by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Dorothea
Language: German (Deutsch)
Ein Sang, gewebt aus Rosenduft und Lilienglanz und Himmelsluft hebt sich aus Marter, Blut und Tod, verklärend alle Erdennot. Ein römischer Senator war Dorus genannt, der Christenschar getreulich zugetan. Sein Weib hieß Thea; ihrem holden Leib entsprossen holde Töchter: Christe, die ältere, und dann Calliste. Die Gatten, reich und edel, floh'n vor der Verfolgung blutigem Droh'n nach Kappadokien. Ihnen ward daselbst in Cäsarea noch eine Tochter, Dorothea. Heimlich getauft vom Bischof dort erwuchs die holde Maid, ein Hort der Schönheit, Frömmigkeit und Zucht, des heil'gen Geistes köstlichste Frucht. Der böse Dämon kündete ihr Fehde, und entzündete Fabricius' Gemüt, dass er nach dem Genuss der Jungfrau warb mit allen Sinnen; doch nimmer konnt' er sie gewinnen. Da drohte er ihr, sie zu erschrecken, ihren Glauben aufzudecken. Doch sie bekannte öffentlich ihr Christentum. Weh', nun sah sich Fabricius gezwungen, sie vor sein Gericht zu laden. Nie vergaß sie da der Pflicht, so groß war dort ihr Mut! Man übergoss mit siedendem Öl sie allenthalben; ichr war's, als würde man sie salben mit mildem Balsam. Als die Heiden das Wunder sahen, da entschieden sich viele für den wahren Christ. Fabricius ließ nach kurzer Frist Dorotheen wieder kommen und befahl der klugen Frommen Apollos Standbild anzubeten. Sie weigert sich, vor ihn zu treten. Auf ihr Gebet kam auf einmal vom Himmel ein Donnerstrahl, der all das Bild vernichtete. Der Heidenpöbel flüchtete, doch viele drängten sich als Zeugen heran, der Wahrheit sich zu beugen im Martertode. Ganz zerschunden ward Dorothea zum Kerker wiederum gebracht; Gott heilte sie in einer Nacht. Fabricius, des Mitleids voll, ließ sie mit eifersüchtigem Groll zu ihren beiden Schwestern bringen. Die waren aus Furch vor ärgeren Dingen vom Gauben abgefallen. Die sollten nun mit allen Versuchungen die Schwester auch abwendig machen christlichem Brauch. Jedoch das Gegenteil geschah: So innig konnte Dorothea die Süßigkeit göttlicher Liebe preisen, dass jene strebten, sich kühn zu erweisen, und so die Märtyrerkrone erwarben, indem sie der Welt im Feuer erstarben. Dorothea aber sagt zum Richter: „Ach, wie lange zagt dein Mund, das Urteil mir zu sprechen! Schon längst verlangt mich, zu meinem zarten Liebsten zu kommen, in dessen Garten Rosen und Äpfel zu pflücken, und ewig mich zu laben mit ihm im Bund!“ Zum Tod schickt sie Fabricius, jedoch der Jüngling Theophilus, des Richters Schreiber, der alldort vernommen hatte der Jungfrau Wort, Sprach so zu ihr in spöttischem Sinn: „Kommst du zu deinem Liebsten hin, mit ihm in seinem Garten zu kosen, so sende von den schönen Rosen und Äpfeln mir auch welche her!“ Ernst sprach die Maid: „Nach deinem Begehr soll dir gescheh'n!“ Der Jüngling lachte. Als man die Maid zum Richtplatz brachte, um dort den Schwertstreich zu empfangen, kniete sie nieder zu beten und bangen. Da plötzlich stand ein Knabe vor ihr im Purpurmantel, hold und zier, voll gold'ner Sterne im krausen Haar; sein Antlitz strahlte wunderbar. Ein Körbchen sah sie jenen tragen, darin drei Rosen, drei Äpfel lagen. Und Dorothea sprach voll Glut: „O lieber Bruder, sei so gut und bring' den Korb und was darin Theophilo, dem Schreiber, hin!“ Darauf empfahl sie sich dem Herrn, empfing den Streich bereit und gern und flog zum ew'gen Himmelsglast. Theophilus stand im Palast des Landpflegers am Fenster dort und dachte an Dorotheens Wort, als plötzlich das Knäblein vor ihm stand und sprach: „Sieh', das hat dir gesandt Dorothea, mein Schwesterlein, vom Garten ihres Liebsten fein!“ Damit verschwand er. Theophilus, ergriffen von diesem Geistergruß, fing sogleich an, den Herrn zu preisen und sich als Christen zu erweisen. Und seiner Predigt mächtig Wort riss alle Heiden mit sich fort, was machte, dass Fabricius zum Tod ihn schickt. Nach dem Genuss der ewigen Freuden strebt er ja! Von Dorothea wird er da mit ihrem Liebsten froh empfangen. O könnt' ich Gleiches einst erlangen!
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Mathilde von Kralik (1857 - 1944), "Dorothea" [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
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