by Maurice Reinhold von Stern (1860 - 1938)
Der Tod des Sardanapal
Language: German (Deutsch)
Arbakes' Kriegsvolk steht vor Ninive. -- Jäh aufgescheucht vom Pfühl und goldnen Rocken, Vom Wollespinnen und von Weibergluth, Erbleicht im Königsglanz Sardanapal. Und vor den Thoren glitzern in der Sonne Der Meder Waffen, gleich dem Schuppenleib Der Schlange, die sich windet um ihr Opfer. Die Weiber flüstern. Leis durch den Palast Des Sanherib schwebt Dämm'rung, Angst und Staub. Die Hallen stehn verwaist. Die bleiche Sonne Vergoldet matt die Bilder an den Wand Und gleitet lächelnd in verlornem Staunen Von Spruch zu Spruch, als wollt' sie im Verglüh'n Die alte Weisheit der Chaldäer deuten. In tiefem Schweigen steht Sardanapal Am Fensterbogen, starrend in die Sonne, Die sich, erbleichend, über Assur neigt. Ein weites, blendend-weißes Wollenkleid Verhüllt den Leib, die lustgewohnten Glieder, Die längst nicht mehr der Waffen Druck beschwert, Von glüh'nden Frauenhänden nur betastet. Und Spangengold erglänzt um Stirn und Arm. Westwärts gewendet, Sonne in die Augen, Und traumverlorend spricht der König nun: "Die Sonne Assur's will sich blutend neigen Und Waffenlärm verdrängt den süssen Ton Der Wonne, die ein König sich erkoren. Assyrien's Rose, duft- und gluthverschönt, Zertreten wird sie von den plumpen Hufen Der Mederhorde, und ein Traum erbleicht. -- Wo steckt ihr, Sklaven? Häuft mir Holz zum Stoß, Jagt mir die Weiber von den warmen Kissen, Schleppt Goldgeräth und Waffen und Juwelen, Des Hauses Schatz, gehäuft vor den Palast!!! Denn Abschied will ich von der Erde nehmen, Bekränzt mit Rosen: schweben soll ein Rauch Von Myrrhen, Ambra, Sandelholz, Elektron, Betäubend Herz und Sinn der ewigen Zeit, Und duftend fremd den heil'gen, goldnen Stieren, Ein süßes Opfer des Sardanapal!" -- Die Sklaven rennen. Schon erhebt sich doch, Bedeckt mit Fellen, Goldgeschmeid' und Blumen, Der Holzstoß in die abendrothe Luft. Und droben thront, in Pracht und Traum versunken, Den Blick zur Sonne, Funken holden Licht's Im milden Auge, stolz Sardanapal. Und um ihn lagern, lächelnd in das Licht, Das scheidend matt die Goldgeräthe küßte Und blendend über nackte Schultern glitt, Die süßen Weiber, Assur's Rosenflor. Die Kniee' umklammert des Gewaltigen, Von Liebe lohend, hingewandt den Blick Des Sonnenaug's zum Herrscher ihres Herzens, Die Favoritin, jauchzend in den Tod. Daneben ruht die ungeberdige Kleine, Die Blonde, die nicht willig sterben wollten, Nackt, von der Geißel sausend-scharfen Schlägen Die Seidenhaut zerfetzt, im Golde -- todt. Im jungen Busen steckt der harte Stahl. -- Und Blumenduft und Gold und Ambrawolken Und süße Töne künden letzte Gluth. Die Flammen lodern. Klingend an die Becken Und goldnen Schaalen pocht des Todes Knöchel Und singend spielt das Feuer mit den Rosen Und leckt das Gold und küßt des Königs Füße, Der träumend in die ferne Röthe blickt. -- Die Sonne sinkt und ihre letzte Gluth Mischt sich erbleichend in den Königsglanz, Der duftumwölkt in ewigen Frühling geht . . .
Confirmed with Maurice Reinhold von Stern, Mattgold: neue Dichtungen, zweite Auflage, Zürich: Verlag von "Stern's literarischem Bulletin der Schweiz", 1893. Appears in Herrisch, pages 36 - 38
Authorship:
- by Maurice Reinhold von Stern (1860 - 1938), "Der Tod des Sardanapal", appears in Mattgold: neue Dichtungen, in Herrisch [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Lothar Kempter (1844 - 1918), "Der Tod des Sardanapal", op. 47, copyright © 1906 [ baritone, men's chorus, and orchestra ], Zürich, Hug [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Melanie Trumbull
This text was added to the website: 2020-09-22
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