by (Heinrich) Ludwig Theodor Giesebrecht (1792 - 1873)
Scholastica
Language: German (Deutsch)
"Bleib, mein Bruder, bleib noch eine Stunde! Ach, viel Tage hat das lange Jahr, einer nur bringt mir aus Brudermunde Friedensworte, Trostesworte dar. Dann vom Felsen kommt der Abt hernieder, ich vom Kloster, das der Hain umstrickt, und im Vaterhaus vereinigt wieder sind Scholastica und Benedict. Weile noch, sei gütig dem Verlangen! sieh'st du finster, wenn die Schwester spricht?" Chor der Mönche des heiligen Benedict: Heimwärts! heimwärts! Nacht ist angegangen, weh dem Mönche, der die Regel bricht! Scholastica: Ist die Regel unbezwinglich und der milde Bruder hart, welches Herz ist dann durchdringlich, wenn mir dies zum Felsen ward! |Scholastica: | Regentropfen ohne Ende! | Auch mein Aug' an Tropfen reich, | still gefaltet meine Hände; | Liebewallt dem Äther gleich. | |Chor der Nonnen: | Unter Schlossen, unter Wettern | schaffen Engel sanft und weich, | wenn die Blitze zuckend schmettern, | Liebe wallt dem Äther gleich. | |Chor der Mönche: | Wolken türmen sich, die Segel | rafft der kund'ge Schiffer ein. | Wie der Pol-Stern steht die Regel, | eilt, ihr Mönche, eilt herein! Scholastica: Ordnung und Liebe im Brausen der Güsse, hörst du sie ringen? Die Regel verhallt. Nieder vom Waldgebirg' stürzen die Flüsse, bahnlos der Pfad durch der Wasser Gewalt. |Chor der Mönche: | Wie der Pol-Stern steht die Regel, | eilt, ihr Mönche, eilt herein! | |Chor der Nonnen: | Liebe wallt dem Äther gleich. Scholastica: Ewige Liebe, dem schüchternen Flehen hast du gewährt, was der Orden versagt! Bruder mein, Bruder, nun kannst du nicht gehen, fort mit dem Strom ist die Brücke gejagt. |Chor der Mönche: | Wie der Pol-Stern steht die Regel, | eilt, ihr Mönche, eilt herein! | |Chor der Nonnen: | Liebe wallt dem Äther gleich. Scholastica: Ordnung und Liebe im Brausen der Güsse, hörst du sie ringen? Die Regel verhallt. Nieder vom Waldgebirg' stürzen die Flüsse, bahnlos der Pfad durch der Wasser Gewalt. Chor der Mönche: Ew'ge Ordnung, laß den Mönch dich fragen: Gilt die Regel nichts, noch dein Gezelt? Chor der Nonnen: Reinen Herzens laß die Nonne sagen: Auch Natur hat Recht in Gottes Welt. Scholastica: Stille die Wetter! doch schärfer und fester trifft mir die Brust der prophetische Pfeil. Gegen den Orden bewah'r ich der Schwester, gegen die Nonne dem Orden das Teil. Ruf der Vollendung, du hallst mir entgegen! Siehe, du stirbst, mein natürlicher Leib! Bruder, du gieb mir den weihenden Segen! aber ich scheide, ein seliges Weib. Singt mir mein Grablied! Gefaltet die Hände, schau' ich entgegen aufdämmerndem Rot. Gott ist die Liebe, der Anfang, das Ende, Gottes das Leben und Gottes der Tod.
Authorship:
- by (Heinrich) Ludwig Theodor Giesebrecht (1792 - 1873) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Loewe (1796 - 1869), "Scholastica", op. 76 no. 2 (1838), published 1840 [sung text checked 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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