Seele Klarheit, du Regierer der entstandnen Sterne, und blicke meinem Herzen zu, dass es dich kennenlerne!
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]11. Morgengesang
Der junge Tag, zurückgekommen mit neugeschaffnem Angesicht, hat halb die Freundlichkeit des Gottes angenommen, der ihn bekleidet mit Licht! Du, Seele, bist nicht fortgerissen aus mir durch irgendeine Macht; o dem, auf dessen Wort die Himmel horchen müssen, sei neues Opfer gebracht! Er durfte sprechen, durfte winken, so schlug der Todesengel mich; so musst ich plötzlich hin in ew’gen Schlaf versinken, und Lust bekleidete dich! Er hieß mich leben, hieß dich bleiben, dich, die vom Himmel niederfuhr; sei Funken oder Hauch, ich kann dich nicht beschreiben, empfinden kann ich dich nur! Du denkst in mir, du kannst dich schwingen, dem unsichtbaren Winde gleich, in einem Augenblick dahin, wo Engel singen, und singst mit ihnen zugleich! Du übersteigest Mond und Sterne, fliehst schnell zurück, du schweifst umher wie Gottes Blitz und schwebst in ungemessner Ferne hoch über Hügel und Meer! Du drängest dich durch dicke Mauren, du achtest feste Schlösser nichts; ich fühl es, dass du strebst, der Gottheit gleich zu dauren, zu trinken Ströme des Lichts. Dein namenloser Geiz begehret mehr, als die Welt zu geben weiß; von Wollust oder Gold und Ehre nicht genähret, bleibt stets dein Hunger noch heiß, Bis du zum Seraph wirst erhoben, o fühle deine Würde ganz. Unsterbliche! dir gab der, den die Sterne loben, ein Teil vom himmlischen Glanz.
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]12. Der 88. Psalm
Mein Heiland, meine Zuversicht, mein Gott, vor dem ich ganze Tage und ganze Nächte kämpf und zage, verschmäh doch meine Tränen nicht und lass dir mein Geschrei und Ringen nun einst zu Ohr und Herze dringen. Der Schmerzen Wut erschöpfet mich. Wohin ich mich nur wind und wende, bedrohet mich ein nahes Ende. Ich schleppe matt und jämmerlich von mir bald nur die dürre Leiche, bis meine Seele gar entweiche. Ich bin von aller Welt verbannt und wie ein Toter abgeschieden, als wär ich außer deinem Frieden und schon verdammt durch deine Hand, gleich einer Gräuellast der Erden gerichtet und vertilgt zu werden. Ich bin in höllenbange Nacht und in den Abgrund aller Plagen von dir, erzürnter Gott! verschlagen. Es rast und schüttet deine Macht des strengsten Eifers Blitz und Flammen und Fluten über mich zusammen. Du setzest mich zum Scheusal aus, dass mich in meinen Ängst und Mühen die Freunde mit Entsetzen fliehen. Ich bin schon in des Grabes Haus und ohne Rückweg zu dem Leben mit Todesbanden rings umgeben. Mein Aug erstirbt vor langer Pein. Vergeblich such ich dein Erbarmen mit immer ausgestreckten Armen. Soll ich erst Staub und Asche sein und aus dem Moder auferstehen, um deine Taten zu erhöhen? Wie sollte wohl mein Dankgesang die Huld und Stärke meines Helden in Fäulnis und Zerstörung melden? Wie sollte wohl mein Untergang, o Vater! deine Treu bewähren und deiner Gnaden Ruhm erklären? Wer wird in jener Dunkelheit, darin wir unser selbst vergessen, die Wunder deines Heils ermessen? Ich schrei zu dir bei früher Zeit, dass mir dein Trost noch Kraft erteile, eh das Verderben mich ereile. Wenn endlich blickest du mich an? Wie lang versäumst du meine Seele, da ich mich müd und einsam quäle? Ich muss, so lang ich denken kann, o Höchster! deine Lasten tragen und mich mit der Verzweiflung schlagen. Dein Grimm, der keine Stunde ruht, erschüttert mich mit Schreck und Qualen und reibt mich auf mit seinen Strahlen. Ich bin von deiner Wetterflut, die ringsumher auf mich gedrungen, wie von der hohen See verschlungen. Da kennt mich kein Erbarmer nicht. Du fleuchst und hast auch meine Lieben durch dein Gerichte weit vertrieben. Auch die verleugnen ihre Pflicht und haben sich von mir verloren, die mir doch ew’ge Treu geschworen.
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- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]