by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Ich bin nur einer deiner Ganzgeringen
Language: German (Deutsch)
Ich bin nur einer deiner Ganzgeringen, der in das Leben aus der Zelle sieht und der, den Menschen ferner als den Dingen, nicht wagt zu wägen, was geschieht. Doch willst du mich vor deinem Angesicht, aus dem sich dunkel deine Augen heben, dann halte es für meine Hoffart nicht, wenn ich dir sage: Keiner lebt sein Leben.[61] Zufälle sind die Menschen, Stimmen, Stücke, Alltage, Ängste, viele kleine Glücke, verkleidet schon als Kinder, eingemummt, als Masken mündig, als Gesicht verstummt. Ich denke oft: Schatzhäuser müssen sein, wo alle diese vielen Leben liegen wie Panzer oder Sänften oder Wiegen, in welche nie ein Wirklicher gestiegen, und wie Gewänder, welche ganz allein nicht stehen können und sich sinkend schmiegen an starke Wände aus gewölbtem Stein. Und wenn ich abends immer weiterginge aus meinem Garten, drin ich müde bin, – ich weiß: Dann führen alle Wege hin zum Arsenal der ungelebten Dinge. Dort ist kein Baum, als legte sich das Land, und wie um ein Gefängnis hängt die Wand ganz fensterlos in siebenfachem Ringe. Und ihre Tore mit den Eisenspangen, die denen wehren, welche hinverlangen, und ihre Gitter sind von Menschenhand.
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Das Stunden-Buch, Leipzig : Insel-Verlag, 1918, p.60
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Hans-Joachim Roedelius (b. 1934) and by Alessandra Celletti (b. 1966), "Rilke" [ narrator and electronics ] [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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